otternase hat geschrieben: ↑23.08.2022, 22:46
Hallo TomXian
das waren ja gleich mehrere umfangreiche Antworten.
1)
Vielem kann ich auch zustimmen, nur eines scheint mir unlogisch, und an der Stelle fällt in meinen Augen Dein ganzes Erklärungsmodell in sich zusammen:
Wenn ein Staat Umtauschkurse zwangsweise festsetzt, diese also nicht dem freien Wirken der Märkte unterliegen, so ist dies sehr gut möglich in die Richtung, eine Unterbewertung einer Währung zu erzwingen. So, wie Du es ja auch ganz korrekt aufführst anhand Beispielen, zB. dem Umtauschkurs vor 1995 und 2005, die Abwertung im Sommer 2015 als Antwort auf die stärkste Bewertung des RMB, um die Wirtschaft zu stützen, oder eben der Drohung, als Antwort auf Handelhemmnisse den RMB zu entwerten.
Aber ein zwangsweise festgelegter Umtauschkurs kann keine Überbewertung einer Währung erzwingen, kann eine Währung nicht stärker machen als sie ist! Sowas wurde zwar immer wieder versucht, zB. der Zwangsumtausch in der DDR mit dem festgelegten Umtauschkurs DM-West zu Mark-Ost 1:1. Aber Folge war dann eben ein Schwarzmarkt, verdeckte Devisengeschäfte usw., die den Zwangskurs umgingen. Wenn meine Erinnerung richtig ist, war der wahre Umtauschkurs so etwa DM-Ostmark 1:4
Mit dem RMB gibt es hingegen keinen nennenswerten Schwarzhandel zu deutlich anderen Umtauschkursen!
Kurzum: der RMB ist nicht überbewertet, wenn der RMB gegenüber Dollar und ganz besonders gegenüber Euro an Wert gewinnt, dann tatsächlich, weil die Währung stärker wird!
Grund ist auch ganz einfach, die Abhängigkeit der Weltwirtschaft von China ist größer als umgekehrt die Abhängigkeit Chinas vom Ausland, sicher auch erzwungen durch staatliche Restriktionen, wobei die Lockdowns sicher geholfen haben.
Natürlich weicht auch bei anderen Währungen der nominale (börsengehandelte) Wechselkurs vom realen Wechselkurs ab, der durch den Vergleich von genormten Warenkörben entsteht. Der reale Wechselkurs bestimmt die Kaufkraft und damit die relative "Stärke" einer Währung
im eigenen Land.
Die Abstände zwischen realem und nominellem Wechselkurs sind i.a.R. jedoch klein, im einstelligen Prozentbereich. Hauptgrund für Schwankungen beim nominellen Wechselkurs sind (Leit-) Zinsen, weil höhere Zinsen eine Währung als Anlagewährung attraktiver machen.
Ich hatte ja geschrieben, dass Weltbank, IWF usw. einen
"realen" Wechselkurs von 3,8 RMB : 1 USD errechnen.
Diese Werte werden übrigens nicht von China-Hassern errechnet, sondern die Preisangaben (Warenkorb, Produkte, Dienstleistungen, Einkommen) werden vom chinesischen Wirtschaftsministerium selbst an die genannten Institutionen gemeldet!
Der nominale Kurz wurde heute von China auf 6,8477 RMB : 1 USD festgesetzt.
Das entspricht einer Abwertung von 42%.
Beispiel: Ein Produkt, dass 380 RMB kostet und deshalb international für 100 US Dollar (3,8:1) angeboten werden müsste, kostet durch diese drastische Abwertung nur 55,48 US Dollar.
Diese 55,48 US Dollar ergeben wieder 380 RMB.
Würde ein deutscher Anbieter das gleiche Produkt für 100 EUR produzieren, könnte Olaf Scholz nicht mal eben den Wechselkurs zum Dollar auf 2:1 festsetzen (2 EUR : 1 USD oder auch 1 EUR = 0,5 USD), damit das deutsche Produkt dann nur noch 50 USD kostet und damit den chinesischen Preis unterbietet. Deshalb ist solche Abwertung nach den UN Regeln verboten!
In der guten, alten Zeit als Währungen noch goldgedeckt waren (180 Jahre Britisches Pfund, 28 Jahre US Dollar - bis 1973), wurden die beiden UNO Institutionen Weltbank und internationaler Währungsfond (IWF) gegründet. "
Es sollte vor allem verhindert werden, dass es zu einem Abwertungswettlauf zwischen den Nationen kam wie in der Phase zwischen dem Ersten und Zweiten Weltkrieg.". Damals lösten diese Währungs-Wirrungen eine Weltwirtschaftskrise aus.
Hauptaufgabe der UNO (China ist Gründungsmitglied!) ist, in der Nachkiegsordnung für Frieden, Stabilität, eine faire wirtschaftliche Zusammenarbeit (WTO) und verlässliche Finanzkreisläufe (Weltbank, IWF) zu sorgen. Darauf haben sich 190 Staaten geeinigt.
Mit der jahrzehntelangen Abwertung der eigenen Währung, die in diesem Umfang nur möglich ist, weil China den RMB Handel verbietet (kleine Ausnahmen gibt es), tut China genau das, was 189 Staaten verhindern wollen.
Eine ausschließlich auf taktisch-wirtschaftlichen Gründen beruhende Abwertung nennt man auch einen "Währungskrieg".
https://de.wikipedia.org/wiki/W%C3%A4hrungskrieg
Der RMB war noch nie auch nur in der Nähe seines realen Wechselkurses. Stets hat man stark abgewertet (6,0 : 1 USD), oder drastisch (6,8 : 1 USD) oder grenzwertig (7,2 : 1 USD). Abgewertet wurde immer. "Grenzwertig" deshalb, weil die weitere Abwertung das auch in Fremdwährung verschuldete China (mit Staatsbetrieben) an den Rand eines Staatsbankrotts getrieben hätte.
Diese drastischen Abwertungen führen dann natürlich auch zu einem Handelsüberschuss, die Dollars kommen ins Land, welche dann China verzinslich in den USA als Staatsanleihen angelegt hat. Importe werden dadurch natürlich teurer, aber das spürt ja nur das Volk auf der Straße und nicht die Partei-Milliardäre in Beijing.
Ein Vergleich mit der DDR ist hier nicht möglich. Ich kann mich erinnern, dass der reale Wechselkurs zur D-Mark bei etwa 1:7 lag. Der nominelle Wechselkurs im innerdeutschen Handel war mit 1:1 natürlich drastisch überbewertet. Aber auch hier galt, dass nicht konvertierbare und damit international wertlose Währungen immer ein Spielball der jeweiligen Regierung ist. Aktuell trifft dies auch auf den Rubel zu.
Inflation hat natürlich Einfluss auf eine Währung, vor allem wenn es sich um eine lokale Inflation handelt (geringe Produktivität, zu hohe Löhne).
Das chinesische Volk ist dahingehend besonders gebeutelt. In den 1990er Jahren erreichte die
Inflation in China bis zu 24%!
In den 2000er Jahren hatte man die Inflation besser im Griff, durchschnittlich wurden etwa 5-6% ausgewiesen.
Und jeder, der ein paar Jahre in China zugebracht hat, hat gesehen, dass sich in den letzten 10 Jahren die Preise für Lebensmittel, Mieten, Kaufpreise für Wohnungen, Kindergartengebühren, Eintrittspreise, Flug- oder Zugtickets oder das simple 烤肉 (BBQ Grillfleisch) um die Ecke, sich verdoppelt und verdreifacht haben.
Setzt man für China eine Inflationsrate von >10% in jedem der letzten 10 Jahre an, ist man sicher nicht weit weg von der Wahrheit.
Aber: Kurz nach Xi Jinpings Amtsantritt wurde auf einmal der Warenkorb geändert!
Posten für Wohnung (mieten/kaufen), Transport (Bahn, Flug, Autokauf), Reisen, usw. wurden deutlich untergewichtet, Gemüse, Schweinefleisch, (nicht importierte) Kleidung viel stärker gewichtet. Durch diese Manipulation konnte China mit niedrigen Inflationsraten strahlen, die eine völlig Verzerrung der Wirklichkeit waren.