COVID, wind of change.

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Petermedia
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Re: COVID, wind of change.

Beitrag von Petermedia »

Nachtrag für Freitag.
Tatsächlich scheint die Stadt bzw Beijing die Zero COVID Strategie bis zum Ende durchziehen zu wollen.
Mittlerweile sind mehrere Bekannte in Quarantäne Lagern.
Zumindest in meinem Umfeld sind alle der facto in Quarantäne, wobei etwa die Hälfte sich zumindest im Compound bewegen können, auch wenn er nicht verlassen werden kann.

https://mp.weixin.qq.com/s/zjaeXFE9Z5Ia1434y-Cmyg
Momentan habe ich keine Ahnung wie man die Stadt wieder in einen Normalzustand bringen will.
Für viele war der Deal, die ganzen Einschränkungen die ein Leben in der Blase mit sich brachte gegen die Freiheit in der Blase aufzurechnen.
Ein guter Indikator ist dabei ob Gym's oder Clubs offen sind.
Irgendwie habe ich die Befürchtung das es darauf hinaus läuft, dass Einschränkungen wie wir sie vor einem Jahr hatten das Leben zumindest für die nächsten Monate bestimmen wird.
Ich kann mir momentan kaum vorstellen, dass dieses Jahr die Einreise/Visabestimmungen vereinfacht werden.
Wie ich schon sagte, haben auch viele Chinesen mehr Panik vor dem Test und dem Quarantänezentrum als vor COVID selbst.
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Re: COVID, wind of change.

Beitrag von Petermedia »

Mal ein selten objektiver Beitrag der deutschen Fernsehens zur aktuellen Situation in Shanghai.

https://www.youtube.com/watch?v=ox7tCIz_Skg
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wingtsun
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Re: COVID, wind of change.

Beitrag von wingtsun »

Netter Bericht… wie lange soll das noch weiter gehen :cry:
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Re: COVID, wind of change.

Beitrag von Asgaros »

Ja, wie lange soll das noch weitergehen. Scheinbar endlos.

Hier in Pudong (Chuansha) werden mittlerweile ganze Straßen verbarrikadiert, obwohl seit Tagen keinerlei Fälle mehr gemeldet werden. Auch werden zum Teil ganze Compounds in Quarantäne-Zentren gebracht, selbst wenn die Bewohner alle negativ sind. Und dann schaut man sich die Zahlen an und stellt fest, dass sich fast 20 Tausend Fälle am Tag in Zentral-Quarantäne infizieren und nur ein paar wenige Fälle in freier Wildbahn. Was passiert hier?

Was mich aber positiv stimmt: Gestern wurden wohl fast 20 Fälle zufällig in Peking entdeckt, ohne dass sich diese Fälle auf vorherige Fälle zurückführen lassen. Unter anderem gab es Fälle in Schulen, Touristengruppen, etc - und diese Fälle sind wohl seit über einer Woche unentdeckt geblieben. Dies bedeutet, dass wohl Omikron auch in der Hauptstadt schon ordentlich wütet. Genauso fing es auch in Shanghai an. Für viele Shanghainesen wäre es eine Genugtuung, wenn Beijing jetzt ihre eigene Medizin zu schmecken bekommt.
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Re: COVID, wind of change.

Beitrag von sweetpanda »

Asgaros hat geschrieben: 24.04.2022, 04:11 Und dann schaut man sich die Zahlen an und stellt fest, dass sich fast 20 Tausend Fälle am Tag in Zentral-Quarantäne infizieren und nur ein paar wenige Fälle in freier Wildbahn. Was passiert hier?
Das sind die Folgen wenn man hemmungslos alles durchboxt was die Führung irgendwann mal ausgegeben hat. Da gibt es kein Korrektiv an der Basis, das mal drei Schritt Abstand nimmt und über neue Lösungen findet.

Damals war es natürlich viel schlimmer weil es Millionen Leben kostete, aber irgendwie erinnert es an den "Großen Sprung nach vorne" zu Maos Zeiten.

Die Spitze propagierte, dass man Weizen, Mais usw. zur Ertragssteigerung zehnmal so dicht pflanzen sollte. Jeder Bauer wusste aus Erfahrung, dass dies in der Form Blödsinn ist, als Mao dann Felder inspizierte hat man Pflanzen von anderen Felder abgeschnitten und vorsichtig in den Vorzeigefeldern in den Boden gesteckt. Das Ganze konnten dann für Stunden gewaltiger Erträge vorgaukeln bis die Halme tot umfielen.

Was der Boss sagt und will muss mit eisernem Willen durchgezogen werden egal wie unrealistisch und schädlich es auch sein mag.
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Re: COVID, wind of change.

Beitrag von Petermedia »

Mal was positives in diesen dunklen Zeiten.

Wohl als Konsequenz aus der Öffnung von Singapur, aber auch auf die erwartete weitere Verschärfung der Zero Covid Strategie in China, hat Hongkong beschlossen die Grenzen für
NICHT Residenten im Mai zu öffnen.
Dazu muss man wissen, dass es eigentlich die oberste Priorität war den Quarantänefreien oder zumindest vereinfachten Übertritt zwischen HK und Mainland zu ermöglichen.
In HK rechnet zumindest mittelfristig niemand mehr damit, dass dies mittelfristig passiert.

Auch wenn noch sieben Tage Quarantäne nötig sind ist dies zumindest ein Fortschritt, von dem Reisende nach China nur träumen können.

https://www.bloomberg.com/news/articles ... from-may-1
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wingtsun
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Re: COVID, wind of change.

Beitrag von wingtsun »

Buddhabrot hat geschrieben: 24.04.2022, 17:01 Solange Januar 2023 wieder offen ist, ist es mir egal.
Was ist dann?
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Re: COVID, wind of change.

Beitrag von TomXian »

Asgaros hat geschrieben: 24.04.2022, 04:11 Ja, wie lange soll das noch weitergehen. Scheinbar endlos.
Dies ist in diesem Jahr sicher eine der zentralen Fragen, nicht nur in und über China, sondern auch für die Weltwirtschaft.

Zunächst dürfte über eines doch Konsens herrschen: Eine Pandemie wird durch die Immunisierung der Bevölkerung überwunden.
Dies ist seit Jahrhunderten so und zu Zeiten, zu denen man noch keine Impfstoffe o.ä. hatte, war dies oft mit einem sehr hohen, dramatischen Bevölkerungsrückgang verbunden.

Wirksame Impfstoffe führen auch bei COVID aus der Pandemie. Viele Staaten haben mittlerweile eine zumindest befriedigende Impfquote (rund 80% oder besser), wirksame Impfstoffe wurden verimpft und aufgefrischt (geboostert), so dass eine Grundimmunisierung der Bevölkerung vorliegt.
Die meisten Staaten erlauben deshalb nun die "Durchseuchung" der Bevölkerung, da Geimpfte kaum schwere Folge zu erwarten haben und die Impfverweigerer immer noch ihr Sterberisiko durch eine Impfung drastisch senken können.

An Großbritannien oder auch Deutschland kann man dies in diesen Wochen gut ablesen. Nach Rekordwerten von weit über 200.000 Neuinfizierten täglich, sind diese Werte inzwischen um 80-90% zusammengebrochen, obwohl alle Beschränkungen und der Maskenzwang entfallen sind.

In Deutschland ist mittlerweile ein Drittel der Bevölkerung an COVID infiziert und genesen!

Setzt sich diese Tendenz fort - was zu erwarten ist - wird COVID in seinen jetzigen Ausprägungen in Ländern mit befriedigender Quote wirksamer Impfungen überwunden sein.

Anders in China.

Sicher, im späten Frühjahr 2020 "glänzte" die totalitäre Parteidiktatur aus Beijing damit, dass es ihr gelungen war, mit Polizei und Militär - also mit Gewalt - die ganze Stadt Wuhan mit Vororten (16 Millionen Einwohner) komplett zu isolieren und ihrem Schicksal zu überlassen. Wir alle erinnern uns an die verstörenden Bilder aus jener Zeit und auch an die primitiven Ausstattungsstandards der Krankenhäuser, wo manche ihren Schutzanzug aus Plastiktüten des letzten Einkaufs zusammenklebten.

Anderen Städten erging es nicht besser. Zugleich - und bis heute gültig - darf fast niemand mehr in China einreisen, Ausreisen werden massiv behindert, Reisepässe an Chinesen werden nicht mehr ausgestellt.

Heute - 2 Jahre später - ist dies immer noch die sagenumwobene "Strategie".

Jeder, der bis fünf zählen kann, wird dem entgegenhalten, dass die Chinas ZERO COVID Strategie gescheitert ist und auch nur scheitern konnte, weil man zum einen eine so große Anzahl von Menschen nicht dauerhaft vom Rest der Welt isolieren kann und zum zweiten - was noch viel wichtiger ist - jedes Virus Mutationen bildet (auch bei Omikron gibt es mittlerweile 4? B2, B4, B5? Ich komme kaum noch mit). Mit jeder Mutation müssen die Tests überarbeitet, möglicherweise ein anderer Übertragungsweg festgestellt werden oder - durch eine Veränderte Sterblichkeitsrate - Maßnahmen ständig angepasst werden. Ein Teufelskreis.

Seit 1,5 Jahren werden die internationalen Impfstoffe in China nicht zugelassen, weil es irgendwelche "Probleme" gibt, die im Detail nicht bekannt sind. Es ist ein offenes Geheimnis, dass hier verzögert wurde, um selbst einen mRNA Impfstoff zu entwickeln. Auch hier ist man gescheitert.
Überdies eine weitere Ohrfeige für WTO/WHO, die man seit 20 Jahren ohnehin nur verarscht.

Der SPIEGEL meldete Gestern, dass man wohl wieder im Gespräch mit Biontech sei.
https://www.spiegel.de/wirtschaft/coron ... ecb3319294

Im Deutschlandfunk hieß es dazu, diese Gespräche seien schon wieder in einer Sackgasse, weil China darauf besteht, dass der Impfstoff als "rein chinesisch" deklariert werden soll.

Um damit die Frage von Asgaros zu beantworten: Ja, falls sich nichts ändert, wird dies alles noch endlich so weitergehen.

Ohne einen wirksamen Impfstoff, mit einer anscheinend ohnehin katastrophalen Impfquote bei den Risikogruppen (Shanghai Ü60 bei 38%) und einer noch schlechteren Genesenenquote bleibt dem Diktator aus Beijing nur das Wegsperren. Wie in 2020.

Hoffnung gibt, dass die Anzahl der drastischen Fehlentscheidungen in Beijing stetig zunimmt.

Man denke nur etwa an den Handelskrieg mit Australien (die hatten über die Menschenrechtslage gemeckert). Seit dem boykottiert China die Kohleimporte aus Australien, was seit dem Sommer einer der Hauptgründe dafür ist, dass in Shenzhen und Guangdong in vielen Wochen nur an 3-4 Tage überhaupt Strom zur Verfügung stand.

Oder den Handelskrieg mit den USA. Die von Trump erlassenen Strafzölle sind immer noch gültig. Das sogenannte "Phase-eins"-Abkommen aus Januar 2020 wurde seitens China nicht mal ansatzweise eingehalten.

Oder den Handelskonflikt mit der EU wegen Xinjiang, Hong Kong, verbotenen Wettbewerbsverzerrungen, Urheberrechtsverletzungen und verbotener Subventionspolitik.

Die Liste ist lang. Unter Xi Jinping ist die Anzahl von Konflikten geradezu explosionsartig gestiegen.

Hinzu treten die Knebelungsverträge entlang der neuen "Seidenstrasse", die Schlachtrufe in Richtung Taiwan und die rechtswidrige Handelsblockade von Litauen.

Als kritisch muss auch der Bausektor (rund 30% BIP) angesehen werden, in dem die major player faktisch bankrott sind und die enorme Auslandsverschuldung chinesischer Unternehmen (> 1200 Milliarden USD).

Aus meiner Sicht haben die USD Milliardäre aus Peking, welche die "Regierung" bilden, einen Punkt erreicht, an dem es nicht nur gefährlich werden kann, sondern bereits gefährlich ist.

Die Wirtschaft hat ihren Zenit längst überschritten, viele Unternehmen - auch internationale Großunternehmen wie etwa SAMSUNG - wandern ab, Produktion wird in umliegende Länder verlagert oder auch nach Afrika.

Das Vertrauen der Bevölkerung in die "Führer", das im Januar 2020 schon einmal gefährlich geschwunden war, schwindet und dies könnte noch an Geschwindigkeit aufnehmen.

China befindet sich in zahlreichen, ungelösten Handelskonflikten oder -kriegen.

Und nun auch noch Russland.

Sollte Xi hier mit seiner umfassenden Unterstützung des Kriegers Putin auch nur einen Schritt zu weit gehen, könnte dies der Tropfen sein, der endgültig zu deutlichen Reaktionen der WTO-Gemeinschaft führt. Die Auswirkungen wäre drastisch und könnten die Karriere von Xi gefährden.

Da ich bei Xi einen ähnlichen Größenwahn unterstelle, wie ihn gerade Putin an den Tag legt, halte ich dies nicht für ausgeschlossen.
Der Kriegsverbrecher, Massenmörder und Kleptokrat Putin und seine Entourage gehören verhaftet, verurteilt und hinter Gitter mit anschließender Sicherheitsverwahrung, bis sie in völliger Bedeutungslosigkeit unbeachtet endlich aus dem Leben scheiden.
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Re: COVID, wind of change.

Beitrag von wingtsun »

Buddhabrot hat geschrieben: 24.04.2022, 17:19 Dann fliege ich nach China. Schön, dass du „zugehört“ hast, du hast sogar noch auf den thread von mir geantwortet.
Da bitte ich um einen Beleg. Was machst du im Jänner in China?
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Re: COVID, wind of change.

Beitrag von wingtsun »

TomXian hat geschrieben: 24.04.2022, 17:18 Da ich bei Xi einen ähnlichen Größenwahn unterstelle, wie ihn gerade Putin an den Tag legt, halte ich dies nicht für ausgeschlossen.
Ich denke eher nicht, dass es in diese Richtung ausartet. Warten wir einmal den Sommer 2022 ab.
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Re: COVID, wind of change.

Beitrag von Helfer »

Spiegel

»So eine Stadt kann man doch nicht einfach abschalten«

Der rabiate Corona-Lockdown ruiniert die Wirtschaftsmetropole Shanghai. Infizierte werden in Lager gesperrt, viele Einwohner hungern. Die Krise wird zur politischen Belastung für Staatschef Xi Jinping – und zum Risiko für die Weltwirtschaft.
Von Georg Fahrion und Christoph Giesen, Peking
24.04.2022, 14.20 Uhr • aus DER SPIEGEL 17/2022



»Steht auf! Ihr Menschen, die ihr keine Sklaven sein wollt« – jedes Kind in China kennt diese Worte. Es ist die erste Zeile der Nationalhymne. Der Kampf gegen Unterdrückung ist der Gründungmythos der Kommunistischen Partei.

In der Nacht auf Montag konnte man die Zeile beim chinesischen Kurznachrichtendienst Weibo plötzlich nicht mehr als Hashtag aufrufen. Die Zensur hatte die Schriftzeichenkombination blockiert. Denn chinesische Internetnutzer hatten die Hymne verwendet, um ihrem Ärger über die Corona-Restriktionen Luft zu machen, die das öffentliche Leben einschränken.

Ein Staat, der seine eigene Nationalhymne zensiert – so weit ist es in China im dritten Jahr der Pandemie gekommen. Omikron lässt die chinesische Führung zu verzweifelten Mitteln greifen. Die hochinfektiöse Variante bringt die lange so erfolgreiche Null-Covid-Strategie an ihre Grenzen. Anfang der Woche waren mehr als 370 Millionen Menschen in mindestens 45 chinesischen Städten einem teilweisen oder vollständigen Lockdown unterworfen. Besonders umfassend sind die Maßnahmen in Shanghai, der größten Stadt des Landes.

Dort erreichte die Zahl der Neuinfektionen am vergangenen Samstag mit 3590 symptomatischen Fällen einen Höchststand und ist seither nicht entscheidend zurückgegangen, obwohl seit mehr als drei Wochen praktisch alles dicht ist. Der mit drakonischen Maßnahmen durchgesetzte Lockdown gefährdet nicht nur Chinas Konjunktur und damit die Weltwirtschaft. Er führt auch dazu, dass viele Chinesinnen und Chinesen ihren Staat und dessen Führung zunehmend mit anderen Augen betrachten.

Shanghai ist heute eine aufgeraute, verunsicherte, wütende Stadt. Wohlwollen und Dankbarkeit, mit denen die Bevölkerung die Null-Covid-Strategie zwei Jahre lang mitgetragen hat, verflüchtigen sich, weil zuvor privilegierte Großstädter plötzlich hungern und Hundertausende unter unwürdigen Bedingungen in Isolationslager gesperrt werden. Um das Ausmaß der Misere zu erahnen, reicht oft eine einzige Frage: Was hast du heute gegessen?

»Karotten, Zwiebeln, Weißkohl«, sagt Wang Dan. Die Chefökonomin der Hang Seng Bank ist momentan auf staatliche Lebensmittellieferungen angewiesen.

Bei der Familie von Alexander Weng, dem Gründer des Online-Stadtmagazins »Smartshanghai«, gibt es seit Tagen Bratkartoffeln mit Spiegeleiern. Sein Kühlschrank sieht aus, als hätte jemand eine Legebatterie geplündert. Eier, Eier und noch mehr Eier, das Lieferchaos.

Die deutsche Beraterin Janine Jakob ernährt sich derweil von Gurkensalat mit Thunfisch, »dazu ein Glas Glühwein«. Viel mehr hatte sie nicht zu Hause.

Aber das ist nicht einmal ihr größtes Problem: Seit dem 3. April lebt Janine Jakob in völliger Ungewissheit, seit Tagen hat sie keine Informationen mehr von der Gesundheitsbehörde bekommen. Nur das altersschwache Megafon der Wachmannschaft schallt über den Hof: »Bitte zum Testen kommen, bitte zum Testen kommen.« Ein neuer Tag, ein neuer Rachenabstrich. Vom Fenster aus kann die 29-Jährige ihre Nachbarn sehen, die sich in Reih und Glied versammelt haben. Sie selbst darf nicht vor die Tür, sitzt in ihrer Wohnung im Zentrum von Shanghai fest und wartet darauf, dass es irgendwie weitergeht, dass sie eingewiesen wird in eines der Quarantänelager.


Der Tag, der Jakobs Leben veränderte, war der 26. März. Frühling in Shanghai, die ersten Platanen blühten. An jenem Abend traf sie sich mit drei Freunden, einem Chinesen, einer Taiwanerin und einem Kanadier, in der Bar Abbey Road im ehemaligen französischen Viertel. »Es war vollgepackt«, sagt sie. Zwar hatten die Behörden in den Tagen zuvor immer mehr Omikron-Fälle in der Stadt registriert, doch große Sorgen machte Jakob sich nicht. Ein Lockdown in Shanghai? Unvorstellbar!

Zwei Tage später riegelte die Verwaltung den Ostteil der Stadt ab. Eine Vorsichtsmaßnahme, hieß es, fünf Tage später sollte alles wieder öffnen. Am 1. April folgten die westlichen Bezirke. Zu dieser Zeit begann bei Jakob das Kratzen im Hals. Ihr Kopf dröhnte. Sie schluckte Aspirin und setzte sich wie jeden Tag vor den Computer. Seit viereinhalb Jahren lebt sie in China, hat eine eigene Firma aufgebaut und gibt Motivationsseminare.

Wenige Tage später klopften in Schutzanzüge gekleidete Männer an ihre Tür und überreichten Schnelltests. Ihrer zeigte zwei rote Streifen. Sie war positiv. Genau wie ihre drei Freunde aus dem Abbey Road. Den Chinesen und die Taiwanerin holten Busse schon nach wenigen Tagen ab und brachten sie in Sammellager. Betten stehen dort. Tausende. Als Nächstes war der Kanadier dran. Völlig verzweifelt sei er, erzählt Jakob. »In seinem Lager gibt es keine Duschen, und die Toiletten haben keine Türen.«

Ihren eigenen Koffer hat sie längst gepackt, die beiden Katzen in eine Haustierpension bringen lassen, für umgerechnet 40 Euro die Nacht. »Ich habe mir gesagt, come on, Janine, die zwei Wochen Isolation überlebst du.« Nur hat der Apparat sie offenbar vergessen. Neun Schnelltests hat sie inzwischen zu Hause gemacht. Alle negativ. Doch als genesen gilt in Shanghai lediglich, wer in einem Lager war und zwei negative PCR-Tests vorweisen kann. »Und die bekomme ich nicht.« Die Nachbarn haben ihr gedroht, die Polizei zu rufen, wenn sie die Wohnung verlässt.

Erinnerungen an Wuhan werden wach, den Ort, wo alles anfing. Einen Tag vor dem chinesischen Frühlingsfest 2020 verkündeten die Behörden nachts um zwei Uhr, Wuhan von der Außenwelt abzuriegeln. Sie annullierten alle Flüge, die Schnellzüge stoppten nicht mehr in der Stadt, U-Bahn- und Busverkehr wurde eingestellt. Sicherheitskräfte verbarrikadierten die Ausfallstraßen. Wuhan wurde zum Synonym für das größte epidemiologische Experiment der Menschheitsgeschichte. 76 Tage war die Stadt abgesperrt, elf Millionen Menschen kaserniert.

Damals war das Virus neu, die Krankheit unbekannt, ihre Infektiosität, die Fallsterblichkeit. Weder Covid-Impfstoffe noch -Medikamente standen zur Verfügung. Angst grassierte. Die Behörden mussten handeln, improvisieren. Dass dabei manches schiefging, viele Menschen unnötige Härten erdulden mussten, lag wohl in der Natur der Sache.

Offiziell zählte Wuhan bis zur Aufhebung der Absperrung 50.008 Infizierte und 2572 Tote. Shanghai kommt längst auf ein Vielfaches der Infektionen, aber offiziell nur auf 25 Menschen, die an Covid gestorben sind. Wer Symptome aufweist, wird ins Krankenhaus zwangseingewiesen, der Rest in eines der vielen Isolationslager der Stadt verbracht. Oder aber vergessen wie Janine Jakob.

In Wuhan begann der Ausbruch im Dezember 2019 am Huanan-Fischmarkt. In Shanghai war es das Huating-Hotel, eine in die Jahre gekommene Bettenburg, deren Lüftung im U-Bahn-Schacht der nahe gelegenen Station Shanghai Indoor Stadium münden soll. In diesem Hotel waren offenbar Reisende aus Hongkong zur Quarantäne untergebracht. Bis zum Abbey Road sind es mit der Linie 1 drei Stationen.

40.000 Ärzte und Pflegekräfte wurden inzwischen nach Shanghai verlegt. Sie sollen das Virus niederringen, vor allem aber den Mythos der Unfehlbarkeit der Kommunistischen Partei erhalten. In den vergangenen zwei Jahren hatte der Apparat den Chinesen immer wieder suggeriert, dass die Volksrepublik das einzige Land der Welt sei, das Corona unter Kontrolle habe. Im Staatsfernsehen sah man Leichenwagenkolonnen in Bergamo. In den Abendnachrichten verlasen Sprecher jeden Tag die neuesten Todeszahlen aus den USA. Überall Husten, Fieber und Tod – nur in China unbeschwertes Leben.


Der harte Ansatz der chinesischen Führung hat die Volksrepublik zwei Jahre lang weitgehend Corona-frei gehalten. Wo Maßnahmen verhängt wurden, fielen sie oft unerbittlich aus, betrafen aber stets nur einen kleinen Teil der 1,4 Milliarden Chinesen – und waren nach einigen Wochen wieder vorbei. Die große Mehrheit der Bevölkerung trug diesen Kurs mit. Unter Omikron-Bedingungen bleibt die Härte des Ansatzes bestehen, obwohl viel weniger Menschen sterben – doch der gewohnte Erfolg stellt sich nicht ein. Was zuvor als zweckdienlich durchging, wirkt heute immer stärker wie Ideologie.

Das deutete zuletzt sogar der 85-jährige Lungenarzt Zhong Nanshan an, in China die ultimative Autorität in Sachen Corona. Anfang April veröffentlichte Zhong einen englischen Aufsatz, in dem er festhielt: Auf lange Sicht könne China seine Null-Covid-Strategie nicht durchhalten. Die Volksrepublik müsse sich wieder öffnen, um die soziale und wirtschaftliche Entwicklung zu normalisieren. Kaum war der Text auf Chinesisch erschienen, löschte ihn die Zensur.

Denn die Behörden richten ihre Maßnahmen vor allem an politischen Erwägungen aus. Der Name des Staats- und Parteichefs Xi Jinping ist eng mit der Null-Covid-Strategie verbunden, er hat sie zur Staatsräson erhoben. Sie ohne Rücksicht auf die Kosten umzusetzen gilt inzwischen als Ausweis von Loyalität – in einem politisch besonders heiklen Jahr: Im Bruch mit der Tradition will Xi sich auf dem Parteikongress im Herbst zum dritten Mal zum Generalsekretär abnicken lassen.

Millionen Menschen aus der Shanghaier Oberschicht und dem breiten Mittelstand haben vom System profitiert und sich auskömmlich mit dem Versprechen der Kommunistischen Partei arrangiert: Wir herrschen, ihr werdet reich. Nun blickt die Elite der Volksrepublik in leere Kühlschränke, der Gesellschaftsvertrag bekommt Risse. Seit den angsterfüllten Anfangstagen der Pandemie vernahm man nie so viel Kritik an den Autoritäten, die sozialen Medien sind voll davon.

»So eine geschäftige Stadt, die kann man doch nicht einfach abschalten. Das war naiv.«
Jessica Yu, Werberin in Shanghai
Jessica Yu leitet in Shanghai eine Werbeagentur. Seit drei Wochen ist sie mit ihrem Mann, den zwei Söhnen und ihrer Mutter eingesperrt. »Meine Mama wollte eigentlich nur für fünf Tage bleiben und uns helfen.« So lange sollte der Lockdown laut den ursprünglichen Ankündigungen dauern. »So eine geschäftige Stadt, die kann man doch nicht einfach abschalten. Das war naiv«, sagt sie.

Natürlich gab es auch in der Vergangenheit Regeln und Gesetze, mit denen sie nicht einverstanden war, aber es fand sich immer irgendein Weg drum herum. Mit Corona ist es anders: Da musste selbst die Investorin und Milliardärin Kathy Xu Xin aus ihrer Villa im Shanghaier Stadtbezirk Pudong per WeChat einen Hilferuf absetzen, weil sie nicht an Brot und Milch kam. »Auch wir hatten nicht genug Vorräte, eigentlich nur noch Reis«, sagt die Werberin Yu. »Vor ein paar Tagen kamen dann auf einmal jede Menge Lieferungen durch. Jetzt haben wir von allem zu viel.« Deshalb gibt es nun Schweinebraten, während andere weiter darben.

Vor der Pandemie, sagt Yu, sei Shanghai sehr international gewesen. »Es gibt drei Sorten Menschen: Ausländer, Shanghaier und Bauern«, lautet ein gängiges Sprichwort, das das Selbstverständnis der Stadt gut zusammenfasst: stolz auf die eigene Weltläufigkeit und kulturelle Finesse – und eine urbane Arroganz, für die man sich nicht schämt. Zählt in Peking die Nähe zur Partei, ist es in Shanghai der Kontostand; Hedonismus wird dort größer geschrieben als Kommunismus. So war es jedenfalls bis Ende März.


Jetzt werde die Stadt, sagt Yu, so bürokratisch wie Peking. Anfang April hat die Zentralregierung vollständig die Kontrolle übernommen. Den Kampf gegen Omikron leitet Vizepremierministerin Sun Chunlan. Wo sie in den vergangenen Jahren auftauchte, wurden Straßen abgeriegelt, Schulen geschlossen und Massentests angeordnet. Sun gilt als der personifizierte Lockdown.

Alternativlos wäre all das nicht gewesen, schließlich hatten die Behörden mehr als zwei Jahre Zeit zur Vorbereitung. Dass die chinesische Führung noch immer an der Null-Covid-Strategie festhält, liegt auch daran, dass ihre Impfkampagne vor allem alte Menschen schlecht erreicht hat: 130 Millionen Chinesinnen und Chinesen über 60 Jahren haben keinen oder nur unzureichenden Impfschutz. In Shanghai haben nur knapp 38 Prozent der Einwohner dieser Altersklasse drei Impfdosen erhalten. Zudem hat China aus Nationalstolz bisher keinen der im Westen entwickelten mRNA-Impfstoffe zugelassen – und einen eigenen noch nicht zur Marktreife gebracht.

Anfang vergangener Woche verkündeten die Behörden ein wenig Entlastung. Wer in einer Wohnanlage lebt, in der es 14 Tage am Stück keinen positiven Fall gegeben hat, darf sich im Viertel ein wenig die Füße vertreten. Doch wird auch nur eine einzige neue Infektion entdeckt, muss die gesamte Nachbarschaft wieder für zwei Wochen in Quarantäne. In diesem Licht muss man die Meldung der Behörden vom Mittwoch verstehen, sie hätten Millionen Shanghaier aus dem Lockdown entlassen – ihre Bewegungsfreiheit bleibt dennoch eingeschränkt und kann ihnen jederzeit wieder genommen werden. Zudem setzen viele Nachbarschaftskomitees die Lockerungen schlicht nicht um.

Immerhin vier Stunden Freiheit konnten der deutsche Unternehmer Alexander Weng und seine Frau genießen, dann wurde einer der Wachmänner positiv getestet. Seither sind sie wieder eingesperrt. »Unsere Wohnanlage hat 18 Gebäude, jedes davon hat 20 Stockwerke, hier leben bestimmt 6000 Leute. Es ist fast unmöglich, auf null Fälle zu kommen«, sagt Weng.

Bis vor ein paar Wochen, sagt Weng, habe kaum ein Shanghaier mitbekommen, dass es so etwas wie Nachbarschaftskomitees überhaupt gibt. Jetzt weiß er: Sie sind heillos überfordert und kommen mit der Verteilung von Nahrungsmitteln kaum hinterher. Essen bekommt man fast nur noch über Gruppenbestellungen, weil die überlasteten Lieferdienste bevorzugt große Mengen bringen. »Meine Frau hängt jetzt den ganzen Tag am Handy. Es gibt Gruppen für Katzenfutter, Klopapier oder Eier. Alles muss man separat bestellen.« Und zwar für die gesamte Wohnanlage.

Vor ein paar Tagen hat jemand es geschafft, 500 Croissants zu ergattern. Nach den Croissants kamen die Eier, mindestens 100 Stück hat Weng nun im Kühlschrank. »Die Alternative wären gar keine Eier gewesen«, sagt er.

Viele Shanghaier haben Kontakte ins Ausland und wissen genau, dass der chinesische Ansatz nicht die einzige Möglichkeit ist, auf das Virus zu reagieren. Anwohner in Pudong haben sich mit einem Trupp Polizisten in weißen Schutzanzügen geprügelt, weil sie sich nicht gefallen lassen wollten, dass mehrere Gebäude in ihrer Wohnanlage als Isolierstation requiriert werden. Videos solcher Vorfälle posten sie nicht nur auf Weibo und WeChat, wo die chinesische Zensur sie rasch aufspürt und löscht. Viele Shanghaier nutzen auch Twitter oder Facebook, die sie mit einem VPN erreichen, einer Netzwerkverbindung, mit der sich die »Great Firewall« umgehen lässt.

Zur Wut trägt bei, dass die Wirtschaft der Stadt und des Landes massiv leidet. Ökonomin Wang Dan etwa war seit vier Wochen nicht an ihren Arbeitsplatz in der Hang Seng Bank im Shanghaier Finanzviertel. Im Homeoffice arbeitet sie derzeit noch mehr als sonst – weil der Lockdown eben viel Arbeit für jene bedeutet, deren Job es ist, ökonomische Vorhersagen zu treffen.

2021 erwirtschaftete allein die Stadt Shanghai umgerechnet knapp 570 Milliarden Euro, so viel wie ganz Polen. In keinem Hafen weltweit werden mehr Container umgeschlagen als in Shanghai, durch die Stadt strömen mehr als zehn Prozent des Handels zwischen China und dem Rest der Welt. Gemessen am Wert der dort gelisteten Unternehmen wird die Börse der Stadt nur von New York und London übertroffen. Rund 800 multinationale Konzerne haben in Shanghai ihre regionale Zentrale.

Volkswagen und General Motorsproduzieren dort Autos, Qualcomm und TSCM Halbleiter, Pegatron und Quanta Komponenten für Apple. All das haben die Behörden eingefroren. Und da Shanghai ein Knotenpunkt für ganz China ist, stehen auch in anderen Landesteilen Fabriken still, weil wichtige Vorprodukte fehlen.


Der Lockdown wird irgendwann aufgehoben sein, der Schaden für die Wirtschaft jedoch andauern. Mit welchem Manager, Verbandschef oder Ökonom man auch spricht, kaum jemand hält die 5,5 Prozent Wachstum noch für möglich, die Premierminister Li Keqiang für 2022 angekündigt hat.

Der Finanzplatz Shanghai, erzählt Wang Dan, sei »völlig erkaltet«. Zu Hause eingesperrte Banker konzentrieren sich auf wenige Deals mit besonders großem Volumen. Neue Börsennotierungen sind ausgesetzt.


In der Realwirtschaft sind die Verwerfungen nicht weniger schwer. Vielleicht am deutlichsten wird das bei der Logistik: Der Shanghaier Hafen ist zwar geöffnet, aber Hunderte Containerschiffe warten auf dem Meer, entladen zu werden. Es fehlen Lastwagenfahrer. Viele kommen nicht durch, manche sind auf abgeriegelten Autobahnen gefangen.

Der »Caixin«-Einkaufsmanagerindex, der die Konjunkturerwartungen von Industrie und Dienstleistern abbildet, stürzte im März von zuvor 50,1 Punkten auf 43,9 Punkte ab – wobei ein Wert unter 50 auf einen Rückgang der wirtschaftlichen Aktivitäten hinweist. Bereits in einer Ende März durchgeführten Umfrage der US-Handelskammer in Shanghai gaben 99 Prozent der teilnehmenden Unternehmen an, ihr Geschäft leide unter den Coronamaßnahmen. »Wir sind im freien Fall«, sagt Jörg Wuttke, Präsident der EU-Handelskammer in China.

»Chinas Wachstumspotenzial wird durch die Covid-Politik eingerissen«, glaubt auch Jens Hildebrandt, Geschäftsführer der Deutschen Auslandshandelskammer in Peking. Zwar hat das Industrieministerium am vergangenen Freitag Erleichterungen etwa für die Auto-, die Halbleiter- und die Medizinbranche angekündigt. Um die tiefe Verunsicherung in der Wirtschaft aufzulösen, dürfte das kaum reichen. Angesichts der geopolitischen Spannungen diskutiere man in den Konzernzentralen die Chinastrategien ohnehin, sagt Hildebrandt. »Es wird schwer für China zu beweisen, dass das Land weiterhin ein attraktiver Standort ist.«


Viele der bei internationalen Unternehmen beschäftigten Ausländer haben sich ihre Meinung schon gebildet. »Die Stimmung ist absolut im Keller«, sagt Hildebrandt. Laut einer nicht repräsentativen Onlinebefragung erwägt fast die Hälfte der Ausländer in Shanghai, China in den kommenden zwölf Monaten zu verlassen. »Die Unternehmen werden sich unheimlich schwertun, Leute zu ersetzen, weil Shanghai bis auf Weiteres komplett unattraktiv geworden ist«, sagt der seit 1997 in China ansässige Wirtschaftsanwalt Ralph Koppitz, der internationale Konzerne berät.

Beraterin Janine Jakob hatte eigentlich geplant, noch einige Jahre in China zu bleiben. Der Lockdown hat sie zum Nachdenken gebracht. Sie hat sich bereits über Arbeitsmöglichkeiten in Malaysia, Thailand, Dubai und Vietnam informiert. Wenn möglich, möchte sie noch vor ihrem 30. Geburtstag im Juli das Land verlassen.

Es ist nicht das erste Mal, dass eine politische Kampagne China viel Leid beschert. Während des »Großen Sprungs nach vorn«, Mao Zedongs desaströs gescheitertem Industrialisierungsprogramm Ende der Fünfzigerjahre, schmolzen Bauern sogar ihre Pflüge ein, um Stahl zu gewinnen. Statt auf dem Feld standen sie an den Hochhöfen. Ernteausfälle waren die Folge. Die Propaganda fand einen anderen Schuldigen: nämlich Spatzen, die angeblich das Saatgut fraßen. Millionen Chinesen wurden aufgefordert, diese »Ratten der Lüfte« auszurotten. Das taten sie so erfolgreich, dass wenig später eine Insektenplage die Landwirtschaft verheerte. Geschätzt bis zu 45 Millionen Chinesen verhungerten.

Der chinesische Spitzenfunktionär Xi Zhongxun reklamierte später für sich, den Wahnsinn der Null-Spatzen-Politik beendet zu haben. Die Verantwortung für ein Ende der Null-Covid-Strategie liegt jetzt bei seinem Sohn: Xi Jinping. 
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Re: COVID, wind of change.

Beitrag von wingtsun »

Danke für den Artikel, Helfer. Schön geschrieben.
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Grufti
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Re: COVID, wind of change.

Beitrag von Grufti »

wingtsun hat geschrieben: 24.04.2022, 18:55 Danke für den Artikel, Helfer. Schön geschrieben.
Schön, das User neuerdings für Postings gelobt, und nicht beschimpft werden....

ABER .. es kann durchaus sein, dass unser admin---wie immer allergisch auf Artikel raegiert , die nicht verlinkt oder zumindest klar und deutlich als Zitate gekennzeichnet werden.. Vor einigen Jahren ist der allererste TV-Tipps-Ordner deswegen gnadenlos gelöscht worden.

Also , wenn ein Artikel wortwörtlich gepostet wird, dann bitte deutlich als fremde Quellen kennzeichnen, sonst ist die Gefahr des Gelöschtwerdens relativ groß.. :wink:
Helfer post_id=389998 time=1650817680 user_id=12006]
Spiegel

»So eine Stadt kann man doch nicht einfach abschalten«

Der rabiate Corona-Lockdown ruiniert die Wirtschaftsmetropole Shanghai. Infizierte werden in Lager gesperrt, viele Einwohner hungern. Die Krise wird zur politischen Belastung für Staatschef Xi Jinping – und zum Risiko für die Weltwirtschaft.
Von Georg Fahrion und Christoph Giesen, Peking
24.04.2022, 14.20 Uhr • aus DER SPIEGEL 17/2022
 .........
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Re: COVID, wind of change.

Beitrag von sweetpanda »

Dr. John Campbell, einer der seriöse youtube Quellen zum Thema Corona hat die Zero Covid Strategie Chinas in Zeiten von Omicron schon vor Monaten mit einem schönen historischen Bild beschrieben.
Um das Jahr 1000 wurde England vom Knut dem Großen aus Dänemark beherrscht, er war ein wilder Wikinger der aber zu einem "guten" Christen wurde.
Es gibt da ein schöne Geschichte über ihn. Es gibt 2 Varianten, ich erzähle beide.

Bevor er Christ wurde, war er so berauscht von seinem erfolgreiche Feldzug, dass er seinem Gefolge befahl mit ihm zum Strand zu kommen.
Er ließ seinen Thron ins Watt stellen und befahl der Flut stehen zu bleiben damit er keine nassen Füße bekomme.
Er musste Einsehen das Gott, die Natur stärker sind als er und nahm das Christentum an.

Die andere Variante:

Knut war schon ein guter Christ wollte seinen heidnischen Raufkumpanen aber zeigen wie schwach selbst er im Vergleich zu Gottes Werk sei.
Trotz seines Befehl wurden seine Füße nass.

Xi stemmt sich gegen das Unausweichliche und das ist das dümmste was man machen kann.

China hätte in den letzten beiden Jahren das Militär- und Überwachungsbudget drastisch streichen können und damit die Gesundheitsversorgung vielleicht auf ein Niveau bringen sollen, dass die Durchseuchung besser möglicher macht.
Wozu Flugzeugträger und Hyperschallflugkörper und fortwährend Abermilliarden in Aufrüstung wenn man sich jetzt durch einen Virus in die Knie zwingen lässt, dass im Rest der Welt mehr und mehr seinen Schrecken verloren hat?
Denn selbst wenn man in ein paar Wochen nochmal Covidfrei wäre die nächsten Ausbrüche kämen irgendwo und irgendwann ganz sicher.

Und sei es wegen eines Lachs aus Norwegen, einem Stück Kohle aus Russland und wenn Tiere Reservoir für Corona sein könnten, dann sollten sich Chinas Spatzen wieder warm anziehen....
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Re: COVID, wind of change.

Beitrag von wingtsun »

Grufti hat geschrieben: 24.04.2022, 20:00 ABER .. es kann durchaus sein, dass unser admin---wie immer allergisch auf Artikel raegiert , die nicht verlinkt oder zumindest klar und deutlich als Zitate gekennzeichnet werden..
Rein rechtlich gesehen darf man Artikel auch nicht einfach kopieren und weiterverbreiten. Der Admin möchte sich damit sicher nur schützen. Und damit auch gleichzeitig das Forum.
Also: besser schnell den Artikel lesen 😃👍
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