Politische Ziele der Zero-Covid-Politik - "Verschwörungstheorien"

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otternase
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Politische Ziele der Zero-Covid-Politik - "Verschwörungstheorien"

Beitrag von otternase »

Hallo

Vorbemerkung 1: ich habe das Reizwort "Verschwörungstheorie" in die Überschrift gesetzt, aber natürlich will ich hier nicht über "Bill Gates", "5G" oder "eingeimpfte Chips" diskutieren, sondern über rationale, plausible Erklärungen für die chinesische Politik. Da aber keiner von uns hier (nehme ich zumindest an) im Volkskongress sitzt oder gar im Politbüro, kann das natürlich nur Spekulation sein, die "Wahrheit da draussen" kennt keiner von uns. Daher ist alles nur Spekulation und daher irgendwie auch "Verschwörungstheorie".

Vorbemerkung 2: es gibt einen anderen, langen Thread zum Thema Covid unter "Aktuelles" viewtopic.php?t=34795
Ich eröffne diesen getrennten Thread, weil ich nicht so sehr über medizinische Einzelheiten oder aktuelle kleinteilige Massnahmen sprechen möchte, sondern mich "das große Ganze", die Einbettung des Umgangs mit Corona in das gesamt-politische Konzept der chinesischen Regierung, interessiert.

Vorbemerkung 3: ich habe seit 2004 geschäftlich und später dann auch privat jedes Jahr China einmal oder mehrfach besucht, zuletzt noch im Januar 2020. Auch wenn ich als Ingenieur mich nur peripher um Politik gekümmert habe, so bilde ich mir doch ein, ein wenig von der chinesischen Politik zu verstehen, und meine Erfahrung bislang war eher die, dass technisch-rationale Vernunft, eine Zweckrationalität die Politik bestimmte. Dass also keine kurzfristigen Scheinziele verfolgt werden, sondern volkswirtschaftliche Vorteile angestrebt werden, langfristige Planung und das Aufschliessen und Überholen westlicher Industriestaaten in Plänen wie "Made in China 2025" voranstehen.

Daher glaube ich nicht, dass die Corona-Politik Chinas irgendwie planlos und getrieben geschieht, sondern durchaus einem politischen Plan folgt. Nur welchem?
China hält auch nach zwei Jahren noch immer an "Zero-Covid" fest, und setzt dies, gerade aktuell in Xian, mit aller Konsequenz durch! Nun haben auch andere, auch demokratische Staaten sich an einer Zero-Covid Politik versucht, Australien, Neuseeland und Singapur beispielsweise. In der ersten Welle war dies auch noch rational verständlich, man wusste zu wenig über Covid19, und da lag es nahe, erstmal auf Vorsicht zu setzen. Gerade in China erinnerte man sich noch an SARS 2003 und daher war ein Zero-Covid-Versuch erstmal verständlich.

Aber nun sind zwei Jahre vergangen und man weiss inzwischen viel mehr über Covid19, es gibt Impfungen (die vielleicht weniger wirksam sind, als man sich erhofft hatte, aber dennoch zumeist vor schweren Verläufen schützen), die Risikogruppen sind bekannt und können entsprechend gezielt geschützt werden, Kinder, Jugendliche und insbesondere auch die Jahrgänge der arbeitenden Bevölkerung zählen zumeist nicht dazu, die Mortalitätsraten sind verglichen mit anderen Erkrankungen niedrig, das Virus mutiert zu milderen Varianten (Omikron). Einige Länder (zB. in Afrika) konnten nie echte. wirksame Anti-Corona-Massnahmen durchsetzen, trotzdem kam es zu keinen humanitären Katastrophen dort, anderen Ländern (zB. Indien) entglitt die Kontrolle und dennoch blieb die Welle überschaubar und es gab kein Massensterben, andere Länder haben schon immer (zB. Schweden) auf Eigenverantwortung gesetzt oder sind inzwischen dabei, auf solche umzuschwenken (aktuell zB. UK, Spanien) und trotzdem ist es dort zu keinen signifikanten Problemen gekommen. All dies und noch viele weitere Erfahrungen aus den letzten zwei Jahren kann man als "learning points" im Umgang mit Covid nehmen. Und auch Länder, die bislang auf Zero-Covid gesetzt hatten, rücken inzwischen davon ab, weil das Konzept sich eben auf Dauer als nicht ohne extreme Massnahmen aufrecht erhalten lässt.

Bislang mag China ökonomisch mit Zero-Covid nicht schlecht gefahren sein, die Währung ist eher gestärkt, die Wirtschaft hat noch wenig Einbussen. Das liegt aber auch daran, dass weltweit die meisten Industriestaaten mehr oder minder restriktive Massnahmen ergriffen haben und daher überall wirtschaftliche Einschnitte passierten, die mit frisch gedrucktem Geld, was die Währungen unter Druck setzt, mehr schlecht als recht abgefedert werden. Wenn nun aber mehr Staaten ein "Leben mit Covid" akzeptieren, ihrer Wirtschaft die Bremsschuhe abnehmen, dann dürfte für China eine Beibehaltung von Zero-Covid kaum ohne wirtschaftlich einschneidende Probleme möglich sein. Ein plötzliches radikales Aufgeben dieser Politik jedoch würde ebenso zu Problemen führen, da dann das Virus plötzlich auf eine große empfangsbereite, noch nicht durchseuchte Bevölkerung treffen würde und das dann in kurzer Zeit wirklich zu medizinischen Problemen führen würde. China wird also mit einer Öffnung zwingend den anderen hinterherhinken müssen.

Die Frage also bleibt, wieso hält die chinesische Politik an Zero-Covid fest?

Dass Covid vorsätzlich freigesetzt wurde, einem bösen Plan folgt, aus einem Labor entwischt ist, all das halte ich für unsinnige Verschwörungstheorien ohne jede Basis, wenn dem so wäre, wäre der Umgang mit Covid auch von Anfang an anders gewesen. Natürlich könnte man die Theorie vertreten, dass China die Lage dramatisiert hat, um westliche Nationen in einen Lockdownzu "nudgen", um die Wirtschaft im Westen zu schädigen und somit sturmreif zu machen für chinesische Investments, Aufkäufe etc. Und manches spricht tatsächlich dafür, beispielsweise die anfängliche Vebreitung von Bildern, wo angeblich Menschen in Wuhan plötzlich auf der Straße zusammenbrachen, angeblich aufgrund Covid-Erkrankung. Das waren definitiv Fake-News ( https://www.dailymail.co.uk/news/articl ... Wuhan.html ), und es stellt sich die Frage, welche Ziele damit verfolgt wurden, diese Fakes sowohl dem einheimischen Publikum wie auch international vorzuführen! Und da könnte man auf den Gedanken kommen, dass das Ziel war, die westlichen Staaten in eine übertriebene Reaktion zu drängen. Aber das ist insoweit fraglich, weil China selbst ja noch extremer als die meisten westlichen Staaten reagiert hat...

Dass die chinesische Führung Zero-Covid aus reiner Menschenliebe betreibt, um jedes Menschenleben zu retten, halte ich ebenfalls für Unsinn. Wirtschaftliche Einschränkungen durch die Massnahmen richten jedenfalls überall mehr Schaden an, als es der Tod von ein paar Menschen täte. Zumal wir ja nun wissen, dass Covid vorrangig, ja beinahe nur unter den Alten, Kranken und Schwachen wütet, während junge Menschen und Menschen mittleren Alters das zumeist problemfrei wegstecken. Und auch wenn es extrem zynisch klingt, rein volkswirtschaftlich betrachtet wäre in einem Land mit einem demographischen Überhang, einer Überalterung der Gesellschaft wie in China nunmal vorhanden, eine Krankheit, die fast ausschliesslich die Alten, Kranken und Schwachen betrifft, schon fast segensreich und könnte geradezu entspannend wirken hinsichtlich demographischer Probleme.

Nun könnte das Ziel von Zero-Covid auch nur Mittel zum Zweck einer Abschottung Chinas von der Welt sein. In der Tat dient Zero-Covid dazu, extrem restriktive Einreiseregeln durchzusetzen, es dient dazu, Auslandsreisen von Chinesen zu unterbinden, es dient dazu, in internationalen Joint-Ventures Expats durch Lokalkräfte zu ersetzen. Aber wirtschaftlich hat das nicht unbedingt nur Vorteile, abgerissene Bindungen lassen sich nicht immer einfach wieder aufbauen. Gerade "Belt and Road" kann ja nicht ohne auch personellen Austausch funktionieren. Ob eine Fokusierung allein auf den Binnenmarkt, selbst wenn dieser durch "Störfreimachung" geschützt wird, ausreicht, um dies auszugleichen, scheint mir fraglich.

Die chinesische Führung könnte sich natürlich gezwungen gesehen haben, eine solche Schliessung zu veranlassen, um ausländische politische Einflussnahme zu unterbinden. Die Demonstrationen in Hongkong 2019 hatten ja in der Tat Verbindungen ins Ausland, zT. Charakteristiken der von aussen angestachelten "Farbenrevolutionen" im arabischen Raum. Aber es bestand doch nie eine Gefahr, dass sowas auf Mainland China übergreifen könnte, eine so strikte Abriegelung wäre damit kaum sinnvoll begründbar.

Es bleibt für mich daher weiterhin die Frage bestehen, was könnte das politische Ziel hinter dem Festhalten an der Zero-Covid-Politik sein?
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Re: Politische Ziele der Zero-Covid-Politik - "Verschwörungstheorien"

Beitrag von Taifun »

Die Regierung eines jeden Staates vefolgt mit seiner Corona-Politik - welche auch immer - ein politisches Ziel, nämlich die Bevölkerung des eigenen Staates vor Schäden jedweder Art so gut wie möglich zu bewahren, in welchen Fristen auch immer.
Auch die Führung des chinesischen Staates verfolgt mit seiner Corona-Politik - hier die sog. "Zero-Covid-Politik" - ein politisches Ziel, nämlich seine Bevölkerung vor Schäden jedweder Art so gut wie möglich zu bewahren.

Ich sehe diese Fragestellung nicht als nationenweise aufteilbar an, und es geht doch gar nicht darum, etwa aus einem Impfprogramm Vorteile gegenüber anderen Nationen zu erlangen. Es geht, so unglaublich das in manchen Ohren auch klingen mag, darum, Schaden zu vermeiden. Jedes Krankenhaus wird das bestätigen. Aber ich sehe in dieser Fragestellung auch keinen Aufruf, sich jetzt um Verschwörungstheorien zu bemühen. :P

Vielmehr sehe ich mit Spannung, auf welche Weise die verschiedenen Staaten der Erde sich um eine Lösung des Problems bemühen. Wie viele Vergleichsmöglichkeiten sich doch hier ergeben!
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Re: Politische Ziele der Zero-Covid-Politik - "Verschwörungstheorien"

Beitrag von sweetpanda »

Ein sehr gut durchdachter Beitrag von Otternase.

Bis nach Olympia sehe ich es noch als "vernünftig" an die Zero Covid Strategie beizubehalten, schließlich hat China ja auch nur einen Bruchteil der Krankenhauskapazitäten von zum Beispiel Deutschland, Intensivbetten etwa 10 mal weniger pro Einwohner.

Das Problem wird sein, wie kommt man aus der Nummer raus?
Ein völlig virologisch naive, überalterte Bevölkerung mit häufig chronisch kranken Atemwegen etc.(Lange Jahre viel Luftverschmutzung, viele Raucher auch passiv). Das Risiko ist ziemlich hoch.

Das wird mit immer wiederkehrenden Teillockdowns jahrelang dauern, mit schwersten Konsequenzen für die Wirtschaft und Weltwirtschaft.

Man müsste jahrelange alles so handhaben, dass die Inzidenz vielleicht bei 50 pro 100.000 und Woche liegt, dabei immer wieder Zwischen durch impfen.
Da wo die Zahlen überkochen immer wieder Teillockdowns, ein Ritt auf der Rasierklinge, schwieriger noch als eine reine Zero Covid Strategie.
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Re: Politische Ziele der Zero-Covid-Politik - "Verschwörungstheorien"

Beitrag von otternase »

Taifun hat geschrieben: 03.01.2022, 19:20 Auch die Führung des chinesischen Staates verfolgt mit seiner Corona-Politik - hier die sog. "Zero-Covid-Politik" - ein politisches Ziel, nämlich seine Bevölkerung vor Schäden jedweder Art so gut wie möglich zu bewahren.
richtig, genau das ist ja, was ich von der chinesischen Politik erwartete, wie ich auch eingangs schrieb, "technisch-rationale Vernunft, eine Zweckrationalität" mit dem Ziel, volkswirtschaftliche Vorteile anzustreben (und eben Schäden zu vermeiden).
Aber Covid ist ja keineswegs die einzige, nicht einmal die größte Bedrohung, die der Bevölkerung Schäden zufügen kann.

Bereits jetzt kann man ja sagen, dass sogar so milde Massnahmen wie wir sie zB in Deutschland hatten, bereits schwere wirtschaftliche (momentan noch auf Pump zugedeckt), gesellschaftliche und gesundheitliche Schäden (auch psychologische Schäden) in der Bevölkerung erzeugt haben, die eine Corona-Todeswelle, wie sie mal befürchtet wurde mit ~400.000 Coronatoten, davon >90% Ü70, gar nicht mehr so furchtbar viel schlimmer erscheinen lassen. Und es ist ja noch nicht vorbei... Solange in allen relevanten Industrienationen die Wirtschaft gleichermassen durch Anti-Corona-Massnahmen abgewürgt wird, "schadet" das zwar dem Einzelnen, aber nicht unbedingt der Volkswirtschaft eines Staates, wie gesagt, die chinesische Wirtschaft ist bislang vergleichweise gut gefahren, die Währung sogar gestärkt worden (im Vergleich mit anderen Nationen).

Aber es stellt sich die von @sweetpanda formulierte Frage:
sweetpanda hat geschrieben: 03.01.2022, 19:58 Das Problem wird sein, wie kommt man aus der Nummer raus?
Was ist Chinas Exit-Strategie?
Bewusst habe ich ja nicht gefragt, was mal die Ziele von Zero-Covid waren, als es begonnen wurde. Da gab es eine Reihe von Zielen und sicherlich auch sehr gute Gründe, allem voran fehlendes Wissen über die Krankheit!
Die Frage lautet, was sind die politischen Ziele, weiterhin stur an Zero-Covid festzuhalten? Und wann oder wie kommt China da wieder raus, welche Schäden werden dafür in Kauf genommen und warum?

Abseits von Staaten, die in Bürgerkriegen oder sonstwie in Anarchie versunken sind und daher keine Zeit hatten, sich um Covid zu kümmern, gab es doch im Kern die folgenden Ansätze:
- es gibt Staaten, die auf Schutz von Risikogruppen und ansonsten auf Eigenverantwortung gesetzt haben und eine gebremste Durchseuchung akzeptiert haben (klassisches Beispiel Schweden). In der ersten Welle führte das zu einer messbaren Übersterblichkeit, seither aber steht zB. Schweden nicht schlechter, aktuell sogar besser da als vergleichbare andere Staaten
- es gibt Staaten, viele, die auf stetig angepasste Massnahmen zwecks "flatten the curve", also zwecks einer Vermeidung der Überlastung des Gesundheitssystems, aber eben nicht auf Zero-Covid (sondern zB. Inzidenz-50-Covid) gesetzt haben
- einige haben das aufrecht erhalten, bis Impfstoffe (und später Booster) zur Verfügung standen und dann "freedom day" gefeiert (zB. UK, Israel, Dänemark). Dort sind aktuell zwar die Inzidenzen hoch, aber die Hospitalisierungsraten niedrig, sodass nun mehr oder weniger milde Massnahmen ausreichen, eine Überlastung des Gesundheitssystems zu verhindern
- weitere (zB. aktuell Spanien) scheinen sich nun dank der milderen Omikron-Variante in Kombination mit Impfungen ebenfalls mit dem Gedanken einer Durchseuchung anfreunden zu können
- ja, es gab auch solche, die eine Eindämmung versuchten, aber die Kontrolle verloren haben und wo es zur Durchseuchung kam, zB. in Indien, aber auch dort ohne wirklich dramatische Folgen
- und auch die ursprünglichen westlichen entschiedenen Zero-Covid Vertreter wie Australien, Neuseeland, Singapur rücken davon ja inzwischen ab

Aber China hat keinen dieser Auswege aus Covid bislang genommen, sondern steht zunehmend isoliert mit dem Festhalten an Zero-Covid da. Und je länger sie warten, umso größer werden die wirtschaftlichen Schäden sein und umso schwieriger wird eine Öffnung sein. Wie sweetpanda richtig schreibt, eine immun-naive Bevölkerung mit hohem Risikopatientenanteil (demographischer Überhang, Verbreitung von Atemwegserkrankungen), die Folgen einer plötzlichen Öffnung wären fatal. China wird IMHO um eine langsame, gesteuerte Durchseuchung nicht herum kommen. Aber je später die beginnt, umso länger wird es dauern, bis das Ziel erreicht wird und umso größer wird also der Schaden sein!

Da ich eben nicht glaube, dass die chinesische Regierung keinen Plan hat oder sich von kurzfristigen Überlegungen oder "Wohlfühlgedanken" leiten lässt, muss es also einen politischen Plan und politische Ziele hinter dem Festhalten an Zero-Covid auch in dieser Situation geben.

Denkbar wäre natürlich, dass im Vorfeld des XX. Parteitages November 2022 und der erwarteten Wiederwahl Xi Jinpings gesellschaftliche Unruhe, wie sie eine Abkehr vom Zero-Covid-Konzept, welches der chinesischen Bevölkerung ja quasi als "alternativlos" verkauft worden war, bewirken könnte, unbedingt vermieden werden soll und daher erst 2023 ein Umlenken beginnen wird...?
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Re: Politische Ziele der Zero-Covid-Politik - "Verschwörungstheorien"

Beitrag von sweetpanda »

Aber auch nach dem Parteitag die Hosen runter zu lassen wäre zu offensichtlich und irgendwie auch zu egoistisch....
Ach was? Das ganze Theater nur damit "er" wiedergewählt wird?

Wenn man die Inzidenz bei 50 pro Woche belassen wollte und man will eine Durchseuchung von 70-80% erreichen, dann würde der Prozess 1400 Wochen dauern. Wenn von 100.000 Menschen 70% sich infizieren sollten sind es 70.000. Jede Woche 50 1400 Wochen.
27Jahre? Das wäre unfassbar...Man müsste schon 250 Erstinfektionen pro Woche zulassen, dann sind es immer noch über 5 Jahre.
Wenn man 2023 anfängt sollte es China bis 2030 beschäftigen oder was?
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Re: Politische Ziele der Zero-Covid-Politik - "Verschwörungstheorien"

Beitrag von Laogai »

otternase hat geschrieben:Was ist Chinas Exit-Strategie?
Braucht China eine "Exit-Strategie"? Und wenn ja, warum?
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Re: Politische Ziele der Zero-Covid-Politik - "Verschwörungstheorien"

Beitrag von otternase »

sweetpanda hat geschrieben: 03.01.2022, 22:29 Aber auch nach dem Parteitag die Hosen runter zu lassen wäre zu offensichtlich und irgendwie auch zu egoistisch....
Ach was? Das ganze Theater nur damit "er" wiedergewählt wird?
1) das wäre eben gerade ein "kurzfristiges Scheinziel", was ich für die chinesische Politik mindestens untypisch halten würde, so großes Theater (mit entsprechenden Nachteilen) für ein Ziel ohne echten volkswirtschaftlichen Nutzen...
2) allerdings ist die erwartete Wiederwahl von Xi Jinping an sich bereits eine Abkehr von den bislang erfolgreichen Grundprinzipien, bislang fand noch immer regelmäßig spätestens nach 10 Jahren ein Wechsel statt. Vielleicht also darf ich meine in den letzten 17 Jahren erworbene Erfahrung über die chinesische Politik einfach nicht extrapolieren und muss akzeptieren, dass nun andere Grundprinzipien gelten, nun vielleicht doch egoistisch und entgegen ökonomischer Vernuft regiert wird?
sweetpanda hat geschrieben: 03.01.2022, 22:29 Wenn man die Inzidenz bei 50 pro Woche belassen wollte und man will eine Durchseuchung von 70-80% erreichen, dann würde der Prozess 1400 Wochen dauern. Wenn von 100.000 Menschen 70% sich infizieren sollten sind es 70.000. Jede Woche 50 1400 Wochen.
27Jahre? Das wäre unfassbar...Man müsste schon 250 Erstinfektionen pro Woche zulassen, dann sind es immer noch über 5 Jahre.
Wenn man 2023 anfängt sollte es China bis 2030 beschäftigen oder was?
Richtig gerechnet, und eben das führt ja vor Augen, dass weder Zero-Covid (denn eine komplette Eindämmung ist unmöglich zu erreichen), noch Low-Covid auf Dauer sinnvoll erreichbar sind, ohne extreme Schäden zu erzeugen. Dass eben irgendwann eine freie Durchseuchung der Bevölkerung zugelassen werden muss, um aus der Sache rauszukommen.
Die durch Impfungen und durch Mutation zu milderer Omikron Variante gesunkene Hospitalisierungsrate und Mortalitätsrate macht das möglich, aber China hält noch immer stur an Zero-Covid fest. Und da belibt die Frage: Warum?
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Re: Politische Ziele der Zero-Covid-Politik - "Verschwörungstheorien"

Beitrag von otternase »

Laogai hat geschrieben: 03.01.2022, 22:47
otternase hat geschrieben:Was ist Chinas Exit-Strategie?
Braucht China eine "Exit-Strategie"? Und wenn ja, warum?
wenn China keinen Exit aus der Corona-Situation will und quasi "auf ewig" geschlossene Grenzen, zunehmende Abkopplung von der Weltwirtschaft will, dann braucht es natürlich auch keine Exit-Strategie. Aber wird das wirklich angestrebt? Will die chinesische Regierung die aktuelle Situation jahre- oder jahrzehntelang fortführen? Quasi ein Schritt zurück in die Zeit vor Deng Xiaoping? Ich glaube nicht, dass das irgendwer will... (mag mich aber irren).

Vielleicht ist das Motto 共同富裕 tatsächlich auch ein Zeichen eines grundlegenderen Politikwechsels, weg von Pragmatismus, Technokratismus und hin zu mehr Ideologie, ein Wandel, der eben auch Abschottung und "Störfreimachung" erfordert...? Und gehört Zero-Covid in dieses Konzept hinein?
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Re: Politische Ziele der Zero-Covid-Politik - "Verschwörungstheorien"

Beitrag von Laogai »

otternase hat geschrieben:Die durch Impfungen und durch Mutation zu milderer Omikron Variante gesunkene Hospitalisierungsrate und Mortalitätsrate macht das möglich, aber China hält noch immer stur an Zero-Covid fest. Und da belibt die Frage: Warum?
Womöglich weil "China" keinen Bock darauf hat auf Virologen wie -äh- Dr. Otternase zu hören?
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Re: Politische Ziele der Zero-Covid-Politik - "Verschwörungstheorien"

Beitrag von sweetpanda »

Laogai hat geschrieben: 03.01.2022, 22:47
otternase hat geschrieben:Was ist Chinas Exit-Strategie?
Braucht China eine "Exit-Strategie"? Und wenn ja, warum?
Ich möchte nicht in einer Welt leben in der sich 1,4 Milliarden für immer beinahe völlig physisch vom Rest der Welt isolieren.
Die weltanschaulichen Distanzen werden dadurch immer weiter steigen, mit unabsehbaren Folgen.

„Die gefährlichste Weltanschauung ist die Weltanschauung derer, die die Welt nie angeschaut haben.“

Alle Chinesen sollen auf ewig in ihrem eigenen Saft schmoren?
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Re: Politische Ziele der Zero-Covid-Politik - "Verschwörungstheorien"

Beitrag von sweetpanda »

Laogai hat geschrieben: 03.01.2022, 23:07 Womöglich weil "China" keinen Bock darauf hat auf Virologen wie -äh- Dr. Otternase zu hören?
Otternase gibt nur das wieder was die Spatzen von den Dächern pfeifen...

"The 28-day average case fatality rate in South Africa, the likely origin of the Omicron variant, tumbled in the past six weeks from 8% to 0.2%, barely higher than for the flu."

https://www.wsj.com/articles/omicron-va ... 1641153969

Das sind doch mal gute Nachrichten, kaum schlimmer als die Grippe.

Ok der R Wert ist wohl etwas höher deshalb ist das Gesamtpacket immer noch mit Vorsicht zu genießen.
Aber so ging die spanische Grippe ja auch vorbei, sie mutierte in harmloserer Varianten und kommt jede Saison wieder. Trifft aber auf eine kreuzimmune durchseuchte Bevölkerung. Das ist der Lauf der Welt seit dem es Organismen und Viren gibt.
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Re: Politische Ziele der Zero-Covid-Politik - "Verschwörungstheorien"

Beitrag von Laogai »

otternase hat geschrieben:wenn China keinen Exit aus der Corona-Situation will
Deutschland kümmert sich einen Scheiß um die "Corona Situation". Wobei du für "Deutschland" die "Querdenker" einsetzen kannst oder alle andere. Egal, China=Deutschland.

"China" will keinen "Exit aus der Corona-Situation". Die chinesische Regierung (und ihre Erfüllungsgehilfen) will die aktuelle Situation so händeln, dass sie auch weiterhin an der Macht bleiben kann.
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Re: Politische Ziele der Zero-Covid-Politik - "Verschwörungstheorien"

Beitrag von otternase »

Laogai hat geschrieben: 03.01.2022, 23:07 Womöglich weil "China" keinen Bock darauf hat auf Virologen wie -äh- Dr. Otternase zu hören?
meine Meinung spielt doch keinerlei Rolle, es geht darum, aus den Erfahrungen in anderen Ländern zu lernen und daraus Schlüsse zu ziehen. Als Beispiel, weil ich mich gerade dort aufhalte: Dänemark hat aktuell eine 7-Tage-Inzidenz von mehr als 2500, fünfmal so hoch wie in der Spitze im vergangenen Jahr. Gleichzeitig aber ein Drittel weniger Krankenhauseinweisungen und die Hälfte weniger Todesfälle verglichen mit damals! Ähnlich sieht es auch in Spanien aus (Inzidenz rund 1200, mehr als doppelt so viel wie vor einem Jahr, aber nur ein Drittel der Krankenhauseinweisungen und ein Fünftel der Todesfälle) und im UK (Inzidenz 1970, dreimal so viel wie vor einem Jahr, aber nur ein Drittel der Krankenhauseinweisungen und ein Achtel der Todesfälle von damals)
Es ist also mehr als deutlich, dass Impfungen geholfen haben und Omikron deutlich ungefährlicher ist.
Daraus könnte man nun den Schluss ziehen, dass Zero-Covid überholt ist und nicht mehr bei der realen Situation angemessen ist. In den USA und im UK wurden die Quarantäne-Zeiten für symptomlos Erkrankte bereits verkürzt, in D soll das wohl auch bald geschehen.
Laogai hat geschrieben: 03.01.2022, 23:29 "China" will keinen "Exit aus der Corona-Situation". Die chinesische Regierung (und ihre Erfüllungsgehilfen) will die aktuelle Situation so händeln, dass sie auch weiterhin an der Macht bleiben kann.
nie ein Exit aus dieser Abschottung, und dies aus Machtkalkül heraus, wäre in der Tat ein Rückfall in finstere Zeiten.
Möglich, wäre eine, allerdings ziemlich radikale Erklärung der Politik, und damit eine mögliche Antwort auf meine eingangs gestellte Frage. Allerdings eine ziemlich deprimierende Antwort und eine, die ein Abwenden von vernunftgetriebener Politik bedeuten würde.
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Re: Politische Ziele der Zero-Covid-Politik - "Verschwörungstheorien"

Beitrag von Helfer »

Ich krame meinen Post mal aus dem anderem Thread hervor:

Es gibt ja im Prinzip zwei Möglichkeiten:

1) Man rottet das Virus aus
2) Man beginnt mit dem Virus zuleben und erreicht irgendwann eine Herdenimmunität

Die erste Möglichkeit hat man in der Geschichte der Menschheit bei einem Virus nur über eine Impfung geschafft, die 100% wirksam ist und auch der Virus darf nicht vom Tier abstammen. Theoretisch wenn die gesamte Menschheit für 4 Wochen zuhause bleiben würde, hätte man den Virus auch ausgerottet.

Bei der Möglichkeit mit dem Virus zu leben hat man weitere Möglichkeiten:
1) Man kauft sich Zeit über stringente Kontaktbeschränkungen und hofft das der Virus mutiert zu einer weniger tödlichen Variante
2) Man kauft sich Zeit über stringente Kontaktbeschränkungen und wartet bis man einen 100% Impfstoff findet
3) Man kauft sich Zeit über stringente Kontaktbeschränkungen und nutzt dann einen einen Impfstoff mit < 100% Wirksamkeit und nimmt die Toten in Abhängigkeit von der Wirksamkeit in Kauf (die geringer sind als bei Möglichkeit 4))
4) Man macht garnichts und nimmt die Toten in Kauf

China verfolgt die Möglichkeit 1) und 2). Sie warten auf eine weniger tödliche Variante, dies hat bei SARS geklappt und forschen gleichzeitig an ihrem mRNA Impfstoff.
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Re: Politische Ziele der Zero-Covid-Politik - "Verschwörungstheorien"

Beitrag von otternase »

Humburk hat geschrieben: 04.01.2022, 00:32
Helfer hat geschrieben: 04.01.2022, 00:28 4) Man macht garnichts und nimmt die Toten in Kauf
Vielleicht nicht die schlechteste Idee bevor man die komplette Wirtschaft die man über Jahrzehnte mit harter Arbeit aufgebaut hat vor die Wand zu fahren.
Klappt doch wo anders auch? Indien... oder Afghanistan.
Oder hat die Taliban vielleicht nen Impfstoff entwickelt von dem wir noch nichts wissen.
In der Tat ist die befürchtete und angekündigte humanitäre Katastrophe dort ausgeblieben. Sogar in Regionen mit hoher HIV-Rate (=immungeschwächt=Risikogruppe) zB in Afrika ist es auch ohne massive Maßnahmen zu keinem Massensterben gekommen! Aber China hat, im Gegensatz zu Afrika und Nahen Osten, zB Afghanistan, aber ebenso wie Europa und Nordamerika, eine ältere Bevölkerung. Man muss schon davon ausgehen, dass Covid in China ungebremst umlaufend schwerere Folgen hätte als Covid ungebremst in Afghanistan!
Helfer hat geschrieben: 04.01.2022, 00:28 1) Man kauft sich Zeit über stringente Kontaktbeschränkungen und hofft das der Virus mutiert zu einer weniger tödlichen Variante
2) Man kauft sich Zeit über stringente Kontaktbeschränkungen und wartet bis man einen 100% Impfstoff findet

China verfolgt die Möglichkeit 1) und 2). Sie warten auf eine weniger tödliche Variante,
Ja, diese Erklärung war plausibel und auch sinnvoll in der Vergangenheit. Aber nun läuft mit Omikron bereits eine ziemlich harmlose Variante um und es gibt Impfstoffe, die zwar überall weniger wirksam als erhofft sind, aber bei Corona-Viren kann es keine 100% wirksamen Impfungen geben, also kann man kaum mehr als den bereits erreichten Status erwarten.
Insofern wäre nun der Zeitpunkt zur (langsamen, vorsichtigen) Öffnung, zur Abkehr von Zero-Covid gekommen.

Wie zuvor geschrieben, mir geht es nicht um die Frage, warum in der Vergangenheit Zero-Covid eingeführt wurde, dafür gab es anfangs gute Gründe, mich treibt die Frage um, warum China an Zero-Covid auch unter den inzwischen veränderten Randbedingungen stur festhält!
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