________________________________________________________Karl hat geschrieben:Hallo alle miteinander.
Warum konnte sich in China der sowjetische Kommunismus nach Marx nicht etablieren??
Hat jm eine Ahnung? Kann jm einfach nur in Stichwörtern Anregungen geben?
Ich denke:
1) Mao baute ja ab 1920 auf die Kraft der ländlichen Massen, nicht auf die der Proletarier in den Städten.
2)Mao brach vor dem Großen Sprung(1958) den Kontakt zur UdSSR ab, weil Chruschtschow Russland entstalinisierte und Stalin (zu Recht) verunglimpfte.
3)Im kommunistischen Sinne nach Marx gibt es keine Ein-Parteien-Herrschaft, in China aber schon.
Ich hoffe das war alles richtig. Wenn jm noch was einfällt, bitte ergänzen.
Vielen Dank
Ich habe gerade die rote Mao-Bibel fertiggelesen und versuche mal die Fragen zu beantworten aufgrund dessen. Natürlich ist das kein Lösungsweg, aber vielleicht gibt es ein wenig mehr Input.
Zu:
1.) Denke ich auch. Die Entwicklung Chinas zur damaligen Zeit war eine ganz andere. Die Intelligenzia war nicht wirklich im Volk integriert, und gemäss Mao war das Volk eben auch 'die Bauern'. Er wusste, dass ohne die Bauern eine Sozialreform nicht zu gewinnen war. Ausserdem war auch damals vermutlich schon der Unterschied Stadt-Land äusserst ausgeprägt.
2.) Mao hat, so glaube ich feststellen zu können, immer wieder die Identitäts-Einheit der Haltung propagiert. Heute würde man dies vielleicht Propaganda nennen. Für ihn aber war es die unumstössliche Voraussetzung, um die nationale Identität und Einheit wahren zu können. Wenn nun von oberster Stelle Kritik kam, dann konnte das nur die Linie verwirren. Kritik wurde zwar grossgeschrieben, aber unter dem Vorbehalt, dass sie nicht von der Linie abweichen sollte, welche ja 'vernünftig' und 'wegweisend' war.
Das zeigt sehr schön, wie eben ein solches System, und sei es noch so schön konstruiert, nicht mehr fähig ist, sich 'grundsätzlich' in Frage zu stellen. Wenn man einmal einen bestimmten Weg gegangen ist, dann kann man nicht mehr umdrehen, sondern kann nurnoch die Richtung leicht ändern.
3.) Mao hat hier vermutlich nur zu Ende gedacht und die Probleme gesehen. Er wollte innerhalb der Partei sozusagen die Mehrpartei-Fähigkeit aufbauen, sie stützen durch Methoden der Kritik und des 'sich dauernd hinterfragen'.
Das ist ein allgemein schwieriges Unterfangen, denn wenn die Abhängigkeit auf alle Lebens- und Schaffensbereiche ausgeweitet ist, findet keine grundsätzliche Kritik der Umstände mehr statt. Man weiss sich zu arrangieren.
Überhaupt das Studium der Maobibel sehr aufschlussreich für das Verständnis des heutigen China. Eigentlich zeichnet er dort schon die Zukunft Chinas, eben genau so, wie sie heute existiert. Kollektivismus wird grossgeschrieben, Liberalismus ist nutzlos, Individualismus ist das grösste Problem des Proletariats, etc. Im Prinzip ist auch das heutige China nichts als eine Abwandlung der Ideen von Marx, Engels, Lenin und Stalin.
Ich bin bis jetzt immer davon ausgegangen, dass mit alle den alten Zöpfen abgefahren wurde. Aber nein, Marx und Engels leben noch heute. Sie haben es geschaft in China zu überleben. Das heutige China ist nur die Fortsetzung des Kommunismus in einer etwas anderen Form.
Hat mich zwar zwei Tage gebraucht, das kleine Büchlein durchzulesen, aber es hat mir die chinesische Volksseele geöffnet. Weit mehr als alles bis jetzt. Das hat sich wirklich gelohnt.
Ich bin nebstdem der Meinung, dass sich die Grundlage des Westens und des Ostens gar nicht so sehr unterscheiden. Die Grundideen sind die gleichen. Es ist einfach eine Frage der Ausführung. Dort scheiden sich die Geister.
Eines aber macht mir noch Sorgen. Die chinesische Volksseele ist, auch gemäss Mao, so derart auf den Materialismus fixiert, dass die hieraus entstehenden Probleme nicht lösbar sein werden. Mao hätte zumindest Ansatzweise die Metaphysik in sein Werk nehmen müssen, stattdessen hat er sie in Grund und Boden gestampft. Die Folgen davon werden die Chinesen selber tragen müssen.
Es ist Schade, dass er mit allen chinesischen Traditionen dermassen gebrochen hat. Die Vergangenheit Chinas hat durchaus eine Antwort auf das Vakuum in der Weltanschauung der heutigen Chinesen. Und die westliche Art von Religion kann da auch keinen Ersatz bieten.
Irgendwie kommt mir das alles vor wie ein Kind, dass langsam erwachsen wird. Es lernt dauernd durch die Fehler, es hat Verstand ausgebildet und weiss rational zu urteilen, aber es besitzt noch keine Vernunft, um die Entwicklungen vorauszusehen. Maos Stellungnahme der Bestätigung aller Theorien führte einerseits dazu, dass selbst die Intelligenzia aufs Feld geschickt wurde, andererseits aber, dass man sich nicht mehr auf die Voraussicht in der Entwicklung festlegt. Alles konnte ja erst durch die Praxis bestätigt oder negiert werden. Auch heute noch scheint es nach diesem Muster zu laufen.
Ich bin bis jetzt immer davon ausgegangen, dass der Kommunismus tot ist. Jetzt muss ich feststellen, dass er weitaus wandelfähiger ist, als alle angenommen haben, und er hat in China überlebt und sich weiterentwickelt. Und ich muss sagen, es ist dies kein Schock, sondern eher ein hoffnungsvolles Gefühl und eine Chance für uns alle. Aber deswegen gleich zu einem Mao-Anhänger geworden zu sein, soll mir bitte keiner unterstellen.