ferrara hat geschrieben:diese frage kann man damit beantworten, dass heutzutage noch viele chinesen, meistens alte chinesen zuhause ein bild von mao an der wand haben, obwohl sie beschieid wissen, dass den hongkongern viel besser geht. es gibt nämlich immer ein BESSERES leben, aber kein BESTES leben. sie sind mit ihr jetziges leben zufrieden, und das hat großenteils mao zu verdanken.
klingt einfach, versteht aber nicht jeder, leider.
Ich glaube, auch Europäer können das verstehen, wenn sie sich die Mühe machen, mit älteren Chinesen darüber zu reden, was denn damals passierte, und was für ein Unterschied es war im Vergleich zu vorher (Chiang Kaishek).
Auch Chinesen auf dem Land wussten, dass es den Leuten in Shanghai und Hongkong besser ging als ihnen. Sie konnten aber nicht alle nach Hongkong oder Shanghai ziehen, also musste einfach die riesige Mehrzahl von ihnen auf eine chinesische Regierung warten, die sich endlich um sie kümmern würde.
Mao hat es geschafft, in die ländliche Bevölkerung von ganz China einen revolutionären Schwung zu bringen, der enorm viel verändert hat. Es gab schon immer, wahrscheinlich in jedem Dorf, Leute, die Lesen und Schreiben konnten. Erst unter Mao wurden dann diese Leute plötzlich aktiviert, damit alle, jung und alt, lesen und schreiben lernen konnten, oft nach einem harten Arbeitstag auf dem Feld.
Auch der erste Schritt der Landreform, wo das Land um jedes Dorf einfach an alle Dorfbewohner verteilt wurde, war einfach ein RIIEESEN-Fortschritt für ein Land wie China.
Man muss auch beachten, dass diese Massnahmen nicht irgendwie "von oben" ausgeführt wurden. Sie wurden von der kommunistischen Partei inspiriert, die Ausführung wurde aber oft den einfachen Dorfbewohnern überlassen: die kommunistische Partei hatte ja nicht genug ausgebildete Kader, um das in jedem Dorf zu machen. Einfache Dorfbewohner wurden also zu diesem Zweck zu kommunistischen Kadern ernannt. Dass die Dorfbewohner so ihr Leben selber in die Hand nehmen, war unerhört in China, und war ein enormer Schritt in Richtung weg von unbedingtem Gehorsam gegenüber der Obrigkeit und hin zu einer immer grösseren Rolle für die gesamte Bevölkerung. Diesen Prozess als "Versklavung" zu bezeichnen (siehe Philipp) ist einfach totaler Unsinn.
Auch der Professor, von dem oben die Rede ist, betrachtet die ersten Jahre der kommunistischen Revolution (von 1949 bis 1958, dem Anfang des "Grossen Schritts nach Vorne") als eine Periode, die China rasch nach vorne gebracht hat, und allgemein total positiv war. Dabei ist er überhaupt kein Verehrer von Mao, seine Familie hat ihre Privilegien verloren und war nur noch eine Bauernfamilie unter anderen, und er hatte später viel unter der Kulturrevolution zu leiden.
Ich (und wahrscheinlich die Mehrzahl der Chinesen) bin nicht mit Ingo einverstanden, wenn er sagt, dass Mao nur bis 1949 der richtige Mann war.
Der "Grosse Schritt nach Vorne" hatte dann zwar katastrophale Konsequenzen, aber war eigentlich einer guten Absicht entsprungen. Mao wollte auch die Dörfer industrialisieren, damit es schneller geht. Dass es zu einer Hungersnot kam, kommt nicht nur daher, dass so der Landwirtschaft die Arbeitskräfte entzogen wurden. Zur gleichen Zeit verkrachten sich China und die UdSSR, wodurch alle technischen Berater der UdSSR abgezogen wurden. Ausserdem gab es in Nordchina eine lange Dürre.
Nachher ging es wieder bergauf, bis zur Kulturrevolution (1966 - 1976). Diese war in grossem Masse ein Alleingang von Mao und ist sicher ein Grossteil von den "30% Schlechtes", die das heutige chinesische Regime bei Mao findet. Aber man muss auch sehen, dass es damals eine weit verbreitete Unzufriedenheit in der Bevölkerung gab, weil China eben doch nicht so egalitär wurde, wie ursprünglich versprochen. Mao war immer auf der "linken" Seite der Kommunisten, er wollte z.B. für alle die gleiche Schulbildung, während die "liberalen" (Deng Xiaoping, Liu Shaoqi) es als normal betrachteten, dass die Reichen ihre Kinder eben doch in bessere Schulen schicken konnten. Auch war für Mao eine umfassende medizinische Versorgung wichtiger als für die Liberalen.
Dieses soziale Ideal hatte nicht nur Mao. Die ausgebildeten Städter, die in der Kulturrevolution aufs Land zogen, waren teilweise (!) von dem gleichen Ideal beseelt, und haben sicher beigetragen zur Verbesserung der Lebenbedingungen auf dem Land, was sich in einer reduzierten Sterblichkeit ausdrückte. Auch hier kann nicht von "Versklavung" die Rede sein.
Wenn man den Daten der Weltbank glaubt, hatte China ausserdem zwischen 1966 und 1976 einen durchschnittlichen jährlichen Wachstum von 5%:
http://ddp-ext.worldbank.org/ext/DDPQQ/ ... ueryId=135
Es gibt also positive Aspekte in der Kulturrevolution, die jedoch aus verschiedenen Gründen systematisch verschwiegen werden. Im Westen ist man auf den Kommunismus sowieso nicht gut zu sprechen. Die heutige chinesische Regierung hat ebenfalls gute Gründe, die Kulturrevolution in möglichst negativem Licht darzustellen.
Vor allem die Landbevölkerung stand in Sachen medizinische Versorgung und Bildung wesentlich besser dar als nachher unter Deng Xiaoping, wo die Liberalen an die Macht kamen. Die Kulturrevolution wird in den chinesischen Medien also sehr negativ dargestellt, um die sozialen Schwachpunkte von Deng Xiaoping zu vertuschen. Niemand in China meint, dass die Kulturrevolution auch "70% Gutes und 30% Schlechtes" an sich habe, wie man das allgemein von Mao sagt. Die allgemeine Meinung über die Kulturrevolution ist "100% schlecht".
Ich stimme dem zwar nicht unbedingt zu, bin aber doch mindestens bei "80% schlecht und 20% gut". Die paar Vorteile wiegen in den Augen der Chinesen wenig im Vergleich zu dem damals herrschenden Chaos und dem totalen Mangel an persönlicher Freiheit: es war in jeder Hinsicht ein "totalitäres Regime".
Man kann jedoch von der Kulturrevolution eine Lehre ziehen: wenn ein Regime in den Augen der Bevölkerung nicht genug "sozial" ist und plötzlich anfängt, einen Grossteil der Bevölkerung zu vergessen, ist es leicht für jemanden wie Mao Zedong, dies auszunutzen, um an die Macht zu kommen.
Wenn Chiang Kaisheck nicht die einfachen Landarbeiter und Kleinbauern in China vergessen hätte, wären die Kommunisten nie an die Macht gekommen.
Wenn die kommunistische Regierung am Anfang der 60er Jahre ihre egalitären Versprechen besser eingehalten hätte, wäre Mao mit seiner Kulturrevolution nicht weit gekommen.
Ich finde es umso beängstigender, dass unsere Medien soziale Aspekte oft vernachlässigen. Die wirtschaftlichen und sozialen Menschenrechte werden systematisch unter den Teppich gekehrt. Tote durch Gewalt werden sorgfältig berechnet, während Tote durch fehlende Sozialpolitik einfach vergessen werden. So kommen wir nie weiter.