China für Deutschland ein Feind- oder Partnerstaat?

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shuhan
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China für Deutschland ein Feind- oder Partnerstaat?

Beitrag von shuhan »

Wie definiert man die deutsch-chinesische Staatsbeziehung? Ist China für Deutschland ein Feindstaat oder eher ein Partnertaat? Ich schreibe mal meine persönliche Meinung zu diesem Thema auf. Gerne könnt ihr eure Meinungen dazu schreiben, gegebenenfalls untermauert durch eure eigenen Lebenserfahrungen in China-Deutschland-Interaktionen.

Sicherheit

Ich arbeite in einem deutschen Innenministerium und bin der einzige Mitarbeiter mit einem chinesischen Migrationshintergrund im Ministerium. Ich weiss, dass es Bereiche in den deutschen Regierungsstellen gibt, wo es für Chinesischstämmige nahezu unmöglich ist, dort zu arbeiten. Der Grund lautet: Sicherheitsüberprüfung. Mitarbeiter, denen sicherheitsempfindliche Aufgaben anvertraut werden, müssen sich einer Sicherheitsüberprüfung unterziehen.
Es gibt drei Stufen solcher Sicherheitsüberprüfung. Mehrere Referenzpersonen müssen dort angegeben werden, die über deine Person aussagen müssen. Es darf schlichtweg keinerlei Anhaltspunkte geben, wo man von einer "fremden Macht" erpresst werden könnte. Daher muss man auch nahe Angehörige angeben, die in bestimmten Ländern leben.
Dazu gibt es eine Liste von Ländern, die besonders sicherheitsgefährdend sind. Darunter fallen Pakistan, Iran, Russland und eben China. Ich arbeite in einem Bereich, wo nicht mit sogenannten Verschlusssachen gearbeitet wird. Daher brauche ich mich so einer Sicherheitsüberprüfung nicht zu unterziehen. In anderen Bereichen an meiner Diensstelle wird man schon durch eine Sicherheitsüberprüfung geprüft. Aber auch für viele Stellen in den Bundesministerien wird eine Sicherheitsüberprüfung zweiter Stufe Ü2 und in manchen Fällen sogar die dritte Stufe vorausgesetzt.

Das bedeutet: Personen, die irgendwo in China noch einen nahen Angehörigen haben, oder gar mit einem chinesischen Staatsbürger/ einer chinesischen Staatsbürgerin verheiratet ist, haben praktisch keine Chance, eine solche Sicherheitsüberprüfung zu bestehen, da solche Personen ein Sicherheitsrisiko darstellen würden, weil sie durch ihre Bindung zu den chinesischen Familienangehörigen von China erpressbar seien.

Das betrifft übrigens nicht nur Regierungsstellen. Auch in bestimmten Industriezweigen wie der Rüstungsindustrie werden Sicherheitsüberprüfungen an Mitarbeitern durchgeführt. Personen chinesischen Hintergrunds oder mit chinesischen Partnerinnen/partnern sind daher praktisch von allen sicherheitsrelevanten Stellen in Deutschland ausgeschlossen.

Daher ist für mich klar. China ist für deutsche Inland-Sicherheitsbehörden auf jeden Fall ein Feindstaat. China und Russland, das steht auch in jedem Verfasssungsschutzbericht, würden die meisten Spionagetätigkeiten in Deutschland durchführen. Es gibt beim Bundesamt für Verfasssungsschutz auch ein eigenes Referat, das sich mit der Infiltrierung aus China beschäftigt (Spiegel 2010 Nr 26). 2009 kam es gar zu mehreren Verurteilungen chinesischer Spione in Deutschland und die Ausweisung eines chinesischen Diplomatens im Rahmen einer Spionageaffäre.

Wirtschaft

Da brauche ich nicht viel zu sagen. China ist der größte Handelspartner für Deutschland in Asien. Für einige deutsche Autokonzerne wie VW ist China der wichtigste Absatzmarkt.
Da Chinas Wirtschaftsboom heutezutage in erster Linie von Anlageninvestitionen und Infrasktur/Bauprojekten abhängt, sind deutsche Produkte auch besonders gefragt, weil deutsche Unternehmen den Chinesen alles für solche Projekte liefern können: Maschinen, hochwertiger Stahl, etc. Daher ist China im Wirtschaftsbereich ein wichtiger Partner für Deutschland.

Aber China ist, wie Deutschland, ein Land, das sich auf die Industrieproduktion als Wirtschaftsmodell setzt. Künftig besteht ein Konkurrenzdruck von chinesischen Unternehmen. Natürlich hat Deutschland derzeit noch einen enormen technischen Vorsprung. Meiner Meinung nach übertreiben deutsche Medien derzeit mit der Stärke der chinesischen Industrie. Man darf nicht vergessen, dass 66 Prozent aller chinesischen High-Tech-Produkte, 55 Prozent aller chinesischen Exporte in die ganze Welt und 90 Prozent aller sogenannten "High-Tech"-chinesischen Exporte zwischen 2007-2009 von ausländischen Unternehmen in China produziert wurden. Noch ist China sehr von ausländischen Unternehmen abhängig.

Allerdings könnte China künftig als Konkurrenz eine größere Rolle spielen.
Aber das chinesische Wirtschaftsmodell ist nicht nachhaltig, da es hauptsächlich durch Anlageninvestitionen getrieben wird. Der Binnenkonsum ist auch sehr schwach. Die Deutschen Unternehmen sollten sich langfristig davor hüten, ihre Auslandsinvestitionen überwiegend auf China zu setzen. Zudem haben wir gesehen, wie sehr die chinesische Politik die Wirtschafsbeziehung beeinflussen kann. Sieh aktuell China-Japan. Deutsche Unternehmen tun sich gut daran, ihre Interessen zu streuen.

Politik

In der Politik ist Deutschland als einer der einflussreichsten Nationen der EU sicher interessant für China, insbesondere was die EU-Politik gegenüber China angeht.
Für Deutschland ist China politisch insofern interessant, da Deutschland viele wirtschaftliche Interessen in China hat. Geopolitisch kooperiert Deutschland in einigen Fällen mit China, insbesondere im Iran und in Zentralasien. In den 90er Jahren durfte der Bundesnachrichtendienst eine Funkstation im chinesischen Grenzgebiet zu Zentralasien unterhalten, um Funksprüche zu Afghanistan etc. auszuwerten. Im Gegenzug wollte China Personals vom BND schulen lassen. Auch moderne Überwachungsgeräte wurden im Rahmen der Kooperation an China geliefert.

Allerdings ist Deutschland Mitglied der Nato und hat dementsprechend Bündnisverpflichtungen. Deutschland hat zwar keine direkten geopolitsche Konflikte mit China in Asien, aber die USA schon.
Von daher ist der geopolitische Spielraum Deutschlands gegenüber China meines Erachtens eher begrenzt. Zudem bestehen grundlegende Unterschiede in den politischen Systemen beider Länder, sodass eine politische Annährung vor allem in Deutschland Kritik in der Öffentlichkeit mit sich bringen würde.


Fazt:

China ist für Deutschland innenpolitisch ein Feindstaat, da China für deutsche Inlandsdienste einer der Hauptgegner in Spionageabwehr darstellt.

Geopolitisch kooperiert Deutschland mit China in einigen Bereichen, allerding ist der Spielraum hier stark begrenzt durch die Rolle Deutschlands in der Nato und die Unterschiede in den beiden politischen Systemen.


Wirtschaftlich ist China derzeit ein wichtiger Partner für Deutschland, langfristig könnte China jedoch ein Konkurrent darstellen.

Letztendlich basieren die deutsch-chinesischen Staatsbeziehungen hauptsächlich auf die Wirtschaftsbeziehung der beiden Länder. Wäre diese Wirtschaftsbeziehung durch Faktoren wie Marktaustritt deutscher Unternehmen aus China in die Drittstaaten oder innere Instabilität Chinas beeinträchtigt, würde China wieder für Deutschland politisch an Bedeutung verlieren.
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Re: China für Deutschland ein Feind- oder Partnerstaat?

Beitrag von Yingxiong »

Wie sieht die Übertragung auf Japan aus?

Japan hat eine Zeit lang Geräte aus Europa (Deutschland) gekauft, nachgebaut, Kopien verbessert ... So haben die Japaner den Deutschen Marktanteile abgenommen.
Sind die Japaner deshalb ein Feind der Deutschen?
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Re: China für Deutschland ein Feind- oder Partnerstaat?

Beitrag von tigerprawn »

Yingxiong hat geschrieben:Wie sieht die Übertragung auf Japan aus?

Japan hat eine Zeit lang Geräte aus Europa (Deutschland) gekauft, nachgebaut, Kopien verbessert ... So haben die Japaner den Deutschen Marktanteile abgenommen.
Sind die Japaner deshalb ein Feind der Deutschen?
Japan ist vor knapp 70 Jahren genauso wie D nach größeren politischen Reformen Freund und zuverlässiger Partner der USA geworden. Somit besteht auf politischer Ebene auch ein gutes Verhältnis zwischen D und J.
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Re: China für Deutschland ein Feind- oder Partnerstaat?

Beitrag von sweetpanda »

Perfekte Analyse shuhan,

keine rosarote China-Brille sondern einfach ausgesprochen was Sache ist. Das 90% der exportierten High-Tech Produkte von ausländischen Unternehmen produziert werden, ist ein Information die für mich neu ist, aber mir einige Fragen beantwortet.
Meine chinesische Frau arbeitet in einem deutschen Maschinenbauunternehmen in Rheinland-Pfalz.
Deren Exportquote liegt bei über 90% mit hohem Chinaanteil. Aus bekannten Gründen exportieren die nur Maschinen der zweiten Generation nach China. Das Unternehmen hat nur 200 Mitarbeitern und ich würde es nicht als High-Tech bezeichnen. Der ländliche Standtort, Mitarbeiter und Produkte sind eher bodenständig und dennoch schaffen es die Chinesen immer noch nicht die Maschinen auf gleichem Niveau zu kopieren. Es gab immer wieder Versuche, aber gerade in der jüngeren Vergangenheit sind internationale Kunden zähneknirschend wieder zurückgekehrt und haben erzählt, dass sie sich "heimlich" vor 3-5 Jahren eine chinesische Maschine gekauft haben, dies aber mittlerweile bereuen und doch wieder bereit sind mehr zu zahlen.

Mit der Leistungsfähigkeit der chinesischen Wirtschaft wird schon seit Jahren gedroht, um die deutschen Arbeitnehmer zu disziplinieren, sonst könnten die Löhne ja steigen. Die Chinesen arbeiten jeden Tag 26 Stunden, es gibt jedes Jahr Millionen neue Ingenieure, die haben kaum Urlaub, die Deutschen sind zu satt und faul usw. blablabla.
Wenn ich in China war, habe ich überall deutsche Produkte gesehen und am Empfang eingeschlafene Chinesinnen. Bald ist wieder Frühlingsfest und das Land steht 3 Wochen still. Wenn das die deutschen Wirtschaftsweisen wüssten:"...3 Wochen volkswirtschaftlicher Totalstillstand und dann dauert es noch 1-2 Wochen bis wieder alles normal läuft...das.... das...kostet Wachstum, Arbeitsplätze....unverzeihlich!"
Fasst alle Rolltreppen und Aufzüge sind von Thyssen, 30% der Autos aus Deutschland, bessere Sanitärinstallationen alle von Kohler usw. Jede Reise ins Ausland wirkt auf mich so herrlich beruhigend und habe noch nie eine Fabrik besucht, wo die eigentlichen Ausrüstungsinvestitionen zu sehen sein sollten. Ich bin Jahrgang 1980 und habe in den ganzen 90ern in meiner Jugend immer nur Hiobsbotschaften über Arbeitslosenzahlen, Rechtsradikalismus, Asylmissbrauch, Rinderwahnsinn usw. gehört, aber wie es in Deutschland seit ca. 10 Jahren fluppt, ist einfach Klasse. Nachrichten schaue ich fasst nur im englischsprachigen TV und wie bei CNN, CNBC und BBC die Qualität und Qualifikation der deutschen Arbeitnehmerschaft in den Himmel gelobt wird, dass würde sich kein Deutscher im deutschen Fernsehen erlauben.


Eine persönliche Frage an dich shuhan:

Wie sieht dein Migrationshintergrund denn aus, wenn du keine Verwandte in China hast?
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Re: China für Deutschland ein Feind- oder Partnerstaat?

Beitrag von romeo »

Der Einschätzung von shuhan kann ich i.W. zustimmen. Im Augenblick brauchen sich beide Länder gegenseitig. Dtl. liefert hochwertige Maschinen und stellt auch entsprechendes know how zur Verfügung während wir als Markt für Massenwaren und als Türöffner in der EU für Ch. wichtig sind. Andererseits stellen die Produktpiraterie, die mangelnde Rechtssichcherheit in Ch. und die ausufernde chines. Spionage enorme Hindernisse für eine intensivere Zusammenarbeit dar. Es ist sehr janusköpfig. Eine abschließende Bewertung oder auch eine Lösungsmöglichkeit habe ich da auch nicht anzubieten.
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Re: China für Deutschland ein Feind- oder Partnerstaat?

Beitrag von Yingxiong »

tigerprawn hat geschrieben:
Yingxiong hat geschrieben:Wie sieht die Übertragung auf Japan aus?

Japan hat eine Zeit lang Geräte aus Europa (Deutschland) gekauft, nachgebaut, Kopien verbessert ... So haben die Japaner den Deutschen Marktanteile abgenommen.
Sind die Japaner deshalb ein Feind der Deutschen?
Japan ist vor knapp 70 Jahren genauso wie D nach größeren politischen Reformen Freund und zuverlässiger Partner der USA geworden. Somit besteht auf politischer Ebene auch ein gutes Verhältnis zwischen D und J.
Und daher wird dasselbe Verhalten (Technologien kopieren) auch anders ausgelegt. Bei den Japanern ok, bei den Chinesen verwerflich.
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Re: China für Deutschland ein Feind- oder Partnerstaat?

Beitrag von alanos »

Im Endeffekt ist die deutsche außenpolitische Agenda doch zu 100% deckungsgleich mit der des Großen Bruders. Mit den Japanern hast du da ein wunderschönes Beispiel gegeben.
Das mit der Sicherheitsprüfung ist aber interessant. Weiß jemand wie das beim AA aussieht? Wird man da auch benachteiligt, wenn man eine chinesische Partnerin hat?
Chinese war tactics: attack in small groups of 2-3 millions.

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Re: China für Deutschland ein Feind- oder Partnerstaat?

Beitrag von Lotti »

Zum punkt sicherheit fällt mir eine geschichte ein.
Ein freund hatte sich mal als psychologe in einer jva beworben.
Einige zeit später hatte er plötzlich 2 fragenkataloge über kontakte nach china, wie diese zustande kamen, warum sie aufrecht gehalten werden, parteizugehörigkeit etc im briefkasten. Eine für ihn zum ausfüllen, und einen den er an mich schicken sollte.
Hinterher musste er in einem allgemeinen fragebogen auch nochmal angeben, ob irgendwelche kontakte nach zb china bestehen.
Und das nur für eine stelle in ner jva, also nix weltbewegendes. :roll:


Den job hat er übrigens nicht bekommen, aber ob das nun unbedingt mit mir, bzw china zu tun hat kann man nicht sagen. Sinn würde es nicht machen.
In 3 Sekunden ist der Huehnerfuss aus meiner Suppe verschwunden, sonst gibts morgen Kaesefondue!!!
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Re: China für Deutschland ein Feind- oder Partnerstaat?

Beitrag von edmund27 »

Für mich ist China Persönlich kein Feindstaat. Und für die deutsche Wirtschaft ist China ein wichtiger Absatzmarkt. Besonders für die Automobilindustrie. Außerdem ist die Weltwirtschaft sehr abhänging von einander.
Und eines muss man den Chinesen ja lassen, sie können Flughäfen bauen die funktionieren. Zur Zeit ist mir der Chinese lieber als der Ami. Hier weiß ich, dass die mich auch ausspähen. Aber von einem Freund hätte ich das nicht nicht gedacht. Die Welt wird wir in den nächsten Jahren immer wieder verändern und China auch. In 30 Jahren wird China auch anders aussehen, politisch und wirtschaftlich. 8)
Würden die Menschen verstehen, wie unser Geldsystem funktioniert, hätten wir eine Revolution – und zwar schon morgen früh. ( Henry Ford )
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Re: China für Deutschland ein Feind- oder Partnerstaat?

Beitrag von shuhan »

sweetpanda hat geschrieben:Perfekte Analyse shuhan,

keine rosarote China-Brille sondern einfach ausgesprochen was Sache ist. Das 90% der exportierten High-Tech Produkte von ausländischen Unternehmen produziert werden, ist ein Information die für mich neu ist, aber mir einige Fragen beantwortet.
Meine chinesische Frau arbeitet in einem deutschen Maschinenbauunternehmen in Rheinland-Pfalz.
Deren Exportquote liegt bei über 90% mit hohem Chinaanteil. Aus bekannten Gründen exportieren die nur Maschinen der zweiten Generation nach China. Das Unternehmen hat nur 200 Mitarbeitern und ich würde es nicht als High-Tech bezeichnen. Der ländliche Standtort, Mitarbeiter und Produkte sind eher bodenständig und dennoch schaffen es die Chinesen immer noch nicht die Maschinen auf gleichem Niveau zu kopieren. Es gab immer wieder Versuche, aber gerade in der jüngeren Vergangenheit sind internationale Kunden zähneknirschend wieder zurückgekehrt und haben erzählt, dass sie sich "heimlich" vor 3-5 Jahren eine chinesische Maschine gekauft haben, dies aber mittlerweile bereuen und doch wieder bereit sind mehr zu zahlen.

Mit der Leistungsfähigkeit der chinesischen Wirtschaft wird schon seit Jahren gedroht, um die deutschen Arbeitnehmer zu disziplinieren, sonst könnten die Löhne ja steigen. Die Chinesen arbeiten jeden Tag 26 Stunden, es gibt jedes Jahr Millionen neue Ingenieure, die haben kaum Urlaub, die Deutschen sind zu satt und faul usw. blablabla.
Wenn ich in China war, habe ich überall deutsche Produkte gesehen und am Empfang eingeschlafene Chinesinnen. Bald ist wieder Frühlingsfest und das Land steht 3 Wochen still. Wenn das die deutschen Wirtschaftsweisen wüssten:"...3 Wochen volkswirtschaftlicher Totalstillstand und dann dauert es noch 1-2 Wochen bis wieder alles normal läuft...das.... das...kostet Wachstum, Arbeitsplätze....unverzeihlich!"
Fasst alle Rolltreppen und Aufzüge sind von Thyssen, 30% der Autos aus Deutschland, bessere Sanitärinstallationen alle von Kohler usw. Jede Reise ins Ausland wirkt auf mich so herrlich beruhigend und habe noch nie eine Fabrik besucht, wo die eigentlichen Ausrüstungsinvestitionen zu sehen sein sollten. Ich bin Jahrgang 1980 und habe in den ganzen 90ern in meiner Jugend immer nur Hiobsbotschaften über Arbeitslosenzahlen, Rechtsradikalismus, Asylmissbrauch, Rinderwahnsinn usw. gehört, aber wie es in Deutschland seit ca. 10 Jahren fluppt, ist einfach Klasse. Nachrichten schaue ich fasst nur im englischsprachigen TV und wie bei CNN, CNBC und BBC die Qualität und Qualifikation der deutschen Arbeitnehmerschaft in den Himmel gelobt wird, dass würde sich kein Deutscher im deutschen Fernsehen erlauben.


Eine persönliche Frage an dich shuhan:

Wie sieht dein Migrationshintergrund denn aus, wenn du keine Verwandte in China hast?
Danke für deinen Beitrag!
Bezüglich der Millionen Ingeneuere aus China möchte ich noch folgendes sagen:
Ja, man hört des Öfteren in den Medien von solchen beeindruckenden Zahlen aus China: zig Millionen Universitätsabsolventen und Ingenieure jedes Jahr. Unerwähnt bleibt aber oft die Tatsache, dass es in China gar keine dualen Berufsausbildungssysteme wie in Deutschland gibt. Berufsschulen in China haben einen besonders miesen Ruf und gelten als Auffangbecken für Schulversager. Alle anderen, sofern sich ihre Eltern Studiengebühren leisten können, strömen in die Universitäten.

Dabei liegen zwischen der Qualität eines Studiums in China und Deutschland Welten.

Richtig wäre, wenn der Schwierigkeitsgrad von Grundschule, Gymnasium und Universitäten graduell steigt und dass sich junge Menschen auf ihrem Bildungsweg immer mehr anstrengen müssen. Das ist in Deutschland der Fall. Aber in China müssen Grundschüler bzw. Mittelschüler von 8 Uhr morgens bis 17 Uhr in der Schule pauken und nach der Schule Hausaufgaben bis 22 Uhr machen. Wer allerdings in China das Abitur mit guten Noten bestanden hat und auf eine Universität geschafft hat, der sieht die größten Anstrengungen im seinen Leben bereits hinter sich. Denn chinesische Studenten kriegen ihren Abschluss fast hinterher geschmießen. Über 90 Prozent der Studenten an chinesischen Hochschulen kriegen auch einen Abschluss. Das führt dazu, dass das Niveau der chinesischen Hochschulstudenten vergleichsweise niedrig ist. Auf keinen Fall ist dort ein Studium allgemein berufsqualifizierend. Dann wundern sich chinesische Studenten nach ihrem Studium, dass sie keinen Job finden können. Viele Millionen chinesische Studienabsolventen bleiben arbeitslos.

Von daher kann man angesichts solcher Zahlen, die von zig Millionen Ingenieuren aus China handeln, nur müde lachen.

Zu meiner Person:
Ich bin mit 13 Jahren nach Deutschland eingewandert. Meine Eltern haben zuvor in Deutschland/Australien promoviert und leben auch in Deutschland/Australien. In China habe ich aber noch etliche Familienangehörige: Onkel, Tanten und Großeltern beiderseits.
shuhan
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Re: China für Deutschland ein Feind- oder Partnerstaat?

Beitrag von shuhan »

alanos hat geschrieben: Das mit der Sicherheitsprüfung ist aber interessant. Weiß jemand wie das beim AA aussieht? Wird man da auch benachteiligt, wenn man eine chinesische Partnerin hat?
Ja. Wenn derjenige, der durch eine Sicherheitsüberprüfung geprüft werden soll, eine chinesische Lebensgefährtin bzw. Ehegattin hat, muss derjenige auch die in China lebenden Eltern/Geschwister/Kinder der Lebensgefährtin und der Ehefrau angeben.

Nahe Angehörige im Sinne der Sicherheitsüberprüfung sind Eltern, Ehegatten/gattinen, Kinder und deren Ehegatten/Ehegattinen, Geschwister und deren Ehegatten/Ehegattinen, Eltern/Geschwister/Kinder der Ehegattin/Ehegatten/Lebenspartnerinnen/Lebenspartner. Außerdem muss man auch Angehörige angeben, die zwar keine nahen Angehörige in dem Sinne sind, zu denen man aber einen regelmäßigen Kontakt unterhält.

Ich gehe mal davon aus, dass somit sämtliche Deutsche in diesem Forum, die mit Chinesinnen/Chinesen verheiratet sind, davon erfasst sind.

Die Sicherheitsüberprüfungen werden übrigens immer alle paar Jahre wiederholt, bei Ü1 dauert die Widerholungsphase jedoch viel kürzer als bei Ü3.
shuhan
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Re: China für Deutschland ein Feind- oder Partnerstaat?

Beitrag von shuhan »

Lotti hat geschrieben:Zum punkt sicherheit fällt mir eine geschichte ein.
Ein freund hatte sich mal als psychologe in einer jva beworben.
Einige zeit später hatte er plötzlich 2 fragenkataloge über kontakte nach china, wie diese zustande kamen, warum sie aufrecht gehalten werden, parteizugehörigkeit etc im briefkasten. Eine für ihn zum ausfüllen, und einen den er an mich schicken sollte.
Hinterher musste er in einem allgemeinen fragebogen auch nochmal angeben, ob irgendwelche kontakte nach zb china bestehen.
Und das nur für eine stelle in ner jva, also nix weltbewegendes. :roll:


Den job hat er übrigens nicht bekommen, aber ob das nun unbedingt mit mir, bzw china zu tun hat kann man nicht sagen. Sinn würde es nicht machen.
Mit jva kenne ich mich nicht aus. Allerdings habe ich von einem Kollegen gehört, der Polizeibeamte ist, dass sich Polizeibeamte der Staatssschutzabteilung einer ähnlichen Sicherheitsüberprüfung unterziehen müssen. Diese Leute müssen sämtliche persönliche Verhältnisse offenlegen. Vielleicht ist es in bestimmten Bereichen der Justiz auch so...Ist dieser Freund von dir ein Chinese? Oder warum wird er danach gefragt? Was hat außerdem seine Bewerbung mit dir zu tun?
dakine
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Re: China für Deutschland ein Feind- oder Partnerstaat?

Beitrag von dakine »

Es gibt übrigens auch in China Einschränkungen hinsichtlich innerer Sicherheit und Umgang mit Ausländern.
Immerhin ist es "Geheimnisträgern" sowie Armeengehörigen und Angehörigen der inneren Sicherheit unmöglich Ausländer zu heiraten.
(http://english.shaanxi.gov.cn/articleSe ... 181_1.html)

Zum Thema:
Ich sehe China völlig neutral. Staaten haben keine Freunde, Staaten haben Interessen. Die sind bei DE/CN teilweise deckungsgleich, teilweise diametral entgegengesetzt.
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Re: China für Deutschland ein Feind- oder Partnerstaat?

Beitrag von shuhan »

dakine hat geschrieben:Es gibt übrigens auch in China Einschränkungen hinsichtlich innerer Sicherheit und Umgang mit Ausländern.
Immerhin ist es "Geheimnisträgern" sowie Armeengehörigen und Angehörigen der inneren Sicherheit unmöglich Ausländer zu heiraten.
(http://english.shaanxi.gov.cn/articleSe ... 181_1.html)

Zum Thema:
Ich sehe China völlig neutral. Staaten haben keine Freunde, Staaten haben Interessen. Die sind bei DE/CN teilweise deckungsgleich, teilweise diametral entgegengesetzt.
Ohne Zweifel existieren in China noch drastischere Einschränkungen von "Staatsgeheimnisträgern". Es gibt sogar ein generelles Ausreiseverbot für bestimmte Geheimnisträger.
shuhan
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Re: China für Deutschland ein Feind- oder Partnerstaat?

Beitrag von shuhan »

dakine hat geschrieben:Es gibt übrigens auch in China Einschränkungen hinsichtlich innerer Sicherheit und Umgang mit Ausländern.
Immerhin ist es "Geheimnisträgern" sowie Armeengehörigen und Angehörigen der inneren Sicherheit unmöglich Ausländer zu heiraten.
(http://english.shaanxi.gov.cn/articleSe ... 181_1.html)

Zum Thema:
Ich sehe China völlig neutral. Staaten haben keine Freunde, Staaten haben Interessen. Die sind bei DE/CN teilweise deckungsgleich, teilweise diametral entgegengesetzt.
Du hast Recht, Staaten haben eigentlich nur Interessen. Allerdings lässt sich nicht leugnen, dass sich Deutschland als Staat bei der Durchsetzung seiner Interessen gegenüber Staaten wie USA eher zurückhält, wenn Interessen beider Staaten kollidieren. Wenig rücksichtsvoller agiert Deutschland hingegen bei einem Interessenkonflikt mit China. Den Grund sehe ich darin, dass Deutschland sicherheitspolitisch von den USA abhängig ist und von den USA immer noch quasi dominiert wird, wobei Deutschland heutezutage mehr außenpolitische Handlungsspielräume hat als zu Zeiten der Bonner Republik. Trotzdem ist das Bündnis zwischen USA und Deutschland wegen der machpolitischen Unterschiede beider Länder immer noch nicht gleichberechtigt, da Deutschland machtpolitisch mehr von den USA abhängig ist als umgekehrt.

Bezüglich Japan lässt sich nur sagen, dass Japan ein Verbündeter der USA ist. Deutschland wiederum ist mit den USA verbündet. Deshalb ist Deutschland indirekt mit Japan verbündet. Außerdem hat Japan kein grundlegend verschiedenes politisches System zu Deutschland. Aus diesen Gründen zählt Japan zu den "befreundeten" Staaten. Japan gilt auch nicht als sicherheitsgefärdendes Land nach der Vorgabe des Bundesinnenministeriums. Japanischstämmige Deutsche haben uneingeschränkten Zugang zu den Ämtern der deutschen Regierung. Und im Stillen existiert doch auch eine Verbundenheit beider Länder aus dem 2. Weltkrieg.
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