Missverständnisse zw. Chinesen und Deutschen ?

Für alle, die an der Erstellung eines gemeinsamen deutsch-chinesischen Buches mitwirken wollen. Ziel des Buches ist es, als Ratgeber die jeweilig andere Mentalität,Lebenseinstellung und Sichtweise zu verstehen.
chrix
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Re: Missverständnisse zw. Chinesen und Deutschen ?

Beitrag von chrix »

Aber Humor ist halt auch eine sehr schwierige, weil Geschmacks-, Sache. Der deutsche Humor ist ja auch berüchtigt bei manchen, da kann man nur sagen, à chacun son goût...
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Skorpid
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Beitrag von Skorpid »

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punisher2008
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Re: Missverständnisse zw. Chinesen und Deutschen ?

Beitrag von punisher2008 »

de guo xiong hat geschrieben:
Topas hat geschrieben:
Ein Klassiker ist ja, dass aus Sicht der Deutschen Chinesen oftmals nein sagen und Ja meinen ?
hmm der Klassiker ist doch eher, eine Chinese sagt Ja und meint doch eher Nein - [vorsicht Verallgemeinerung]Denn ein klares "Nein" sagen, fällt doch Chinesen so schwer[/Verallgemeinerung]

de guo xiong, der es auf Arbeit fast täglich erlebt
Dass Chinesen nicht gerne "nein" sagen, habe ich noch nie festgestellt, eher im Gegenteil. Die sagen einem schon ziemlich direkt, wenn sie mit etwas nicht einverstanden sind. Und dass "nein" sagen einen Gesichtsverlust bedeutet, halte ich auch für falsch, oder zumindest schlecht interpretiert. Ich finde die ganze Sache wird von Westlern oft überbewertet.
Meiner Erfahrung nach ist das eher sprachlich bedingt. Chinesen sagen eher "versehentlich" ja, d.h. weil sie es aus ihrer Sprache gewohnt sind und einfach noch nicht richtig Bescheid wissen, wie man in einer Fremdsprache richtig antwortet. Beispielsweise, man fragt einen Chinesen "you don't like it?", dann kommt oft die Antwort "yes". Gemeint war aber eher Zustimmung mit der ganzen Aussage, also dass ihnen etwas NICHT gefällt, daher die Bejahung. Als Deutscher oder Westler würde man da mit "nein" antworten. In China ist es genau umgekehrt. Man hat andere Vorstellungen von "ja" und "nein".
Z.B.:
你不喜欢吗?- 是 (im deutschen würde man sagen "nein, es gefällt mir nicht")
- 不是 ("doch, es gefällt mir")
Man antwortet bei solchen Fragen genau umgekehrt wie im deutschen oder englischen. Daher gibt es oft Missverständnisse und man bekommt (besonders wenn man kein chinesisch kann) den Eindruck, Chinesen würden "nein" meinen aber "ja" sagen. In Wirklichkeit ist es aber oft nur eine Fehlinterpretation einer Antwort. Ich sage oft, nicht immer! Natürlich gibt es auch Fälle, wo Chinesen aus "Höflichkeit" oder um Streit zu vermeiden zustimmen. Aber man sollte auch sehen, dass es nicht immer so sein muß.
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Re: Missverständnisse zw. Chinesen und Deutschen ?

Beitrag von chrix »

Aber wie ist es denn in einer Geschäftsverhandlung? Sagen Chinesen dann wirklich nein? Japaner würden sagen, daß sie sich das noch einmal überlegen würden, um das Gegenüber nicht zu brüskieren, aber jeder, der sich mit der japanischen Mentalität auskennt, weiß, daß das ein Nein wäre. Würden Chinesen das auch sagen, oder direkt Nein ins Gesicht sagen?
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punisher2008
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Re: Missverständnisse zw. Chinesen und Deutschen ?

Beitrag von punisher2008 »

beowulf hat geschrieben: Was mir immer wieder bei Deutschen auffällt, ist eine Art "Kundenunterwürfigkeit". Ala die Angestellten sind ja auch nur Menschen und machen ihren Job... :lol:

Da kann die Kassiererin beim Aldi schlecht aufgelegt sein und unfreundlich herumpöbeln - die deutschen Kunden machen den Mund zu und regen sich nicht einmal auf. So etwas ist für Chinesen wirklich ein sehr exotisches und irritierendes Verhalten. Hab da schon ein paar mal mit Chinesen und Koreanern darüber diskutiert. Die verstehen die Welt nicht mehr.
Dieses Verhalten ist nicht nur für Chinesen oder Österreicher irritierend! Es nervt mich als Deutschen ganz genau so! Auch mir fällt jedes mal wenn ich in Deutschland bin auf, wie die Leute als Kunden kuschen, egal ob im Restaurant, Kaufhaus, am Bankschalter, in öffentlichen Verkehrsmitteln oder sonst wo, schlechter und unfreundlicher Service wird immer stillschweigend hingenommen. Ich kann mich an nicht einen Fall erinnern, wo Kunden sich mal beschwert haben. Nur wenn Deutsche im Ausland sind ist es anders, da beschwert man sich gerne, und erwartet, dass alles klappt, was im eigenen Land nicht klappt. In China ist man es gewohnt, als Kunde wegen jeder Kleinigkeit die Kellnerin anzupöbeln (was ich NICHT in Ordnung finde). In Deutschland ist es umgekehrt, man läßt es sich gefallen, von der Kellnerin angepöbelt zu werden. Dass das Chinesen schockiert, wundert mich überhaupt nicht. Ein gesunder Mittelweg in beiden Ländern wäre angebracht, statt dieser Extreme. :roll:
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Re: Missverständnisse zw. Chinesen und Deutschen ?

Beitrag von Skorpid »

punisher2008 hat geschrieben: Auch mir fällt jedes mal wenn ich in Deutschland bin auf, wie die Leute als Kunden kuschen, egal ob im Restaurant, Kaufhaus, am Bankschalter, in öffentlichen Verkehrsmitteln oder sonst wo, schlechter und unfreundlicher Service wird immer stillschweigend hingenommen.
Ich muss ehrlich zu sagen, ich gehöre meist auch zu den Kuschern, ich ertappe mich sogar manchmal wie es mir fast "peinlich" ist, wenn sich meine Freundin lautstark beschwert, obwohl sie ja recht hat. Ich weiß nicht, ob das an einer Übererziehung zum freundlich, höflich und friedlich sein liegt, die Angst sich Feinde zu machen (Gott haben die in der Bank böse gekuckt als wir den Filialleiter sprechen wollten (und nicht durften) weil sie so miesen Service hatten) oder generell in der Mentalität der gebildeteren Schicht. Ich muss jetzt auch langsam lernen mich zu beschweren wenn etwas nicht passt und nicht einfach im Restaurant ein anderes Essen wie das bestellte essen...
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Re: Missverständnisse zw. Chinesen und Deutschen ?

Beitrag von beowulf »

Ein gesunder Mittelweg in beiden Ländern wäre angebracht, statt dieser Extreme. :roll:
Ein gesunder Mittelweg - du weißt doch wie das mit dem Servicepersonal so ist. Gibt man ihnen den kleinen Finger brechen die einen gleich den ganzen Arm. :lol: Das ganze endet dann im Kommunismus :wink:
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Re: Missverständnisse zw. Chinesen und Deutschen ?

Beitrag von Aremonus »

Die Chinesen geben tendenziell eher nicht zu, wenn sie etwas nicht verstanden haben. Sie sagen, sie hätten es verstanden, und der europäische Geschäftsmann geht wieder. Dann kommt eine Lieferung voller qualitativ minderwertiger Teile und der Europäer ärgert sich: die können es ja nie richtig machen...

So leider schon in unserem Familienbetrieb geschehn... der Grund war mir dann aber, als mein Vater meiner Freundin einmal erklärte, was wir überhaupt herstellen, klar: er erzählt in seinem Ingenieursslang, wie die Maschine funktioniert. Meine Freundin blickt gar nichts, sitzt aber da, lächelt und tut so als ob sie's verstünde, sodass sie und mein Vater das Gesicht nicht verlieren. Ich schaute dann meinen Vater an und sagte: dir ist schon klar, das sie jetzt erst 'mal garnichts verstanden hat? War es ihm aber nicht.
Jetzt wollen wir den Markt auf dem Festland erobern (waren bis jetzt erst auf Taiwan); dazu gibts nächste Woche eine Agentenschulung in Beijing... wenn das nur mal guht geht :roll:

Wie schafft man eine Atmosphäre, in welcher ein Chinese offen zugeben kann, etwas nicht verstanden zu haben?
Erst wenn der letzte Baum gefällt, der letzte Fluss gestaut und der letzte Fisch gefangen ist, werdet ihr feststellen, dass man Biber nicht essen kann!
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Re: Missverständnisse zw. Chinesen und Deutschen ?

Beitrag von ijontichy »

Wie schafft man eine Atmosphäre, in welcher ein Chinese offen zugeben kann, etwas nicht verstanden zu haben?
Nicht so ganz ernst gemeint: Verteile einen Ordner mit Lernmaterialien und mache dann eine Woche spaeter eine schriftliche multiple-choice Pruefung... Man weiss zwar immer noch nicht, wer was verstanden hat, aber immerhin wird in gewohnter Weise ermittelt, wer die richtigen Antworten gibt.
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Re: Missverständnisse zw. Chinesen und Deutschen ?

Beitrag von serenita »

Aremonus hat geschrieben:
Wie schafft man eine Atmosphäre, in welcher ein Chinese offen zugeben kann, etwas nicht verstanden zu haben?
Also, da möchte ich gern was zu sagen. Wer behauptet denn, dass es ein Phänomen sei, das ausschließlich bei chinesen zu beobachten ist? Oft genug habe ich erlebt, dass die nicht-chinesischen Kollegen sich nicht trauen, den Mund aufzumachen, um Fragen zu stellen. Sie nehmen es lieber hin, dass sie es nicht verstanden haben. Warum sie es tun, weiß ich nicht so genau, vermute aber dass man sein Gesicht wahren will.

Gerade wenn Kollegen aus meheren Bereichen zusammen kommen und sich denselben Vortrag interaktiv anhören, da erkennt man schon an der Vielfalt des Gesichtsausdrucks, dass da Fragezeichen nur so aufsteigen. Aber Fragen hat man keine.

Mir hat mal einer erzählt, der viel mit Export und folglich vielen Nationalitäten zu tun hat, gesagt, wie er (Ösi) erfolgreich den Umgang meistert. Dass man authentisch bleibt und sich nicht arg verbiegt, andre respektiert, dabei muss er noch nicht mal gesondert betonen, dass er auf den kulturellen HIntergrund des jeweiligen eingeht. Im Grunde, das sagte er, sind die Menschen überall gleich, damit meint er, die Mindesterwartungen ähneln sich in der zwischenmenschlichen Beziehung. Man soll/darf durchaus seine eigenen Grundsätze/Werte dabei wahren. Und das kann ich bestätigen.

Worauf ich hinaus will, ist, lass Dich nicht blenden. Vielleicht gibt's da einige Chinesen, die nicht gern ihre Schwächen zugeben, dafür gibt's aber noch genügend andere Chinesen, die kein Problem damit haben.

Viel Glück mit Eurer Schulung! Ich empfehle die Kärtchen-Methode, ist anonym und effizient. :)
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Re: Missverständnisse zw. Chinesen und Deutschen ?

Beitrag von Aremonus »

Im Grunde, das sagte er, sind die Menschen überall gleich, damit meint er, die Mindesterwartungen ähneln sich in der zwischenmenschlichen Beziehung. Man soll/darf durchaus seine eigenen Grundsätze/Werte dabei wahren. Und das kann ich bestätigen.
Ich denke, hier geht es auch nicht um die Chinesen als Menschen, sondern um die dort oft vorherrschende, im Vergleich mit der Schweiz extrem hierarchischen Firmenkultur (wie auch in Japan und teilweise in den USA üblich). Wenn also, salopp gesagt, Junioringenieur X etwas nicht versteht, kriegt er von Senioringenieur Y auf die Nase. Der Effekt wird dadurch verstärkt, dass viele in China das Gefühl zu haben scheinen, sie verlören uns als Kunden oder Partner, wenn sie "schwäche" zeigten (oder sie seien in einer verhandlungsmössig nachteiligen Position).
Wir müssen ihnen irgendwie zeigen können, dass es für uns viel, viel ärgerlicher ist, wenn wir keine oder unbrauchbare Aufträge respektive fehlerhafte Produkte erhalten, als wenn sie uns 1000 Fragen stellen. In Taiwan klappte dies erst nach etwa 3 Jahren intensiver Zusammenarbeit und Vertrauensaufbau; vorhin wollten die ja nie einen unserer Mitarbeiter als Berater in der Bude haben und sagten immer "ja, wir könnens doch, das nächste Mal klappts bestimmt".
Ich empfehle die Kärtchen-Methode, ist anonym und effizient.
Es gibt da nicht viel zum Auswendiglernen; sind ja alles ausgebildete, erfahrene Ingenieure. Das Problem ist das Verständnis der extrem komplexen Abläufe im Detail.
Erst wenn der letzte Baum gefällt, der letzte Fluss gestaut und der letzte Fisch gefangen ist, werdet ihr feststellen, dass man Biber nicht essen kann!
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Re: Missverständnisse zw. Chinesen und Deutschen ?

Beitrag von serenita »

Aremonus hat geschrieben: Ich denke, hier geht es auch nicht um die Chinesen als Menschen, sondern um die dort oft vorherrschende, im Vergleich mit der Schweiz extrem hierarchischen Firmenkultur
Hoffentlich kommt meine Antwort jetzt nicht rüber als Haarspalterei. Aber die Schweiz, das war neulich gerad ein Thema bei uns. :D Dass man als Ausländer die Finger von lassen soll, dort zu arbeiten. Es lohnt sich nur als Grenzgänger mit ständigem Wohnsitz in D oder AT dort zu jobben. Weil sonst im Rahmen der Finanzkrise oder Wirtschaftsschwankungen diese als Erstes nach Hause geschickt werden.

Zum Thema Hierarchie: ich habe leider keinen Einblick in die schweizerischen Firmenstrukturen, dafür aber größere deutsche Unternehmen. Da ist es absolut nicht anders. Es hat oft mit der fachlichen Kompetenz nichts mehr am Hut, sondern schlicht und ergreifend geht es dabei um die Dauer der Beschäftigung, wer länger dabei ist, hat oft mehr zu sagen und die "Anfänger" fügen sich und halten dabei die Klappe.

In China dürfte dieses Problem zusätzlich durch die sprachliche Barriere verstärkt sein.
Ich empfehle die Kärtchen-Methode, ist anonym und effizient.
Es gibt da nicht viel zum Auswendiglernen; sind ja alles ausgebildete, erfahrene Ingenieure. Das Problem ist das Verständnis der extrem komplexen Abläufe im Detail.[/quote]

Mit der Kärtchen Methode wird nix auswendig gelernt, sondern die Stimmung belebt, um die es ja oft ginge. Damit die Beteiligten ihre (mögliche) mentale Last ablegen und aktiv mitmachen können.
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Ting Budong
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Re: Missverständnisse zw. Chinesen und Deutschen ?

Beitrag von Ting Budong »

Ni hao, allerseits!
Ich lese hier schon seit einiger Zeit im Forum mit und möchte jetzt mal ein paar persönliche Eindrücke beisteuern.
Ganz kurz zu mir. Ich bin seit knapp vier Monaten in China und unterrichte Englisch und Deutsch. Der Grund warum ich hier schreibe ist, dass ich die chinesische Denkweise einfach nicht verstehe. Neben vielen kleinen Missverständnissen, die sich aber einfach durch sprachliche Defizite erklären lassen, tauchen immer wieder großkalibrige Missverständnisse auf, deren Zustandekommen mir absolut rätselhaft ist. Ich kann einfach die Gedankengänge nicht nachvollziehen. Meistens komme ich zu dem Ergebnis, dass die vielleicht überhaupt nicht nachdenken, was natürlich Quatsch ist, aber was geht dann in deren Köpfen vor? Ich hab keine Ahnung. Vielleicht ist jemand von euch in dieser Frage weiter und lässt es mich wissen.

Hier mal ein kleines Best Of:
Ich verabrede mich für gestern mit einem Mädchen in Peking, die ich aus meiner Provinzstadt kenne. Sie will wissen wann ich in Peking bin. Ich schreibe ihr 18.40. Sie schreibt zurück "OK, gib mir ne Info wenn du da bist, dann gehen wir zum Tiananmen Platz." 18.35 bekomme ich eine SMS "Ich warte da und da am Tiananmen Platz auf dich". Ich zu ihr "Bist du jetzt schon dort?" Sie:"Ja, wo bist du?" Ich erkläre, dass ich grad erst am Bahnhof angekommen bin und sie sich irgendwo rein setzen soll wo es warm ist. Stattdessen fängt sie an zu drängeln und fragt ständig wo ich bin und dass es nicht nett von mir wäre sie warten zu lassen.
Ich saß da im Taxi und dachte mir was ist denn das bitte? Mein Plan war eigentlich mir erstmal ein Hotel zu suchen, mich frisch zu machen und dann Bescheid zu sagen, dass ich startklar bin.
Das wäre zumindest der Lauf der Dinge in der westlichen Welt. Stattdessen muss ich mit voller Blase durch Peking hetzen um ein fehlgeleitetes Mädel zu treffen. Zur Krönung musste ich mich noch fast mit dem Fahrer kloppen, weil er für die Fahrt 100 RMB haben wollte, während das Taxometer 24 angezeigt hat.
Das Mädel war in der Zwischenzeit natürlich auch weg und ich war mehr als bedient.
Kopfschüttelnd bin ich dann mit meiner schweren Tasche durch die eisige Nacht gelaufen und hab mich gefragt, was zum Teufel sie dazu bringt zu glauben, dass ich in -5 Minuten vom Bahnhof zum Tiananmen Platz kommen kann. Ich hab weder eine Zeitmaschine noch einen Hubschrauber.
Heute früh das gleiche Spiel nochmal. Sie stellt sich ohne feste Verabredung mit mir zu einer willkürlichen Zeit auf den Tiananmen Platz und fragt mich wo ich bleibe.
Ich raff das einfach nicht. Kommunizieren Chinesen zum Teil per Gedankenübertragung oder sowas?
Ich könnte es mir einfach machen und mir sagen, dass die eben ein bißchen dumm ist. Erstens würde sich aber selbst ein sehr dummer Mensch in Europa nicht so verhalten, zweitens ist sie eigentlich nicht dumm, drittens habe ich ähnliche Erfahrungen auch mit anderen Leuten gemacht.

2. Beispiel: Zum 60. Jahrestag gibt es ein Gesangsfestival, zu dem ich eingeladen bin. Meine Ansprechpartnerin von der Schule sagt mir, dass ich mir den 29.09. freihalten soll. Ich wiederhole den Termin drei mal, schreibe ihn vor ihren Augen auf und sage noch zu ihr "also nächste Woche der und der Tag". Sie nickt alles ab. Am übernächsten Tag steht ein Lehrer vor mir und will mich zum Festival begleiten.
Begreif ich nicht. OK, man kann sich mal mit einem Termin irren, aber von der Sorte sind mir etliche Dinger passiert. Termine werden geändert ohne, dass ich informiert werde und wenn mir dann 5 Minuten vorher Bescheid gesagt wird, wird gedrängelt.

Z.B. diese Woche Montag kommt - ich nenn sie mal meine Assistentin - in mein Büro und teilt mir mit, dass ich Weihnachten frei habe und vielleicht irgendwo hinfahren könnte. Ich fand das eine gute Idee. Meint sie:"Und? Wo willst du hin?" Sag ich vielleicht hierhin, vielleicht dorthin. Sie:"Du musst dich aber entscheiden. Jetzt! Schnell!" Wortwörtlich, nur auf Englisch. Ich dachte mal wieder mich tritt ein Pferd. Ich weiß seit 5 Sekunden, dass ich frei habe und soll sofort einen fertigen Plan parat haben. Ich weiß einfach nicht was da für Prozesse in den Köpfen ablaufen. Da muss die doch von selbst drauf kommen, dass ich wenigstens ein paar Minuten nachdenken muss, eigentlich in einer ruhigen Stunde mal recherchieren. Stattdessen "Jetzt! Schnell!"
Und sowas passiert ständig, dass ich mich frage warum die nicht mal ein paar Schritte vorausdenken können. Nicht jeden Tag, nicht unbedingt jede Woche, aber immer wieder und viel zu viel.

Mein persönliches Zwischenfazit ist, dass die Chinesen trotz Kollektivismus (oder gerade deshalb?) sich nicht in andere Leute hineinversetzen können oder wollen. Wenn man sie aber darauf anspricht, dass sie einem ganz schön auf den Gefühlen rumtrampeln, rutschen sie ins andere Extrem und werden ganz unterwürfig. Ich werd einfach nicht schlau draus. Ist jetzt ein sehr kleiner Ausschnitt und wahrscheinlich geprägt von der zweiten und heftigeren Welle des Kulturschocks, aber ich wollte es mal zur Diskussion stellen.
TaugeNix

Re: Missverständnisse zw. Chinesen und Deutschen ?

Beitrag von TaugeNix »

Ting Budong hat geschrieben: Mein persönliches Zwischenfazit ist, dass die Chinesen trotz Kollektivismus (oder gerade deshalb?) sich nicht in andere Leute hineinversetzen können oder wollen. Wenn man sie aber darauf anspricht, dass sie einem ganz schön auf den Gefühlen rumtrampeln, rutschen sie ins andere Extrem und werden ganz unterwürfig.
Absolut, ganz meine Erfahrung.
Vor allem der Gedanke: "Denken die Chinesen manchmal überhaupt nach, BEVOR sie etwas tun?!" beschleicht mich in meinen bislang über zwei Jahren (Gesamt) in China immer und immer wieder.
Aber auch Chinesen verstehen dahingehend andere Chinesen nicht, ist also kein Missverständnis, was allein zwischen Chinesen und Deutschen besteht.

Viele Chinesen meinten zu mir, dass Chinesen sich nicht auf andere Menschen einstellen können, Gründe können sie mir aber nicht nennen - natürlich ist das eine Generalisierung, denn insgesamt 1.3 Mrd Egozentrikern sind für mich einfach schwer vorstellbar..

Wobei, wenn ich nur an das Ein- und Austiegsprozedere in Bus/Bahn/Flugzeug denke :lol: :twisted:

Gruß,
TaugeNix^schiebt dann auch mal gerne nen Dutzend wieder aus dem Bus :P
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Re: Missverständnisse zw. Chinesen und Deutschen ?

Beitrag von bossel »

TaugeNix hat geschrieben:Aber auch Chinesen verstehen dahingehend andere Chinesen nicht, ist also kein Missverständnis, was allein zwischen Chinesen und Deutschen besteht.
Kann ich bestätigen. Die Anzahl der Mißverständnisse zw. Chinesen ist schon auffällig.
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