shuhan hat geschrieben:Ich fasse es nicht. Agenda2010? Dass die Leistungen für Langzeitarbeitslose in Deutschland nicht mehr so hoch liegen wie früher, heisst noch lange nicht, dass der Deutsche Staat weniger als China gegen die Armut vorgeht. Dass ein Langzeitarbeitsloser fürs Nichtstun eine kostenlose Wohnung, eine kostenlose Krankenversicherung plus ca. 400 Euro Taschengeld ausgezahlt bekommt und so im Schnitt sogar besser leben kann als etwa ein Deutscher Student, ist Dir aber bekannt?
Ja, habe ich doch gesagt: Selbstverständlich haben wir ein Sozialwesen auf hohem Niveau. Natürlich geht es unseren "Armen" besser als den Armen in China. Aber schau dir bitte den aktuellen Armutsbericht an. Da heißt es Klartext:
Die Armutsquote stieg für das Jahr 2013 auf einen Höchsstand von 15,5% in Deutschland.
http://www.sueddeutsche.de/politik/armu ... -1.2358723 (Artikel vom 19.2.2015)
Im Vergleich dazu China: Armutsquote von 6,1% (Zeit vom 1.10.2014)
http://www.zeit.de/wirtschaft/2014-10/h ... a-proteste
Anm.: Selbstverständlich ist dieser Wert von 6,1% zu tief angesetzt, sodass das Zustandekommens des Wertes durchaus zweifelhaft erscheint. Aber immerhin halten sogar Medien wie die ZEIT diesen Wert für zitierfähig! Und der tatsächliche Wert dürfte auch nicht allzuweit davon entfernt liegen.
Noch einmal: Klar, verhungern in Deutschland die Armen nicht auf der Straße, aber offensichtlich scheint die Bundesregierung Armutsbekämpfung nicht mehr so sehr zu ihren Prioritäten zu zählen (Bankenrettung dagegen sehr!), denn sonst würde man wenigstens versuchen, die Quote zu halten! Passiert aber nicht. Daran ändert vielleicht der Mindestlohn etwas. Aber das muss man dann jetzt erst einmal abwarten, wie der sich auswirkt.
Für China kann man festhalten: Die Armutsquote sank gleichzeitig und das muss wohl irgendwie mit der Politik der KPCh zu tun haben. Also: Die KPCh tut was. Wenn auch nicht genug. Gemessen an ihren Möglichkeiten könnte sie viel mehr machen! (siehe dein Etat-Beschreibung). Aber immerhin: Sie reduziert die Armutsquote, während sie in Europa zuletzt nahezu überall gestiegen ist.
shuhan hat geschrieben:Die Sozialleistungen in Deutschland sind auch heute viel zu hoch und nicht lange auf diesem Niveau tragbar. Es geht hier nicht darum, ob der Staat zu wenig gegen die Armut tut oder nicht, sondern ob die Sozialleistungen schlicht und ergreifend finanzierbar sind.
Wie jetzt? Dann macht doch die VR doch alles richtig, wenn ich dich nicht falsch verstehe. Denn anders als wir in D und in Europa, leistet sich die VR China eben kein völlig überteuertes Sozialwesen. Was denn nun? Ich verstehe nur noch Bahnhof. Angesichts deiner Aussage müsstest du doch gerade der größte Fan der KPCh sein, oder nicht?
shuhan hat geschrieben:In Deutschland hat, wie ich schon in meinen ehemaligen Beiträgen schon geschrieben habe, jedermann den gleichen Zugang zur allgemeinen Bildung. Es spielt dabei keine Rolle, ob er ein Wanderarbeiterkind, ein Ausländerkind, ein Professorensohn, ein Bremer oder Bayer ist.
In China ist das unrealistisch, denn es stehen gar nicht so viele Bildungsressourcen zur Verfügung, als dass alle den gleichen Zugang haben könnten. Ich sehe es hier in meinem Wohnbezirk, wie schwierig es war, einen Platz an einer Schule für meine Tochter zu bekommen. Die Stadtverwaltung von Shanghai geht nun her und sagt:
Kinder von Eltern mit einem Shanghai Hukou haben bei der Vergabe von Schulplätzen absolute Priorität. Wenn noch Plätze frei sind, dann kommen Kinder von in Shanghai regulär gemeldeten Beschäftigten mit stadtfremden Hukou. Zum Schluss kommen Kinder von in Shanghai nicht regulär gemeldeten Beschäftigten mit stadtfremden Hukou.
Wenn die Stadtregierung das nicht so regulieren würde, dann würden hier
a) die Shanghaier auf die Barrikaden gehen, wenn Ihre Kinder plötzlich genauso viele Probleme haben sollten, eingeschult zu werden, wie all die Kinder der
waidiren. Und
b) würden die Schulen in Shanghai zusammenbrechen, wenn dann pro Klasse plötzlich 120 Schüler unterrichtet werden müssten, weil ALLE ihre Kinder auf Schulen in Shanghai schicken möchten.
Gleiche Chance für alle kann man daher nur dann realisieren, wenn man die Bildungsinfrastruktur ausbaut und viel mehr Schulen und Kindergärten errichtet. ABER dann kommst du wieder mit deiner Kritik, dass der Sozialhaushalt zu aufgebläht wäre. Was denn nun? Noch einmal: Wie sie es macht, die KPCh macht es aus deiner Sicht einfach falsch!
Übrigens: Im Ergebnis hat man unsere Familie vor die Wahl gestellt: entweder Einschulung in einer Schule 20 km vom Wohnort entfernt für einen kleinen zusätzlichen Obulus an einer städtischen Einrichtung. Oder aber eine internationale Schule in unmittelbarer Nähe, dafür aber mit wahnsinnigen Semestergebühren. Resultat: Im nächsten Monat geht es für mich und meine Familie leider wieder nach Deutschland zurück. Denn ein Umzug macht bei mir aus arbeitstechnischen Gründen keinen Sinn, und die Gebühren an der international school kann ich mir in meinen feuchtesten Träumen nicht erlauben. Naja... was heißt leider... angesichts der Umweltsituation, der familiären Situation in Deutschland und auch meiner allgemeinen Gesundheit ist es schon gut und richtig nach Deutschland zu gehen.
shuhan hat geschrieben:Solche Sachen wie gleicher Zugang zur Bildung und Niederlassungsfreiheit sind elementar. Und das ist, wie ich erwähnte, in China nicht existent! In der ganzen Welt gibt es außer China kein anderes Land, das seine Bürger in Land und Stadtbevölkerung unterteilt und erstere systematisch diskriminiert. Selbst in Nordkorea gibt es diese Unterscheidung nicht mal, obgleich dort auch ein Hukou-System exitiert.
Nö! Ist nicht extistent. Was glaubst du, was passieren würde, würde man hier in China eine Niederlassungsfreiheit einführen? Die Städte würden mega explodieren. Die städtische Infrastruktur reicht jetzt schon in keiner einzigen chinesischen Großstadt aus, um den Bevölkerungszuwachs zu verkraften, den es übrigens trotz eingeschränkter Niederlassungsfreiheit gibt ... komisch, woher kommen bloß all die Menschen in den großen Städten?
shuhan hat geschrieben:Dass der KPCh-Staat hunderten Millonen Wanderarbeitern kein Niederlassungsrecht (aka Hukou) in den Großstädten gewährt, obwohl diese dort ihren Lebensmittelpunkt haben, dass dafür 20 Millionen Kinder in erbärmlichen ländlichen Regionen zur Schule gehen und dort ohne Eltern aufwachsen müssen, während Söhne und Töchter hoher Parteifunktionäre Millionenteuere Villen in Sydney kaufen, während Parteifunktionäre ihre Dienstreisen im Ausland für Reisezwecke nutzen können. Das ist für jeden mit etwas gesundem Menschenverstand und Gerechtigkeitsempfinden, egal ob als Deutscher oder Chinese, eine Ungeheuerlichkeit!
Wo siehst du einen Widerspruch? Nein! Natürlich ist das Hukou-System ungerecht, aber es verhindert den totalen Kollaps hier in VR, da die Ressourcen nicht zur Verfügung stehen, um alle gleich partizipieren zu lassen. Und es ist eine Ungerechtigkeit, die nicht nur die Landbevölkerung betrifft. Beispiel meine Frau. Die kommt aus Changsha. Ihr Hukou bringt ihr hier in Shanghai sage und schreibe = null!
Dem kann man nur entgegenwirken, indem man die Situation der Landbevölkerung auf dem Land verbessert, und genau das tut die KPCh seit der Reformära Deng Xiaopings kontinuierlich mal mehr mal weniger. Könnte sie mehr tun? Definitiv ja! Aber sie tut was! Immerhin!
Und selbstverständlich aalt sich die "Parteielite" im Luxus, was denn sonst? Sittlich total verkommen! Aber inwieweit stellt jetzt die Aussage, dass sich die Parteikader im Luxus wälzen, eine qualitative Aussage zu den Verbesserungen dar, die auf dem Land nunmal stattgefunden haben und immer noch stattfinden?
shuhan hat geschrieben:Und du rätselst, ob ich oder meine Familie aus politischen Gründen etwas gegen die KP hätte? Nur zur Info: Mich persönlich hat die KPCh nie benachteiligt. Ich hatte seit meiner Geburt einen Pekinger-Hukou, weil meine Eltern Angehörige der Akademie der Wissenschaften, einer Forschugnsbehörde auf der Ministerialebene, in Peking waren. Ich bin bei meinen Großeltern in Südcina zur Schule gegangen, als meine Eltern im Ausland promoviert haben. Da meine Großmutter eine bedeutende örtliche Parteifunktionärin war, brauchte ich keinerlei Auflagen, um zur Schule zu gehen. Wenn ich gewollt hätte, könnte ich danach mein Abitur in Peking ablegen und als Pekinger viel leichter als sonstwo den Zugang zu einer Elite-Uni erhalten (26 Elite-Unis gibt es in Peking, in den Provinzen wie Henan nur 1). Ein Wanderarbeiterkind, welches in Peking geboren und aufgewachsen wäre, hätte kein Abitur in Peking ablegen dürfen.
Und was sagt uns jetzt diese Fallstudie über die generelle Armut und die Armutsentwicklung in China? Eben: Rein gar nichts.
a) Hukou ist ungerecht! Zustimmung! Ehrlich! Ohne Mist!
b) Reduziert sich die Armut in China? Ja! Ehrlich!
Auch ohne Mist!
shuhan hat geschrieben:Jedoch urteile ich, schon allein aus gesundem Menschenverstand und Gerechtigkeitsvermögen, gegen diesen menschenverachtenden KPCh-Staat, welcher die Chinesen aufgrund ihrer sozialen und regionalen Herkunft systematisch benachteiligt, welcher den Chinesen auferlegt, ein 3-4 faches Jahresgehalt an Strafgebühren zu zahlen, wenn diese ein Kind mehr gebären als erlaubt, welcher das chinesische Volk nicht als Bürger, sondern als Untertanen behandelt.
Seien wir froh, dass die KPCh so rigorose Einschnitte in die Freiheit der Menschen hier vorgenommen hat, denn sonst könnten wir unseren Planeten komplett auf den Schrottplatz des Universums schmeißen, wenn die KPCh vor 25 Jahren nicht so eine "menschenverachtende Politik" wie die Einzel-Kind-Politik durchgeführt hätte. Dann gäbe es hier jetzt statt "nur" 1,4 Mrd. Menschen an die 3,3 Mrd. Menschen! Wir hätten hier in China Hungersnöte ohne Ende, die knappen Ressourcen würden noch härter umkämpft sein, es würde in China ein permanenter Belagerungszustand herrschen, jeder wäre dem nächsten der ärgste Feind im alltäglichen Kampf ums Dasein. Und wenn nicht, dann würden wir einen Exodus historischen Ausmaßes erleben, wo Chinesen den gesamten Planeten überfluten und damit z.B. unsere abendländische Kultur (die durchaus auch viel Gutes zu bieten hätte) durch eine asiatisch-despotische ablösen würde.
Übrigens: Ich bete imständig, dass auch die indische Regierung noch den Dreh bekommt und ihrer Bevölkerung auch eine derart drastische familienpolitische Maßnahme aufzwingt!
shuhan hat geschrieben:Darum werde ich hier keine Zeit mehr verschwenden. Es ist meiner Zeit nicht wert.
Doch, ist es. Wenn man bereit ist, sich auch mit konträren Standpunkten auseinanderzusetzen und nicht nur darauf aus ist, die Bestätigung seiner eigenen Weltsicht zu finden. Wenn du letzteres suchst, dann hast du dir hier im Forum tatsächlich das falsche Publikum ausgesucht.
Thank you for your contribution to China's flourishing and prosperity! 感谢你为祖国繁荣昌盛作出的贡献!