Briefe in die chinesische Vergangenheit

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Henry_
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Briefe in die chinesische Vergangenheit

Beitrag von Henry_ »

Kürzlich erhielt ich über Facebook, von einer mit mir
dort verbundenen Freundin eine Buchempfehlung.

Briefe in die chinesische Vergangenheit

http://www.amazon.de/Briefe-die-chinesi ... pg__header

Ich habe dies Buch dann recht schnell und seeehr günstig in
der Bucht ersteigert.

Es ist ein sehr kurzweiliges Buch und ich gebe zu, dass ich auf
fast jeder Seite laut lachen musste. Bild

Worum geht es?
Ein Mandarin aus dem China des 10. Jahrhunderts versetzt sich mit
Hilfe eines »Zeit-Reise-Kompasses« in die heutige Zeit. Er überspringt
nicht nur tausend Jahre, sondern landet auch in einem völlig anderen
Kulturkreis: in einer modernen Großstadt, deren Name in seinen Ohren
wie Min-chen klingt und die in Ba Yan liegt.

Verwirrt und wißbegierig stürzt sich Kao-tai in ein Abenteuer, von dem
er nicht weiß, wie es ausgehen wird. In Briefen an seinen Freund im Reich
der Mitte schildert er seine Erlebnisse und Eindrücke, erzählt vom seltsamen
Leben der »Großnasen«, von ihren kulturellen und technischen Errungen-
schaften und versucht Beobachtungen und Vorgänge zu interpretieren, die
ihm selbst zunächst unverständlich sind.


Hinzufügen möchte ich, dass es sich hier um ein Min-chen der 70er Jahre
handelt. Der "Roman" ist gut 35 Jahre alt.


Für heute meine absolute Empfehlung Bild



Henry
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domasla
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Re: Briefe in die chinesische Vergangenheit

Beitrag von domasla »

Sagen wir mal "26 Jahre alt". Kao-tai ist 1000 Jahre in die Zukunft gereist. In das Jahr 1983.

Es gibt eine... Ergänzung zu diesem Buch: "Die große Umwendung". Kao-tai sieht sich 14 Jahre später noch mal um.

Und selbstverständlich ist es kein Roman, sondern eine Übersetzung der wieder gefundenen Briefe.

D., der beide Bücher gelesen hat. BildBildBildBildBild

D., der sich sowohl in Deutschland wie in China manchmal so fühlt, als ob er irgendwie falsch wäre. Aber das ist etwas für unser http://forum.chinaseite.de/ftopic9190.html

D., bei dem mit diesem Buch alles anfing.
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Henry_
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Re: Briefe in die chinesische Vergangenheit

Beitrag von Henry_ »

Danke für den freundlichen Hinweis. Aber, wenn etwas
1983 erschienen ist ( ich glaube das war das Erscheinungsjahr )
dann denke ich, dass das Buch schon vorher geschrieben wurde.
Wie dem auch sei, gerade die politischen Vergleiche sind nicht
mit den heutigen Gegebenheiten vergleichbar.

Ja richtig, >Roman< steht nur auf dem Umschlag des Buches.
...sorry für die Bezeichnung.


Henry
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domasla
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Re: Briefe in die chinesische Vergangenheit

Beitrag von domasla »

Stimmt. Nachdem ein Winter mit Aufenthalt in Ki-tsi-bü beschrieben ist, muss er schon 982 seine Reise angetreten haben. Also 1982/1983. Und 1983 zurück nach 983.

D., der denkt, dass der Autor die Briefe sofort veröffentlicht hat.
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Re: Briefe in die chinesische Vergangenheit

Beitrag von Linnea »

Danke für diesen Thread :D Ich hab das Buch schon ewig im Regal stehen und nie gelesen... und dabei suche ich doch schon den ganzen Tag nach Lektüre für eine längere Bahnfahrt. Mal sehen wie mir das Buch gefällt.
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Henry_
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Re: Briefe in die chinesische Vergangenheit

Beitrag von Henry_ »

Linnea hat geschrieben:Danke für diesen Thread :D Ich hab das Buch schon ewig im Regal stehen und nie gelesen... und dabei suche ich doch schon den ganzen Tag nach Lektüre für eine längere Bahnfahrt. Mal sehen wie mir das Buch gefällt.
Ich denke mit diesem Buch wird die Bahnfahrt schneller
zu Ende sein als dir lieb ist :D


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Re: Briefe in die chinesische Vergangenheit

Beitrag von Laogai »

Alle (vier) Jahre wieder...

Mit China hat das Buch ja nicht soooo arg viel zu tun, es ist eine Gesellschaftskritik und Rosendorfer hätte als Medium ebenso einen Hopi oder Bantu wählen können. Aber lesenswert ist das Buch auf jeden Fall!

Es gibt übrigens ein chinesisches Pendant: "Die Stadt der Katzen (貓城記)" von Lao She, geschrieben 50 Jahre vor den Briefen in die chinesische Vergangenheit.
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Re: Briefe in die chinesische Vergangenheit

Beitrag von Linnea »

Henry_ hat geschrieben:Ich denke mit diesem Buch wird die Bahnfahrt schneller
zu Ende sein als dir lieb ist :D
Bei knapp dreihundert Seiten muss ich daran zweifeln....
laogai hat geschrieben:Es gibt übrigens ein chinesisches Pendant: "Die Stadt der Katzen (貓城記)" von Lao She, geschrieben 50 Jahre vor den Briefen in die chinesische Vergangenheit.
Hast du es im Original oder in einer deutschen (?) Übersetzung gelesen? Und falls es eine Übersetzung war, ist sie brauchbar? - das kann man leider ja nicht unbedingt von jeder behaupten, ich erinnere mich da mit Schrecken an deutsche Übersetzungen der Geschichten Lu Xuns...
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Re: Briefe in die chinesische Vergangenheit

Beitrag von Laogai »

Linnea hat geschrieben:Hast du es im Original oder in einer deutschen (?) Übersetzung gelesen? Und falls es eine Übersetzung war, ist sie brauchbar? - das kann man leider ja nicht unbedingt von jeder behaupten, ich erinnere mich da mit Schrecken an deutsche Übersetzungen der Geschichten Lu Xuns...
In der deutschen Übersetzung aus dem Suhrkamp Verlag. Das Buch ist leider inzwischen vergriffen. Ich weiß nicht mal, wer der Übersetzer ist (muss ich nachsehen, wenn ich wieder in Berlin bin, im Netz konnte ich nichts finden).
Die Übersetzung ist aber recht flüssig geschrieben. Mit dem chinesischen Original habe ich allerdings nicht quergelesen.
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Re: Briefe in die chinesische Vergangenheit

Beitrag von Linnea »

laogai hat geschrieben:Die Übersetzung ist aber recht flüssig geschrieben. Mit dem chinesischen Original habe ich allerdings nicht quergelesen.
Danke. Die Übersetzung stammt von Volker Klöpsch . Und querlesen wäre kein Problem, das Original scheint online erhältlich zu sein.
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Re: Briefe in die chinesische Vergangenheit

Beitrag von Laogai »

Linnea hat geschrieben:Die Übersetzung stammt von Volker Klöpsch .
Ah, vielen Dank! Dann muss ich also nicht zurück nach Berlin :D
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Re: Briefe in die chinesische Vergangenheit

Beitrag von Britt »

Hatte das Buch auch vor Ewigkeiten gelesen.

Ich fand es recht amüsant, welche Probleme der Typ aus dem alten China in unserer heutigen Welt hat. Die Briefe waren auch sehr flüssig geschrieben und angenehm zu lesen. Das Buch haut einen nicht unbedingt um, ist aber auf jeden Fall eine sehr nette Lektüre für zwischendurch. :wink:
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Re: Briefe in die chinesische Vergangenheit

Beitrag von RoyalTramp »

"Stadt der Katzen" von Lao She...

habe ich in Auszügen auf Chinesisch für ein Hauptseminar "Grundzüge der modernen chinesischen Literatur" lesen müssen. War ganz schön crazy irgendwie, was sich der "Gude" da hat einfallen lassen. Wird nicht zu Unrecht als das erste chinesische Sci-Fi-Buch bezeichnet. Und der Humor kommt dabei auch nicht zu kurz, wenn auch nicht so offensichtlich, wie z.B. in Qian Zhongshus "Umzingelte Festung", was mein Buchtipp wäre!

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Re: Briefe in die chinesische Vergangenheit

Beitrag von Linnea »

Gelacht habe ich auch, allerdings nicht auf jeder Seite und vor allem noch am Anfang des Buches. Die Brandopfer waren zum Brüllen komisch... Mit der Zeit ging er mir dann doch auf den Geist, der ewig meckernde, Schampus saufende und vögelnde bzw. Frauen begaffende Kao-tai, der anscheinend an nichts als der Musik des kleinen Hausquartetts Freude finden konnte und immerzu sein Hundefleisch (es lebe das Vorurteil...) vermisste. Von seinem Freund, der sich nur für die Bällchentricks irgendwelcher Tänzerinnen interessiert mal ganz zu schweigen – irgendwie scheint Rosenberger ein reichlich gestörtes Verhältnis zu Frauen zu haben, wenn er sie nahezu durchgehend als karrieregeile, vermännlichte, pillenschluckende, exhibitionistisch bis nymphomanisch veranlagte, käufliche Weiber beschreibt...

Auch sonst bleiben Fragen offen oder lassen sich Gegebenheiten nicht erklären. Kein Schwein kommt auf die Idee, dass der gute Kao-tai aus China kommt, und das obwohl er gar Schriftzeichen aufschreibt (vierter Brief), und auch Shi-shmi, der an der LMU München zu arbeiten scheint, die eine auch in den 80er Jahren schon existierende Sinologie besitzt, kommt nie auf den Gedanken seinen Gast mal mitzunehmen. Wo wir schon bei Shi-shmi sind, die Umschrift, die keine ist, nervt gewaltig, in ein Wörterbuch hätte der Autor dann schon mal blicken können.

Davon abgesehen haben sich Fehler eingeschlichen, oder sind ganz bewusst gemacht worden, wer weiß. Immerhin kann man sein eigenes Geschichtswissen überprüfen.

Auch wenn die Technik des Füße Bindens (zwanzigster Brief) in der südlichen Tang-Zeit das erste Mal auftauchte, dass Kao-Tai sie kannte, davon ist eigentlich nicht auszugehen. Denn von einer Mode und einem Schönheitsideal gebundener Füße kann zu diesem Zeitpunkt nicht gesprochen werden. Bei der Gelegenheit, waren kleine Brüste im alten China ein Schönheitsideal, oder wurden Brüste gar nicht als solches angesehen? Ähnlich verhielt es sich mit den von Kao-tai vermissten Zöpfen (achter Brief), die noch später im Reich der Mitte ankamen. Apropos Reich der Mitte, dies war keine Bezeichnung, die man im China der Song-Zeit benutzte. Der Dynastiename war der Staatsname, erst mit der Republik tauchte erstmals Zhongguo in Staatsnamen auf.

Ja, Kaifeng war ein beschauliches Philosophenstädtchen der Song-Zeit, aber wohl nur in Rosendorfers Phantasie... Eigentlich müsste sich Kao-Tai in Min-Chen richtig pudelwohl gefühlt haben, bei all dem Dreck und Gestank, den er sicher aus seiner Heimatstadt, die damals aus allen Nähten platzte, nur so gewohnt war. Und wurde Kaifeng nicht damals Dongjing oder auch Bianjing genannt?

Vielleicht hätte Kao-tai seine Depressionen in München behandeln lassen sollen, die Kontakte waren ja gegeben aber er lehnte sie ab, anstatt Briefe zu schreiben?

Alles in allem würde ich sagen: Man kann's schon lesen und stellenweise ist es auch witzig – aber es ist eben kein Buch über China oder einen Chinesen, sondern eine Gesellschaftskritik der 80er Jahre. Durchweg ziemlich pessimistisch und ohne wirklich Lösungsansätze anzubieten - ich verbanne es wohl zurück ins Regal.
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Re: Briefe in die chinesische Vergangenheit

Beitrag von RoyalTramp »

Ohne das Buch gelesen zu haben (auch wenn es im Regal steht), denke ich, dass man nicht immer an ein Roman mit dem Anspruch herantreten sollte, dass es wissenschaftlich durch und durch recherchiert sein sollte. Man will etwas zum Abspannen lesen und nicht zur kulturellen Weiterbildung. Und solange es eindeutig ist, dass das Buch nicht ernstzunehmen ist, sehe ich in den "Fehlern" keine Probleme. Zumal: Wenn ich es richtig verstanden habe, ging es dem Autor nicht so sehr darum, irgendwelche Vorurteile gegenüber China zu verfestigen sondern, Aspekte unserer modernen (80er) Gesellschaft zu kritisieren. Aber kann ich mich jetzt auch vertun, da selbst nicht gelesen.

P.S.: Wenn man übrigens etwas über China erfahren will, dann führt eh kein Weg an einem chinesischen Schriftsteller vorbei.
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