henchan hat geschrieben:Schöne Geschichte. ^^
Danke! Bis auf den späteren Teil, wodurch ich dann die rosarote Brille für China immer mehr ablegte, war es tatsächlich eine schöne Zeit. Aber darauf gehe ich nicht ein.
Noch was zum Sprachstudium selbst. Als Sinologiestudent wird einem ja nahe gelegt, möglichst mindestens ein Auslandsjahr in China zu absolvieren. Da ich immer eher unangepasst war und anders sein wollte als meine Mitschüler entschied ich mich als einziger aus meinem Kurs (und soweit ich weiß auch aus der ganzen Uni) für Guangzhou (中山大学), und zwar wollte ich gezielt Kantonesisch lernen statt Mandarin. Meine Kommilitonen gingen alle entweder nach Beijing, Shanghai, Chengdu oder Taibei. Vielleicht aus reinem "Protest" (nee nur Spaß, war schon echtes Interesse
) wollte ich genau diese Orte vermeiden. Und Mandarin lernt doch jeder, daher musste es für mich schon was ganz anderes sein, und da war Kantonesisch genau das richtige für mich (neue Zeichen, neue Laute, neue Grammatik, NOCH mehr Töne, also die ideale Herausforderung. Was will man mehr?), zwar auch Chinesisch aber nicht das Chinesisch was man fast ausschließlich in deutschen Hörsäalen hört und das einzige Chinesisch zu sein scheint das man in D kennt.
Weiterer Vorteil: kaum Westler im Kurs, ausser einer Deutschen, einem Russen und einem Polen nur Japaner und Koreaner, ach ja, und ein Thai mit chinesischen Wurzeln. Außerdem viel kleinere Klasse, wodurch sich die Lehrer viel mehr Zeit für den einzelnen nehmen konnten. Zu der Zeit war ich bereits verheiratet mit Kind. Daher war es eigentlich kein Wunder dass unsere besten Bekannten ein koreanisches Ehepaar wurde (der Mann war bei mir in der Klasse), mit Kind das etwas jünger als unser Sohn war. Wir waren die einzigen beiden Schüler in dem Kurs die ihre Familie mitgebracht hatten und auch außerhalb der Uni wohnten. Wir unternahmen viel zusammen, machten jeden Tempel und Park in Guangzhou unsicher bis zu selbstgemachten Kimchi- und Kimpap- (koreanisches "Sushi") Orgien in unserer Wohnung
, allerdings leider ohne Soju
.
Seltsamerweise hatte ich nach dem Jahr keinen Kontakt mehr zu den Kommilitonen, bis sich überraschenderweise die Tochter unserer koreanischen Freunde vor 3 Jahren bei mir meldete. Da war sie wohl 13 oder 14. Wir haben bis heute noch gelegentlich über Facebook Kontakt. Schon seltsam, ich habe sie als Baby kennengelernt, jetzt ist sie praktisch erwachsen.
Bereut habe ich es nie speziell Kantonesisch gelernt zu haben, ganz im Gegenteil. So konnte ich meinen Individualismus befriedigen, bin nicht der Herde in den hohen Norden Chinas gefolgt sondern bin meinen eigenen Weg gegangen. Dadurch habe ich eine zusätzliche chinesische Sprache gelernt und festgestellt dass China und die Sprachen weit "größer" (oder besser vielfältiger) sind als man es einem in Europa gerne weismachen würde.