Hallo,
ich habe einmal die Diskussion verfolgt. Ich finde es sehr interesant, mit welchen ideologischen Konzepten gegeneinander angegangen wird.
1) Nation
Wir sollten einmal feststellen, dass eine Nation eine vorgestellte Gemeinschaft ist. Die meisten Zeit leben die Menschen in viel kleineren Gruppen zusammen. Es existiert nicht das National-Konzept. Die Nationwerdung ist ein Prozeß. Es gibt viele unterschiedliche Nationalprojekte. Bei diesen Bewußtseinsprozessen installiert die politische Elite Institionen wahlweise aus unterschiedlichen Bausteinen zusammengesetzt, die das Nationalbewußtsein in den Köpfen verankern soll. Da wäre die Schule, die nationale Armee, nationale Sprache, nationale Religion, nationale Feste um nur einige Beispiele zu nennen.
Viele Diskussionsteilnehmer nehmen an, dass Tibet eine Nation ist und stützen das auf kulturalistische Argumente.
Bevölkerungen unterschiedlicher Kulturen sollen deswegen voneinander getrennt werden. Es soll also ein Sezesionsrecht existieren für Kulturen. Insbesondere ist ein Sezssionsrecht schon legitimiert, wenn nur ein Großteil der als Kulturgemeinschaft angenommenen Gruppe, das mittels eines Mehrheitsbeschlußes macht.
Ein solcher Nationalbegriff bedeutet also "Kampf der Kulturen".
2) Kultur
Der Begriff Kultur ist ein sehr schwammiger Begriff. Wer kann bitte schön sauber definieren, was eine Kultur ist.
Versuchen wir es einmal damit. Irgendein kollektives Phänomen im Bewußtsein, das sich nicht allein auf Sprache, Religion und Sitten reduzieren läßt.
Die Abgrenzung gegenüber anderen Kulturen ist schwierig, weil sich Konzepte innerhalb einer Kultur mit einiger Sicherheit auch bei anderen Kulturen in ähnlicher Form wiederfinden lassen sollte.
Warum aber Kulturzugehörigkeit zu politischen Konflikten führen soll, sollte man mir einmal genauer erklären.
Liegt die Konfliktursache nicht eher in der unterschiedlichen Machtverteilung und in den persönlichen Lebenschancen eines
individuellen Menschens ?
Kultur scheint auch eine Art Zwangsgemeinschaft zu sein. Ein Mensch muss seine Kulturzugehörigkeit aber durch eine praktische Tätigkeit ausdrücken. Er muss sie lernen und die Praxis verinnerlichen. Das bedeutet, er ist frei in der Wahl seiner Kulturzugehörigkeit. Ein Automatismus in der ein Individuum gezwungen ist, Teil einer kulturalistisch formierten, imaginären Gemeinschaft zu sein existiert nicht.
3) Demokratie
Es gibt nicht die Demokratie, sondern verschiedene Demokratie-Konzepte.
Insbesondere im Westen sollte man vorsichtig sein mit dem "Wort". Es kann nämlich sein, dass die Entscheidungsfindung gar nicht demokratisch stattfindet. Denn immerhin existieren im europäischen Raum Parteien, NGO und verschiedene Lobby-Vereinigungen, die bei der Entscheidungsfindung mitspielen. Es wird auch nicht unbedingt im Bundestag debatiert, um zu einer Entscheidung zu kommen. Die Arbeit findet in speziellen Ausschüßen statt mit Experten und wissenschaftlichen Hilfskräften.
Im Westen hat das Wort Demokratie auch die anrüchige Bedeutung "weiße" Demokratie. Tatsächlich besitzen nur weiße, männliche Bürger mehr politische Handlungsfähigkeit als z.B. weiße Frauen. Und wiederum haben "weiße" Bürger in der Demokratie mehr politischen Einfluß als eingebürgerte Migranten.
Die offene Gesellschaft ist bein näheren Hinsehen tatsächlich eine geschlossene Gesellschaft. Die gesamte Bevölkerung ist in einzlene Gruppen aufgeteilt, in der sie bestimmte Kompetenzen und Inkompetenzen haben.
4) Diktatur
Auch die Diktatur gibt es nicht. Wie ist denn die Begriffsbestimmung ? Diktatur als Gegensatz zur Demokratie ? Das wäre ein bißchen formal. Aber versuchen wir es einmal formal. Eine Staatsform ohne erbliche Thronfolge und eine Minderheitenherrschaft.
Wobei der Punkt Minderheitenherrschaft auch bei Demokratien zutreffen kann, wenn man sich nicht die formale Entscheidungsfindung anschaut, sondern wie sie real funktioniert.
5) Ein-China Prinzip
Das Ein-China Prinzip ist ein Machtanspruch, das die VR China gegenüber den konkurrierenden chinesischen Teilstaaten durchsetzen möchte.
Der Machtanspruch wird zum Recht, falls sich ein "Gesetzgeber" dazu ein Recht formuliert. Aber Recht braucht immer Gewalt zur Durchsetzung.
Vergessen wir hier einmal die idealistischen "Vorstellungen" von der Demokratie auf Taiwan.
Warum will die VR China Taiwan territorial eingliedern ? Einerseits finden wir historische Gründe. Ursprünglich ist das chinesische Kaiserreich ein universalistisches Reich, kein Nationalstaat. Innerhalb dieses Reiches sollen alle Gebiete mit chinesischen Kulturmerkmalen unter dem Kaiser geeingit sein.
Das Reichsprinzip verbietet Beziehungen zwischen Gleichen, wie es zwischen Nationalstaaten üblich ist. Das chinesische Reichsprinzip kann sich internationale Beziehungen nur innerhalb des Tributsystems vorstellen, angesichts des asymmetrischen Machtungleichgewichts gegenüber den aggressiv, auftretenden europäischen Kolonialmächte ein Anachronismus.
Das Reichsprinzip ist untergegangen durch die Revolution. Das Reich wird ersetzt durch das Nationalprinzip.
Dabei entwickeln sich unterschiedliche Varianten des chinesischen Nationalstaates. Die VR China installiert ein staatsbürgerliches Nationalprinzip. Man kann zwar ethnisch nicht zu den Han gehören aber ein chinesischer Staatsbürger sein. "Chinesisch" ist dabei nicht gleichzusetzen mit Han. Die Wortgeschichte von "China" hat eine ganz andere Herkunft als "Han".
Die Setzung als Nationalstaat erlaubt nun formal, gleichberechtigte Beziehungen mit den europäischen Kolonialmächten. Es spielen jedoch weiterhin die militärische Macht und wirtschaftlichen Potentiale eine ausschlaggebende Rolle in den internationalen Beziehungen.
Man muss sich vor Augen halten, es gibt kein Recht ohne Macht. Eine Rechtssetzung kann man setzen, wenn man sich dadurch Vorteile erhofft, um Austauschbeziehungen mit niedrigen Reibungsverlusten errichten will.
Was ist nun so bedeutend am Ein-China Prinzip ? Man muss sich vor Augenhalten, dass China ein Entwicklungsland ist, aber allein die schiere Bevölkerungszahl läßt es international eine Rolle spielen. Das bedeutet, es muss vereinigt sein, um gegenüber den Westmächten seine Interessen verteidigen zu können. Die Beliebheit von Mehrstaaten Lösungen und von demokratischen, kulturalistischen Konzepten hofft, dieses Machtpotential durch eine für die Westmächte günstigere Konstellation abzulösen.
6) Verträge
Aber Verträge sind nur Papier. Überall kann man das gut beobachten. In Europa völkerrechtwidriges Zerschlagung Jugoslawien, Besatzung des Iraks, Afghanistan, Tschechschenien und eben auch die Kriegsdrohungen gegenüber Taiwan.
Letzten Endes stehen hinter dem Recht handfeste Interessen, die entscheiden ob das Recht verteidigt oder aufgelöst wird.
7) Taiwan
Taiwan ist eine Insel, von der aus sich eine Seeroute beherrschen läßt über die z.B. die japanischen Rohstofflieferungen abgeschnitten werden können. Das wäre für ein so schwaches Land wie die VR China nun einmal ist trotz aller patriotischen Chinesen hier im Forum ein gewaltiger Vorteil. Die Wiedervereinigung mit Taiwan nimmt den USA einen unsinkbaren Flugzeugträger und schneidet gleichzeitig den zweiten unsinkbaren Flugzeugträger Japan von Rohstoffen ab. Es steckt also eine klare machtpolitische Motivlage eine Rolle.
Ebenso werden die USA auf gar keinen Fall das zulassen. Eurasien ist für die amerikanische Vorherrschaft ein wichtiges Spielfeld. Sämtliche Konkurrenten sind da einzudämmen, sei es die Russen, die Inder, die Chinesen, die Japaner oder die neo-imperialistische EU.
Es wäre auch naiv, Taiwan als Musterdemokratie behandeln zu wollen. Für Taiwan ist es sicherlich interessant mit seiner "Demokratie" eine Eintrittskarte in den Club des Westens zu bekommen. Das heißt Waffen, Handelsabkommen und andere Vorteile.
Man muss sich aber gewahr werden, dass Taiwan Produktionsstätten nach Festlandchina auslagert, um von der inhumanen Ausbeutung chinesischer Arbeiter, ihren Wohlstand zu finanzieren.
Die Investoren aus Taiwan gehen in ihre ursprünglichen Heimatprovinzen, knüpfen Kontakte zu lokalen Behörden und erschleichen sich Wettbewerbsvorteile gegenüber den europäischen, amerikanischen und japanischen Wettbewerber.
Also ich kann da kein brüderliches Verhalten erkennen.
Kommunismus
Die VR China ist kein sozialistisches Land, sondern eine Parteiendiktatur. Die sozialistische Revolution ist gescheitert. Die KPCh hat ihre proletarische Basis 1927 bei einem gescheiterten Aufstandsversuch durch ein Massaker verübt durch die Guomindang verloren.
Gegenwärtig ist sie vielleicht nicht einmal eine Parteiendiktatur, sondern ein komplexes politisches System, wo verschiedene Akteure eine Rolle spielen. Der Verwaltungsapparat, das Politbüro, Planungstellen, die chinesische Auslandskapital um nur einige zu nennen.
9) Löst die Modernisierung die soziale Frage
Was hier immer wieder vergessen wird ist die soziale Frage. Das Auftreten von Nationalismus und Kommunismus sollte ursprünglich auch die soziale Frage lösen und die Entwicklungshemmnisse beseitigen.
Finden wir die soziale Frage gut gelöst durch die VR China oder durch Taiwan. Taiwan scheint mit eine sehr merkantilistische Politik gegenüber den anderen Staaten zu verfolgen, ebenso die VR China.
Tragen diese beiden Staaten überhaupt etwas zur Wohlfahrt der Welt bei oder erweisen sie sich als genauso mörderisch wie das gegenwärtige Handelssystem des Westens.
Ich arbeite für den Weltkinderfonds. Das Massensterben durch die westliche Handelspolitik ist grauenhaft. Insbesondere die EU halte ich für besonders verlogen. Ihre Handelsabkommen mit Afrika wird den afrikanischen Bauern total schwächen auf dem Gebiet der Landwirtschaft.
Die Menschenrechtspolitik ist verlogen un dient zur Rechtfertigung von Kriegen.
China und Taiwan handeln da nicht anders. Jedoch sind sie neue Mispieler in einem grausamen Spiel.