VR China - quo vadis?
Verfasst: 26.06.2022, 17:21
Für die meisten, die als Ausländer in China leben, und für diejenigen, die sich für China interessieren, stellt sich in diesen Jahren die Frage, wie es mit diesem Land weitergeht.
Es ist nicht nur eine gefühlte Zäsur, es ist im Grunde ein Epochenwechsel, der sich seit einigen Jahren vollzieht.
Seit 2008 wachsen die Schulden Chinas stärker als das BIP, man lebt auf Pump.
2015/2016 wurde der Zenit an Produktivität erreicht, seit dem schrumpfen wesentliche Wirtschaftssegmente.
Der Automobilsektor schrumpfte beispielsweise um 60%, der private Konsum (regelmäßig der größte Posten einer Volkswirtschaft) halbierte sich.
Auch der Immobiliensektor (20-30% des BIP) steht kurz vor dem Aus. Nicht nur Evergrande, sondern weitere 40 Immobilienriesen sind zahlungsunfähig und damit faktisch pleite.
Bei der Staatsverschuldung müssen auch die Staatskonzerne und ihre enorme Auslandsverschuldung mitgerechnet werden.
Die Staatsverschuldung liegt nunmehr bei rund 360% des BIP.
Sollte Japan sich noch ein wenig erholen, ist China damit das höchstverschuldete Land der Welt.
Zum Vergleich sei Griechenland mit gut 180% genannt.
Die immer aggressiver werdende Überwachung und Beschränkung ausländischer Unternehmen sowie der unverhohlene Know-how Diebstahl, haben seit 2017/2018 beginnend dafür gesorgt, dass sich zahlreiche ausländische Unternehmen aus China zurückziehen. Man denke nur an SAMSUNG, die 15 Werke in China geschlossen haben. Die Außenhandelskammer in Beijing spricht davon, dass mehr als die Hälfte der Unternehmen den Rückzug bereits vollzogen oder diesen begonnen haben.
Dass das BIP in 2022 offiziell noch wächst, wird von Experten längst auf "Bilanzberichtigungen" und Währungsmanipulationen zurückgeführt.
Viele Unternehmen bewerten China mittlerweile neu und ziehen dabei nicht nur zahlreichen Handelskonflikte in Betracht, die Xi Jinping entfacht hat (USA, Australien, EU, Japan, Litauen), sondern auch die massive Unterstützung des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine. Nicht wenige Unternehmen erwarten hier in den kommenden Monaten, dass auch gegen China weitere Sanktionen beschlossen werden.
Xi hat dabei bereits in seiner ungewöhnlich langen (3,5 stündigen) Rede vor dem "Nationalen Volkskongress" im Jahre 2017 deutlich gemacht, dass es - nach Jahrzehnten - zu einer Verschiebung der Prioritäten kommt. China sei eine Weltmacht, so hat er ausgeführt, und müsse nun eine Weltordnung erarbeiten und etablieren. Dazu passt sicherlich, dass der Verteidigungsetat offiziell bei rund 300 Milliarden US Dollar liegt, wobei Experten längst die im Haushalt versteckten Posten aufgelistet haben und sich insoweit 700 Milliarden US Dollar erreichen. Mehr als die USA auf den Tisch legen und mehr als die EU insgesamt. Und natürlich BIP )
Diese militärischen Aufwände richten sich vor allem gegen Taiwan, aber nicht nur. Nachdem nun in der Präambel der chinesischen Verfassung von einer "heiligen Pflicht" gesprochen wird, Taiwan zu erobern, gehen nicht wenige davon aus, dass dies auch versucht werden wird und dass es Beijing dabei gleichgültig ist, wie die Reaktionen darauf aussehen werden. Unternehmen blicken allerdings nicht gleichgültig auf diese Sache, sondern erwarten auch hier weitere Sanktionen und Streitigkeiten.
Last not least hat ZERO COVID das Vertrauen in geordnete Abläufe weiter erschüttert. Offensichtlich glaubt niemand daran, dass es einem Staat dauerhaft gelingen könnte, ein in der Welt grassierendes Virus so zu isolieren, dass er im eigenen Land nicht auftritt. Die rigorosen chinesischen lockdowns haben in der Welt durch stillstehende Produktionsbänder etc. einen Schaden in Höhe einer dreistelligen Milliardensumme verursacht.
Folgerichtig haben sich die Unternehmensansiedlungen in Vietnam in den vergangenen 12 Monaten verachtfacht, auch Singapur, Thailand, die Philippinen und Taiwan vermelden Rekorde. Internationale Großkonzerne wie etwa INTEL investieren zweistellige Milliardensummen in den USA und in der EU, um dort Werke zu errichten.
Aus meiner Sicht steckt China deshalb inmitten einer "Zeitenwende".
Die Wirtschaft schrumpft, der Verschuldungsgrad ist gigantisch und wächst weiter, internationale Unternehmen wandern ab, internationale Investitionen sind rückläufig, Handelskonflikte nehmen zu, die Arbeitslosenquote ist auf Rekordniveau.
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Die größte Gruppe der Ausländer in China stellen Lehrkräfte, von denen der überwiegende Teil nicht über die entsprechende Ausbildung verfügt, um tatsächlich unterrichten zu können. Hier herrscht derzeit große Unsicherheit. Insbesondere nach dem massiven Eingriff im Sommer letzten Jahres, wo English aus den Lehrplänen großteilig gestrichen wurde, die Polizei ausländische Lehrmittel (etwa Bücher) beschlagnahmte, die "Trainingsschulen" am Abend und am Wochenende verboten wurden. Ausländischer Einfluss soll zurückgedrängt werden, selbst internationale Schulen - die alle paar Wochen die Polizei im Hause haben, welche die ausländischen Pässe der Schüler überprüft - erhalten "Vorgaben", wie bestimmte Lerninhalte darzustellen sind.
Erst in dieser Woche habe ich in Beijing in meinem Lieblings-Irish-Pub mit einer ganzen Reihe von Iren und Briten über dieses Thema gesprochen.
Die Meinung dort ist einhellig: Wer gehen kann, sollte dies tun.
Für nicht wenige ist das aber gar nicht so einfach. Die Löhne haben den Aufbau von Rücklagen kaum zugelassen, eine Altersversorgung wurde nicht aufgebaut. Insbesondere in UK ist die Lage nicht rosig.
Und alle spüren den seit 2 Jahren massiv aufgebauten Nationalstolz, die überlegene Rasse zu sein, und dies mündet nun in Fremdenfeindlichkeit und manchmal Ausländerhass. Fast alle meine Bekannten und Freunde berichten darüber.
Propaganda-Lügen wirken. Wer aktuell vor der kanadischen Botschaft in Beijing steht, wird mit einem riesigen Schild konfrontiert, auf dem in Chinesisch geschrieben steht, dass Kanada die Ukraine gegen den Aggressor Russland unterstützt. Chinesen, die davor stehen, fassen sich nur an den Kopf und meinen, die kanadische Regierung sei "krank". Man müsse doch Russland unterstützen, das ohne Vorwarnung von der NATO angegriffen worden sei und sich nun selbst verteidigen muss.
Zusammenfassend kann man sagen, dass sich Beijing einer schrumpfenden Wirtschaft gegenüber sieht, einer Unternehmensabwanderung und Kapitalflucht, extrem hoher Staatsverschuldung, einer zunehmenden internationalen Isolation mit zahlreichen Konflikten, einer Massenarbeitslosigkeit und einem Exodus an Ausländern.
Dies ist gewiss ein Zeitenwechsel zum Schlechteren.
Habe ich etwas übersehen?
Es ist nicht nur eine gefühlte Zäsur, es ist im Grunde ein Epochenwechsel, der sich seit einigen Jahren vollzieht.
Seit 2008 wachsen die Schulden Chinas stärker als das BIP, man lebt auf Pump.
2015/2016 wurde der Zenit an Produktivität erreicht, seit dem schrumpfen wesentliche Wirtschaftssegmente.
Der Automobilsektor schrumpfte beispielsweise um 60%, der private Konsum (regelmäßig der größte Posten einer Volkswirtschaft) halbierte sich.
Auch der Immobiliensektor (20-30% des BIP) steht kurz vor dem Aus. Nicht nur Evergrande, sondern weitere 40 Immobilienriesen sind zahlungsunfähig und damit faktisch pleite.
Bei der Staatsverschuldung müssen auch die Staatskonzerne und ihre enorme Auslandsverschuldung mitgerechnet werden.
Die Staatsverschuldung liegt nunmehr bei rund 360% des BIP.
Sollte Japan sich noch ein wenig erholen, ist China damit das höchstverschuldete Land der Welt.
Zum Vergleich sei Griechenland mit gut 180% genannt.
Die immer aggressiver werdende Überwachung und Beschränkung ausländischer Unternehmen sowie der unverhohlene Know-how Diebstahl, haben seit 2017/2018 beginnend dafür gesorgt, dass sich zahlreiche ausländische Unternehmen aus China zurückziehen. Man denke nur an SAMSUNG, die 15 Werke in China geschlossen haben. Die Außenhandelskammer in Beijing spricht davon, dass mehr als die Hälfte der Unternehmen den Rückzug bereits vollzogen oder diesen begonnen haben.
Dass das BIP in 2022 offiziell noch wächst, wird von Experten längst auf "Bilanzberichtigungen" und Währungsmanipulationen zurückgeführt.
Viele Unternehmen bewerten China mittlerweile neu und ziehen dabei nicht nur zahlreichen Handelskonflikte in Betracht, die Xi Jinping entfacht hat (USA, Australien, EU, Japan, Litauen), sondern auch die massive Unterstützung des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine. Nicht wenige Unternehmen erwarten hier in den kommenden Monaten, dass auch gegen China weitere Sanktionen beschlossen werden.
Xi hat dabei bereits in seiner ungewöhnlich langen (3,5 stündigen) Rede vor dem "Nationalen Volkskongress" im Jahre 2017 deutlich gemacht, dass es - nach Jahrzehnten - zu einer Verschiebung der Prioritäten kommt. China sei eine Weltmacht, so hat er ausgeführt, und müsse nun eine Weltordnung erarbeiten und etablieren. Dazu passt sicherlich, dass der Verteidigungsetat offiziell bei rund 300 Milliarden US Dollar liegt, wobei Experten längst die im Haushalt versteckten Posten aufgelistet haben und sich insoweit 700 Milliarden US Dollar erreichen. Mehr als die USA auf den Tisch legen und mehr als die EU insgesamt. Und natürlich BIP )
Diese militärischen Aufwände richten sich vor allem gegen Taiwan, aber nicht nur. Nachdem nun in der Präambel der chinesischen Verfassung von einer "heiligen Pflicht" gesprochen wird, Taiwan zu erobern, gehen nicht wenige davon aus, dass dies auch versucht werden wird und dass es Beijing dabei gleichgültig ist, wie die Reaktionen darauf aussehen werden. Unternehmen blicken allerdings nicht gleichgültig auf diese Sache, sondern erwarten auch hier weitere Sanktionen und Streitigkeiten.
Last not least hat ZERO COVID das Vertrauen in geordnete Abläufe weiter erschüttert. Offensichtlich glaubt niemand daran, dass es einem Staat dauerhaft gelingen könnte, ein in der Welt grassierendes Virus so zu isolieren, dass er im eigenen Land nicht auftritt. Die rigorosen chinesischen lockdowns haben in der Welt durch stillstehende Produktionsbänder etc. einen Schaden in Höhe einer dreistelligen Milliardensumme verursacht.
Folgerichtig haben sich die Unternehmensansiedlungen in Vietnam in den vergangenen 12 Monaten verachtfacht, auch Singapur, Thailand, die Philippinen und Taiwan vermelden Rekorde. Internationale Großkonzerne wie etwa INTEL investieren zweistellige Milliardensummen in den USA und in der EU, um dort Werke zu errichten.
Aus meiner Sicht steckt China deshalb inmitten einer "Zeitenwende".
Die Wirtschaft schrumpft, der Verschuldungsgrad ist gigantisch und wächst weiter, internationale Unternehmen wandern ab, internationale Investitionen sind rückläufig, Handelskonflikte nehmen zu, die Arbeitslosenquote ist auf Rekordniveau.
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Die größte Gruppe der Ausländer in China stellen Lehrkräfte, von denen der überwiegende Teil nicht über die entsprechende Ausbildung verfügt, um tatsächlich unterrichten zu können. Hier herrscht derzeit große Unsicherheit. Insbesondere nach dem massiven Eingriff im Sommer letzten Jahres, wo English aus den Lehrplänen großteilig gestrichen wurde, die Polizei ausländische Lehrmittel (etwa Bücher) beschlagnahmte, die "Trainingsschulen" am Abend und am Wochenende verboten wurden. Ausländischer Einfluss soll zurückgedrängt werden, selbst internationale Schulen - die alle paar Wochen die Polizei im Hause haben, welche die ausländischen Pässe der Schüler überprüft - erhalten "Vorgaben", wie bestimmte Lerninhalte darzustellen sind.
Erst in dieser Woche habe ich in Beijing in meinem Lieblings-Irish-Pub mit einer ganzen Reihe von Iren und Briten über dieses Thema gesprochen.
Die Meinung dort ist einhellig: Wer gehen kann, sollte dies tun.
Für nicht wenige ist das aber gar nicht so einfach. Die Löhne haben den Aufbau von Rücklagen kaum zugelassen, eine Altersversorgung wurde nicht aufgebaut. Insbesondere in UK ist die Lage nicht rosig.
Und alle spüren den seit 2 Jahren massiv aufgebauten Nationalstolz, die überlegene Rasse zu sein, und dies mündet nun in Fremdenfeindlichkeit und manchmal Ausländerhass. Fast alle meine Bekannten und Freunde berichten darüber.
Propaganda-Lügen wirken. Wer aktuell vor der kanadischen Botschaft in Beijing steht, wird mit einem riesigen Schild konfrontiert, auf dem in Chinesisch geschrieben steht, dass Kanada die Ukraine gegen den Aggressor Russland unterstützt. Chinesen, die davor stehen, fassen sich nur an den Kopf und meinen, die kanadische Regierung sei "krank". Man müsse doch Russland unterstützen, das ohne Vorwarnung von der NATO angegriffen worden sei und sich nun selbst verteidigen muss.
Zusammenfassend kann man sagen, dass sich Beijing einer schrumpfenden Wirtschaft gegenüber sieht, einer Unternehmensabwanderung und Kapitalflucht, extrem hoher Staatsverschuldung, einer zunehmenden internationalen Isolation mit zahlreichen Konflikten, einer Massenarbeitslosigkeit und einem Exodus an Ausländern.
Dies ist gewiss ein Zeitenwechsel zum Schlechteren.
Habe ich etwas übersehen?