Politische Ziele der Zero-Covid-Politik - "Verschwörungstheorien"

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TomXian
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Re: Politische Ziele der Zero-Covid-Politik - "Verschwörungstheorien"

Beitrag von TomXian »

otternase hat geschrieben: 12.05.2022, 17:30
TomXian hat geschrieben: 12.05.2022, 16:51
Du hast den Begriff Taiwan nicht erwähnt, aber gemeint?
Jein
Vorrangig dachte ich zwar in der Tat an Taiwan, aber nicht nur. Es gibt weitere Grenzkonflikte Chinas, denkbares Szenario könnte aber auch ein interner Bürgerkrieg sein. Vielleicht auch eine Mischung aus Beidem: zB eine Farbenrevolution in Kasachstan (Anfang des Jahres gab es da ja bewaffnete Aufstände), die über die Grenze nach Xinjiang überschwappt, muslimische Aufstände dort, die militärisch niedergeschlagen werden müssen und in der Folge ausländische Einmischung durch Handelssanktionen gegen China durch arabische und/oder westliche Staaten…
Nur als Beispiel.
Momentan ist Hongkong ruhig, aber potentiell hätten die Demonstrationen dort auch in einen militärischen Konflikt ausarten können…
Oder vielleicht sogar ein Konflikt, in den China nur reingezogen wird, zB Nordkorea-USA…
TomXian hat geschrieben: 12.05.2022, 16:51
treibt die Kosten einer Taiwan-Invasion durch die zu erwartenden Sanktionen auf eine Höhe, bei der selbst Xi abwinkt.
Vermutlich ist das so, aber es ist nicht zwingend, dass Xi hier die freie Wahl haben wird. Bevor es zu einem bewaffneten Konflikt kommt, gibt es fast immer eine beidseitige Eskalation, deren Spin nicht eine Partei allein bestimmen kann!
Bürgerkrieg, (Konter-) Revolution ... huch!

Was eine "Revolution" angeht, hat Franka Lu [veröffentlicht in der FAZ und in der ZEIT] mal mit Sozialwissenschaftlern zusammengetragen, dass Chinesen im Grunde [gewollt] unpolitisch sind, über politische Prozesse und Entscheidungen in der Regel nicht informiert sind und deshalb die Beurteilung Beijings nur an der eigenen Lebenssituation festmachen.
Für sie folgte daraus, dass

a) weniger als 10% tatsächlich solidarisch mit der Führung in Beijing sind
b) 10-15% Beijing so lange die Stange halten, solange die eigene [Einkommens-] Entwicklung keinen größerer Schaden nimmt
c) die Masse (75%) von Beijing nichts erwartet und insoweit Beijing auch nicht beurteilt, es sei denn, die Lebenssituation würde sich deutlich ändern

Laut Franka Lu sind diese 75% die eigentliche Gefahr für Beijing und gleichzeitig die mit dem größten Toleranzspielraum.

Sollte hier die Minimalerwartung, dass man die Familie durchbringt, also den Kindern eine Ausbildung ermöglicht, den Älteren das Essen und die Gesundheitsvorsorge finanziert, nicht mehr erfüllt werden, käme es schnell zu großen Unruhen.

Franka sagt aber selbst, dass Beijing leicht in der Lage wäre [100 Mrd RMB, <1% BIP] durch Geld schlimmeres zu verhindern.

Anders wäre es, wenn Versorgungsengpässe bei Strom, Gas oder Lebensmitteln einträten.
Bei Strom (Australien, Importstopp) wäre bereits sichtbar geworden, dass Beijing den Bogen überspannt hat und - vor allem im Süden - in den Orten, in denen lange nur an 2-3 Tagen pro Woche noch Strom verfügbar war, die Führung Beijings von allen Schichten angezweifelt wurde.

Beijing wird sich deshalb möglicherweise künftig davor hüten, solche Fehler zu wiederholen.

Allerdings könnten die NULL COVID Maßnahmen genau in diese Richtung führen und Versorgungsengpässe hervorrufen.

Dass Xi keine Wahl mehr hat und aus Gründen der Selbstverteidigung, Humanität und um einen Genozid an Chinesen auf Taiwan zu verhindern ... also ähnlich Russland ... zu militärischen Maßnahmen gezwungen wird, halte ich für ausgeschlossen.

Weder Japan noch die USA oder gar Taiwan werden China militärisch bedrängen oder gar angreifen.
Alle drei werden und können auch keinen Wirtschaftskrieg beginnen, der Xi keine Wahl lässt, weil er darum fürchten muss, seinen Kaiserstatus zu verlieren.
Der Kriegsverbrecher, Massenmörder und Kleptokrat Putin und seine Entourage gehören verhaftet, verurteilt und hinter Gitter mit anschließender Sicherheitsverwahrung, bis sie in völliger Bedeutungslosigkeit unbeachtet endlich aus dem Leben scheiden.
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Re: Politische Ziele der Zero-Covid-Politik - "Verschwörungstheorien"

Beitrag von sweetpanda »

Buddhabrot hat geschrieben: 12.05.2022, 17:40
Woher beziehst du eigentlich dein Wissen?
Politikwissenschaften studiert oder militärische Ausbildung?
Burki tue nicht so als ob dir das nicht alles bekannt sei.
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Re: Politische Ziele der Zero-Covid-Politik - "Verschwörungstheorien"

Beitrag von otternase »

sweetpanda hat geschrieben: 12.05.2022, 17:38 Ein erfolgreiche demokratische Ukraine ist für Russland eine echte Gefahr.
nein, eine erfolgreiche, demokratische Ukraine wäre für Russland keine Gefahr, zumindest jedenfalls kein Kriegsgrund gewesen.
Eine militärische Westorientierung, ein Osterweiterung der NATO in die Ukraine, eine wirtschaftliche Westorientierung, also eine Anbindung der Ukraine an die EU, das sind Gefahren für Russland! Der Krieg in der Ukraine wäre leicht vermeidbar gewesen, wenn die NATO die Westgrenze der ehemaligen Sowjetunion als Ostgrenze jeglichen eigenen Engagements akzeptieren würde und die EU statt einer Anbindung der Ukraine ein Handelsabkommen mit dem Commonwealth of Independent States (Armenia, Azerbaijan, Belarus, Georgia, Kazakhstan, Kyrgyzstan, Moldova, Russia, Tajikistan, Turkmenistan, Ukraine, and Uzbekistan) angestrebt hätte!
sweetpanda hat geschrieben: 12.05.2022, 17:38 Der Kosten Nutzen einer Taiwaninvasion ist katastrophal.
TomXian hat geschrieben: 12.05.2022, 18:32 Weder Japan noch die USA oder gar Taiwan werden China militärisch bedrängen oder gar angreifen.
Alle drei werden und können auch keinen Wirtschaftskrieg beginnen, der Xi keine Wahl lässt, weil er darum fürchten muss, seinen Kaiserstatus zu verlieren.
hoffentlich! Aber nicht vergessen: Taiwan stand in den 1980ern kurz davor, eine eigene Atombombe zu haben ( https://www.nzz.ch/international/nur-ei ... duced=true ) und es gab immer wieder von diversen Geheimdiensten die Behauptung, dass Taiwan an biologischen und chemischen Waffen forsche ( http://www.taipeitimes.com/News/editori ... 0000098097 ). Auch wenn Taiwan in den letzten Jahrzehnten eine Entwicklung zu einer Demokratie durchlaufen hat, würde ich grundsätzlich die Gefahr einer von Taiwan ausgehenden militärischen Eskalation nicht vollständig ausschliessen!
Bei Japan und den USA habe ich da natürlich mehr Vetrauen, dass die es nicht zu einem direkten militärischen Konflikt mit China kommen lassen werden, aber die USA haben eine lange Tradition, Stellvertreterkriege anzuzetteln...

Allgemeiner gesprochen:
wenn wir die Zero-Covid-Lockdowns mal als eine quasi-militärische Übung betrachten, dann muss man bedenken, dass Staaten militärische Übungen nicht zwingend nur deshalb durchführen, weil sie einen Angriff planen, sondern auch, wenn sie sich bedroht fühlen oder befürchten, in Zukunft bedroht zu werden, und sich auf eine Verteidigungssituation vorbereiten wollen!
Das bedeutet, dass die Lockdowns als Übung einer Kriegswirtschaft auch dann eine Erklärung sein könnten, wenn Xi Jinping keinen Angriff auf einen anderen Staat plant!
TomXian hat geschrieben: 12.05.2022, 18:32Bürgerkrieg
ich befürchte, dass Deine Gedanken hierzu auf den Kernbereich Chinas zutreffen, wo auch die Mehrheit der Bevölkerung lebt, dass es aber auch andere Regionen gibt.

2008 zum Beispiel gab es Aufstände in Tibet, die aus dem Ausland initiiert wurden ( https://www.spiegel.de/geschichte/aufst ... 97895.html ), aber sehr schnell niedergeworfen wurden, weil sie zu unorganisiert waren. Das könnte bei Wiederholung anders sein.
Seit 2009 ( https://www.start.umd.edu/gtd/search/In ... 0907050020 ) hat es jedes Jahr mindestens einen Terroranschlag oder Aufstand einer uigurischen Terrorgruppe gegeben, sehr oft involviert die Islamische Turkestan-Partei. Diese Terrorgruppe ist im gesamten zentralasiatischen Raum aktiv und es gibt handfeste Indizien, dass sie von den USA unterstützt wird...

In diesem Kontext halte ich ein Ereignis für relevant, was in der Presse in Europa zwar Erwähnung fand, aber nicht allzuviel Diskussion auslöste, aber möglichweise für die chinesische Regierung extrem relevant war und als bedrohlich betrachtet wurde, der Aufstand in Kasachstan Anfang Januar diesen Jahres ( https://de.wikipedia.org/wiki/Unruhen_i ... hstan_2022 )
Sehr viel deutet darauf hin, dass dies ein aus dem (westlichen und arabischen) Ausland gesteuerter Aufstand mit den Charakteristiken der "Farbenrevolutionen" war.
Ich könnte mir vorstellen, dass in China die Gefahr sehr ernstgenommen wurde, dass ähnlich wie die Jasminrevolution 2010 in Tunesien in ganz Nordafrika und Arabien auch eine Revolution in Kasachstan sich zu einem Flächenbrand in Zentralasien ausweiten könnte, in welchen China hineingezogen werden könnte, sei es nur in Form des wirtschaftlichen Verlustes der Errungenschaften von Road and Belt, sei es in Form eines Grenzkonflikts, sei es aber insbesondere in Form einer Ausweitung auf Xinjiang. An dem Aufstand in Kasachstan waren unter anderem afghanische Islamisten beteiligt. Ich denke nicht, dass diese Terroristen an der chinesischen Grenze stoppen würden...

Persönlich glaube ich, dass sogar der Ukraine-Konflikt mit diesem Aufstand in Verbindung stehen könnte, er könnte in Putin die Angst vor einem "Zwei-Fronten-Krieg", mit gleichzeitig einem Engagement in Zentralasien und in Osteuropa, geschürt haben und daher bei ihm den Entschluss ausgelöst haben, die "Westfront" durch einen "Blitzkrieg" entschärfen zu wollen, solange sich die islamistischen Terroristen im Osten erst wieder neu sammeln und organisieren müssen...
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Re: Politische Ziele der Zero-Covid-Politik - "Verschwörungstheorien"

Beitrag von sweetpanda »

@Otternase, kann es nicht einfach daran liegen, dass sowohl Weißrussland als auch Kasachstan nach jahrzehntelanger Diktatur einfach mal reif waren für Umsturzversuche?
Bei den ganzen "Umstürzen" die angeblich vom Westen gesteuert sind überschätzt man sicher auch deren Möglichkeiten.
Man versucht da oft Wellen mit zu reiten, doch wie viel Einfluss hat ein Surfer den auf die Welle?
Der unwissende Beobachter ist beindruckt wie das Meer sich absichtlich hinter den Surfer aufbaut und ihn schiebt damit er gut aussieht.
Aber ohne Surfer gäbe es die Welle trotzdem aber ohne Welle würde der Surfer hilflos im Wasser paddeln.

Autokratien sind auf den ersten Blick hin sehr stabil sie sind unverrückbar, daher aber auch spröde wie Glas, wenn man da irgendwo einen Millimeter bewegt zerspringt das ganze Gebilde in Tausend Teile. Die Strukturen sind völlig inflexibel.
Demokratien sind eher wie eine ganz weiche Gummimasse , du kannst sie Schubsen, Quetschen, Formen doch sie weichen immer wieder aus finden neue Antworten auf schwierige Fragen, es gibt nicht den einen entscheidenden Schwachpunkt, sie behalten immer ihre Grundstruktur.
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Re: Politische Ziele der Zero-Covid-Politik - "Verschwörungstheorien"

Beitrag von otternase »

sweetpanda hat geschrieben: 15.05.2022, 09:27 @Otternase, kann es nicht einfach daran liegen, dass sowohl Weißrussland als auch Kasachstan nach jahrzehntelanger Diktatur einfach mal reif waren für Umsturzversuche?
Bei den ganzen "Umstürzen" die angeblich vom Westen gesteuert sind überschätzt man sicher auch deren Möglichkeiten.
offenbar waren Weißrussland und Kasachstan ja nicht reif für einen Umsturz, die Versuche sind ja (zum Glück) gescheitert!
In jedem Staat gibt es oppositionelle Kräfte, in autokratischen Staaten und manchen Demokratien auch solche, die eine Revolution anstreben. Zumeist eng verbunden mit Exilanten. Solche von aussen gesteuerten Umsturzversuche bauen auf diese existierenden Strukturen auf. Da, wie @TomXian schon richtig schrieb, die große Mehrheit mit Politik wenig am Hut hat (gilt eigentlich überall), muss für einen Umsturzversuch keineswegs eine Mehrheit der Bevölkerung Veränderung wollen. Es reicht, eine kleine, aber laute, gewaltbereite und organisiert vorgehende Minderheit zusammenzustellen.
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Re: Politische Ziele der Zero-Covid-Politik - "Verschwörungstheorien"

Beitrag von sweetpanda »

Wer in Weißrussland und Kasachstan eingegriffen hat ist ja wohl keine Geheimnis. Ohne Russland wären da schon lange Demokratien geworden, schon vor 10 Jahren.
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Re: Politische Ziele der Zero-Covid-Politik - "Verschwörungstheorien"

Beitrag von otternase »

sweetpanda hat geschrieben: 16.05.2022, 17:43 Wer in Weißrussland und Kasachstan eingegriffen hat ist ja wohl keine Geheimnis. Ohne Russland wären da schon lange Demokratien geworden, schon vor 10 Jahren.
1) naja, es hat in Kasachstan nicht nur Russland eingegriffen, sondern auch Armenien, Kirgisistan und Tadschikistan. Aus gutem Grund, weil eben auch dort Angst vor Aufständen von islamistischen Radikalen besteht.

2) sicher möglich, dass dort ohne Russland schon viel früher Aufstände ausgebrochen wären. Ob die in einer Demokratie geendet wären, oder aber in einem Krieg/Bürgerkrieg oder aber in einem zweiten Mullahstaat wie Iran oder zweiten Talibanstaat wie Afghanistan, das wage ich nicht zu beurteilen. Ich halte die Wahrscheinlichkeit jedoch für hoch, dass die Bevölkerung nicht unbedingt gewonnen hätte---
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Re: Politische Ziele der Zero-Covid-Politik - "Verschwörungstheorien"

Beitrag von cayman »

wo sind eigentlich Ingo_001 und sweetpanda ?
Anstatt zu klagen was ihr wollt, solltet ihr dankbar sein, dass ihr nicht all das bekommt, was ihr verdient
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Re: Politische Ziele der Zero-Covid-Politik - "Verschwörungstheorien"

Beitrag von Petermedia »

cayman hat geschrieben: 29.12.2022, 05:38 wo sind eigentlich Ingo_001 und sweetpanda ?
Erst Mal danke dass du den Faden wiederbelebt hast.

Ja gerade zu @sweet 🐼 hatte ich immer, trotz teilweise grossen politischen Differenzen, ein gutes Verhältnis. Zumal sweet Panda ja auch von seiner medizinischen Vorgeschichte geschrieben hat und dann ganz plötzlich ohne Streit verschwunden ist.
Ich hoffe dass es ihm gesundheitlich gut geht.
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Re: Politische Ziele der Zero-Covid-Politik - "Verschwörungstheorien"

Beitrag von TomXian »

ja, ich vermisse auch die meist nicht-so-langen, dafür aber pointierten Beiträge von sweetpanda.
Sein "Verschwinden" empfinde ich auch als seltsam, weil es einer Zeit geschah, wo es sehr spannend für ihn war (Russland eine Niederlage nach der anderen einstecken musste).
Der Kriegsverbrecher, Massenmörder und Kleptokrat Putin und seine Entourage gehören verhaftet, verurteilt und hinter Gitter mit anschließender Sicherheitsverwahrung, bis sie in völliger Bedeutungslosigkeit unbeachtet endlich aus dem Leben scheiden.
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Re: Politische Ziele der Zero-Covid-Politik - "Verschwörungstheorien"

Beitrag von otternase »

es ist jetzt ziemlich genau ein Jahr vergangen, seit dem ich diesen Thread eröffnet hatte, das will ich mal zum Anlass nehmen, die Frage nach den politischen Zielen erneut zu stellen.

Damals hatte ich ja zwei Fragen in den Raum gestellt:
- was bezweckt China mit der fortgesetzten Zero-Covid-Strategie?
- gibt es eine Exit-Strategie, und wenn ja, wie sieht die aus?

Wenn man nun schaut, was sich im letzten Jahr getan hat, und speziell im letzten Monat, sieht das erstmal nicht nach einer Strategie aus, sondern wirkt eher, als habe die Regierung Chinas gar keine Strategie ausser "weiter so" gehabt, und sei dann von Protesten getrieben in einen strategiefreien plötzlichen Exit getrieben worden. Und das würde auch bedeuten, dass die Ziele, welche es auch immer waren, nicht erreicht wurden, sondern aufgegeben werden mussten...

Ich möchte dem nun aber eine andere Interpretation der Dinge gegenüberstellen. Im Gegensatz zu zuvor habe ich inzwischen eine deutlich bessere Meinung zum Agieren Chinas in dieser Krise und habe das Gefühl, dass China vielleicht sogar einen sehr guten Weg gewählt hat (wenn auch nicht den bestmöglichen, so doch einen besseren als viele europäische Staaten...)

Ganz am Anfang, als man noch nichts über Corona wusste, war es sicher kein Fehler, auch radikale Massnahmen wie Zero-Covid zu erlassen, um eben auf Nummer Sicher zu gehen, der Einstieg in Zero-Covid in China war daher kein Fehler.
Dass es meiner Ansicht nach besser gewesen wäre, nach den Erfahrungen mit der ersten Welle auf eine andere Politik umzusteigen, nämlich "focused protection" der Risikogruppen und ansonsten Durchseuchung, steht auf einem anderen Blatt,

aber solange noch, zumindest für größere Gruppe gefährlichere, aber gleichzeitig nicht so hochansteckende Varianten (Alpha, Delta) umliefen, war Zero-Covid auch ohne übermäßige Belastungen durchsetzbar.

@Petermedia schrieb hier mal, dass die ersten zwei Jahre in Hinblick Corona-Massnahmen in China tatsächlich "freier" waren als in Deutschland, wo ständig andere Regeln galten, wo es Ausgangssperren, Tanzverbote, Schulschliessungen, Impfzwang gab, wo Spielplätze und Parkbänke abgesperrt wurden, wo Familien von der Polizei vom Rodelhügel vertrieben wurden oder Jugendliche mit dem Streifenwagen durch den Park gejagt wurden und gar private Treffen in der eigenen Wohnung untersagt wurden (und "Blockwarte" "Meldung" machten!)

viewtopic.php?p=390307#p390307
Petermedia hat geschrieben: 22.05.2022, 23:24 Noch im März 2001 würde eine Bekannte die ihren Geburtstag mit vier Menschen aus drei Haushalten gefeiert hatte bestraft.
Die vier mussten 2000 Euro bezahlen.
In Shanghai hatte ich zu der Zeit ein ziemlich unbeschwertes Leben geführt.
Gym Restaurant Club Freizeitpark alles war offen. Einzig in Ubahn und Krankenhäusern war Maskenpflicht.
viewtopic.php?p=390491#p390491
Petermedia hat geschrieben: 12.06.2022, 20:44 Als ich das vorletzte mal Anfang 2021 in China eingereist bin war hier in D schon 4 Wochen Lock down.
Lock down keine Weihnachtsmärkte, das Treffen mit zwei Freunden schon konspirativ illegal.

Der Eintritt in die Shanghai Bubble war wirklich dystopisch , aber nach den damaligen 2 Wochen Quarantäne stürzte ich mich ins pralle Leben. Hotpot Gym, wuselige Malls etc.
Einzig der manchmal verlangte grüne QR, meisten mache man sich am Morgen einen Screenshot, und die Maskenpflicht in der Metro erinnerten an COVID.
Als ich dann im April in Frankfurt ankam war es
Auch dystopisch. Less leer. Da es ja auf dem Flieger nichts anständiges zu gab holte ich mir erst mal im A terminal eine Pommes.
Anders als im 2000 Lock down waren nun alle Sitzgelegenheiten abgebaut.
Als ich da so mit meiner Pommes auf'm Koffer saß kam dann noch die Polizei und mopperte mich an, dass ich hier nicht sitzen dürfte.
Erst Omikron war der "Game-Changer", die nun viel ansteckendere, aber gleichzeitig harmlosere Variante änderte die Situation. Nun war es schwierig bis unmöglich, einen Ausbruch unter Kontrolle zu bekommen, die Belastungen für die Bevölkerung für die Zero-Covid-Massnahmen wurden extrem und manchmal sogar tödlich, die Wirtschaft wurde schwer geschädigt...

Nun eine plötzliche Öffnung durchzuziehen, erscheint mir da nur sinnvoll. Bei Omikron wird sich auf jeden Fall praktisch jeder infizieren. Je mehr sich gleichzeitig infizieren, umso schneller ist der Zustand der Durchseuchung erreicht, umso geringer sind die negativen Auswirkung zB. durch Krankheitsausfälle in den Betrieben! Die massive Welle derzeit in China ist im Prinzip ein sehr erfreuliches Zeichen, bedeutet es doch, dass vielleicht schon vor dem 1. Mai Corona in China kein Thema mehr sein wird! Das erscheint mir eine weitaus bessere Aussicht zu sein als sich ewig hinziehende Massnahmen und ständig geringere, aber nicht vernachlässigbare Infiziertenzahlen in Deutschland!

Insoweit scheint mir China vielleicht doch mehr richtig gemacht zu haben, als man zunächst denken könnte! Zumindest in den ersten zwei Jahren und jetzt seit November/Dezember.

Fragwürdig hingegen ist die chinesische Politik weiterhin im Zeitraum zwischen Frühjahr, so ab großem Lockdown in Shanghai, bis eben November! Spätestens nach den Erfahrungen des Shanghai-Lockdowns, der gleichzeitig deutlich gemacht hat, dass Omikron nicht mehr einzufangen ist und dass die Kosten und Lasten durch Zero-Covid ins Unermessliche steigen, wäre ein Politikwechsel angesagt gewesen!

Die ursprünglich gestellte Frage muss also nun umformuliert werden:
Welche Ziele hat die chinesische Regierung mit dem Herauszögern der Öffnung um rund ein halbes Jahr verfolgt?

Das naheliegende Ziel war sicher, vor dem Parteitag im Oktober keine Unruhe in der Bevölkerung entstehen zu lassen, diesen Parteitag noch unter Zero-Covid-Bedingungen durchzuziehen. Im Hintergrund vermute ich, dass es insbesondere auch darum ging, innerparteiliche Opposition in der KPCh zu unterdrücken.
Aber ich vermute, dass es noch weitere Ziele gab und gibt: gerade die Tatsache, dass ausgerechnet Xinjiang, und dort die Hauptstadt Wulumuqi die längsten Lockdowns hatte, scheint mir kein Zufall zu sein.

Ich persönlich vermute einen engen Zusammenhang mit den Unruhen in Kasachstan im Januar diesen Jahres (siehe zB. https://www.tagesschau.de/ausland/asien ... e-113.html ) Dieser (zum Glück gescheiterte) Aufstand hatte das Potential, auch auf das direkt benachbarte (~300km) Xinjiang überzugreifen, und hätte gerade für muslimische Extremisten ein Nährboden sein können, um Terroristen in China zu installieren und für die Idee eines islamistischen Gottesstaates Ostturkestan zu werben. Die Aufstände in Kasachstan waren ziemlich deutlich aus dem Ausland angezettelt und unterstützt, ein strenger Lockdown dürfte daher als Abwehrmassnahme gegen ein Übergreifen nach Xinjiang eine ziemlich naheliegende Massnahme gewesen sein... Die Frage wäre nun nur, warum China dieses Risiko nun nicht mehr sieht?
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Re: Politische Ziele der Zero-Covid-Politik - "Verschwörungstheorien"

Beitrag von Petermedia »

Eigentlich will ich nur einmal kurz meine Sicht der Dinge Darlehen.
Erst einmal, wie in so vielen Ländern sehe ich da keine wirkliche Planung,sondern eher Gelegenheit macht Diebe.
Am Anfang haben die lokalen Kader aus Angst vor der Zentralregierung typisch versagt.
Auch Beijing hat durch unnötiges Vorglühen wertvolle Zeit vertan.
Ich glaube aber trotzdem nicht, dass die Pandemie in einem westlichen Staat quasi politisch verhindert worden wäre.
Trump beispielsweise hätte wohl erst Mal solange Schuldzuweisungen zugeteilt bis die Pandemie nicht mehr aufzuhalten gewesen wäre.
Später hat die Zentralregierung ziemlich genau nach Lehrbuch gearbeitet, und war damit wohl zumindest in China erfolgreich.
Das ging zwei Jahre mehr oder weniger gut.
Darüber hinaus könnten politische Ziele auf die Agenda gesetzt werden, die selbst in China nicht so leicht durchzusetzen gewesen wären.
Ich bin der festen Meinung dass spätestens im Sommer 2021 zwei Fraktionen in der KP gab.
Spätesten da wurden die Kolateralschäden sichtbar.
Aber erst das Aufkommen von Omicron war dann letztendlich der Gamechanger.
Es war fast allen Wissenschaftlern klar, dass " Zero COVID" auf Dauer nicht zu halten war.

Als dann im Februar Hongkong fiel hat man HK glaube ich als role model ganz genau angesehen.
Die bivalents Hongkong Singapur ist der Mikrokosmos China / Westen.
Hongkong litt immer mehr an Zero COVID.
Als das Experiment dann zwar auf Kosten von Alten recht erfolgreich umgesetzt wurde und HongKong mit dem Gröbsten nach zwei Monaten durch war, war klar, dass sich auch in mainland Zero COVID maximal 1 Jahr halten kann.
Dazu trug auch der unsägliche Lockdown in Shanghai bei.
Es wurde klar das die Belastungsgrenze sowohl ökonomisch als auch politisch erreicht war.
Hinzu kamen immense direkte Kosten für immer unsinnigere Testerei die einige Städte in arge wirtschaftliche Bedrängnis brachten, zumal nach Shanghai folgte Hainan und dann etliche Teil Lockdowns in ganz China.
Letztendlich glaube ich wirklich, dass sich die Fraktion um XI völlig der Realität verschlossen hatte.
Spätestens im November war klar dass der Krieg verloren war und ich glaube man hat in Beijing einfach entschieden " Warum nicht jetzt"
Zwar sprechen die Wintermonate eher gegen eine Öffnung im Dezember, aber tatsächlich dürfte der saisonale Effekt gerade bei hoher Bevölkerungsdichte eher überschätzt werden.
Ökonomisch macht es Sinn.
Ist doch die Wirtschaftsleistung gerade Mitte Dezember bis Mitte Februar CNY bedingt eher gering.
Mit der Öffnung im Dezember ist wahrscheinlich zudem sicher gestellt das ein Großteil der Menschen nach CNY wieder gesund zur Arbeit erscheint.
Das klingt zynisch ist aber meines Erachtens Realität.
Auch der psychologische Moment ist nicht zu vergessen.
Für viele Chinesen hat der Beginn des neuen lunar Jahr auch eine tiefe emotionale Bedeutung.
Die Geschichtenschreiber werden dann folgendes Narrativ ausgebreitet haben.
Das Jahr des Hasen wird das Jahr sein als wir die Pandemie hinter uns gelassen haben, und das ist gut so.
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Re: Politische Ziele der Zero-Covid-Politik - "Verschwörungstheorien"

Beitrag von otternase »

ich stimme Dir fast 100% zu, mit Ausnahme eines Punktes:
Petermedia hat geschrieben: 11.01.2023, 11:16 Auch Beijing hat durch unnötiges Vorglühen wertvolle Zeit vertan.
Ich glaube aber trotzdem nicht, dass die Pandemie in einem westlichen Staat quasi politisch verhindert worden wäre.
Trump beispielsweise hätte wohl erst Mal solange Schuldzuweisungen zugeteilt bis die Pandemie nicht mehr aufzuhalten gewesen wäre.
ja, China mag am Anfang wertvolle Zeit durch mangelhafte Kommunikation verloren haben. Aber spätestens zum chinesischen Neujahrsfest Ende Januar 2020 war doch der Sachverhalt international bekannt.
Trump hat da immerhin schon reagiert und am 31.1.2020 eine Einreisesperre aus China erlassen. Das war wohl noch immer zu spät und zu wenig. Aber weitaus schneller und mehr, als das, was andere Staaten getan haben!
In Spanien zum Beispiel hat sogar die Regierung noch am Internationalen Frauentag, dem 8. März, selbst Großveranstaltungen organisiert, in Bayern wurden noch am 15. März die Kommunalwahlen ohne Vorsichtsmassnahmen durchgeführt, ein Einreiseverbot aus China nach Deutschland wurde erst am 17. März erlassen!
Die einzige Partei, die damals schon frühzeitig in Deutschland Massnahmen gefordert hat, war die AfD! Siehe zB. diese Kleine Anfrage vom 28. Januar:
https://afd-fraktion.nrw/2020/01/28/das ... ng-in-nrw/
Damals wurde die AfD für die Forderung nach Einreisekontrollen als "fremdenfeindlich" beschimpft.

Es stimmt also wohl, dass China früher hätte warnen können, aber dass in Europa nach Wissen über die Gefahr noch sechs Wochen lang gezögert wurde, Massnahmen zu ergreifen, war ein Versagen der europäischen Politiker und kann nicht China vorgeworfen werden.
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