beowulf hat geschrieben:Kann sein, kann auch nicht sein; darum geht es mir hier nicht. Meine ursprüngliche Aussage war: Die chinesische Regierung reagiert allergisch, wenn eine nicht-KP-Organisation viel Geld und/oder Einfluss bekommt. Deswegen kann ich mir nicht vorstellen, dass heutzutage auf dem Boden der Volksrepublik ein Wildwuchs an Spenden bzw. religiöser verbrämter Ausbeutung geduldet wird. Zumal von lamaistischen Klösterun, zumindest der Gelug-Schule. So gesehen, erscheint mir deine Aussage von wegen "Haupteinkommen die Spendengelder die sie für ein besseres Karma von den Bauern abknöpfen" etwas reißerisch und voreingenommen.
Alles ist relativ - in der theokratischen Zeit musste man als Bauern immer wieder mal für 2-3 Jahre weg um Frondienst bei nem Kloster zu leisten. War übrigens auch einer der Gründe für die Fraternale Polyandrie. Wenn zwei Brüder sich eine Frau/Familie teilten, konnte die Familie auch überleben, wenn einer davon für einen längeren Zeitraum immer wieder weg musste.
Heutzutage gibt es das nicht mehr, haben die Kommunisten bei ihrem Einmarsch abgeschaft. Was übrigens ein wichtiger Grund war warum es zu Spannungen trotz 17-Punkte Abkommen gekommen ist.
ABER
Die Bauern sind zwar nicht mehr Leibeigene, aber sie geben mehr als sie sich eindeutig leisten können (oft bis zur Hälfte des Einkommens). Das macht die lamaistischen Klöster natürlich nicht reich oder zu einem wirtschaftlichen Big Player - die Bauern verdienen ja nix - aber macht das Leben für die Bauern mit Sicherheit nicht leichter.
Und das sehe ich doch sehr kritisch. Für ein Verbot bin ich auch nicht, dass würde die Situation verschärfen. Man kann nur darauf hoffen, dass mit Zunehmenden Bildungsstand das Einkommen steigt und die Spendenbereitschaft (nicht die Häufigkeit, sondern den Anteil am Einkommen) sinkt.
Die Klöster schwimmen also nicht dermassen im Geld wie andere buddhistische Klöster in Zentralchina oder gar Taiwan (wo ich mir sagen habe lassen, dass es schon teilweise groteske Ausmasse angenommen hat). Aber das liegt eben auch daran, dass Tibet eher Einkommensschwach ist. (Bevor jetzt das wieder als Beweis herangezogen wird, dass die KP die Tibeter aus bosheit arm hält, verweis ich auf die menschliche Logik, dass ein Land im Himalaya einfach nicht die gleichen Vorraussetzungen für eine wirtschaftliche Entwicklung aufweist wie eine Hafenstadt in Südchina).
Fairerweise muss man sagen, dass die Kloster auch medizinische Betreuung übernehmen oder Krankenstationen bei sich aufnehmen (diese werden nicht nur von der KP gesponstert, sondern da gibt es auch Entwicklungshilfeprojekte aus dem Westen). Aber das ist jetzt ein anderes Thema.
Zum "Bedanken" - das ist kein zentraler tibetischer oder chinesischer Kulturstandard wie etwa in Indien (ich kenne Indien zuwenig, verlass mich da jetzt auf deinen Bekannten), sondern ein kontextspezifischer. Und dieser kontextspezifische Kulturstandard (das Verhalten der Mönche und da erwartete Verhalten der Gläubigen) wird durchaus in Thailand, Festland China oder Taiwan auch von den einheimischen zunehmend kritisiert. Womit wir wieder bei der Bildung und der "Aufklärung" sind.
Ich finde es übrigens interessant (nicht nur du speziell jetzt du, sondern mir ist es schon öfters aufgefallen), dass in unseren Breitengrades es begrüßt wird ein protziges und korruptes Verhalten von Beamten in Asien zu kritisieren, aber das selbe protzige und korrupte Verhalten von Vertretern diverser religiöser Massenbewegungen dann "kulturell" verniedlicht und eine Kritik gleich angefeindet wird.
Meiner Meinung nach handelt es sich hierbei gar nicht um Ethnozentrismus oder Kulturrelativismus, sondern um political correctness (Sammelbegriff für Tabus in der westlichen Welt - man darf nix gegen andere Religionen sagen). Also um einen westlichen Kulturstandard.
ich sage auch, alles ist relativ.Vor 1949 gab es in China nur Pächter, aber keine Leibeigene.Vielen Pächtern und Kleinbauern ging es schlecht, aber sie waren keine Leibeigene.Die konnten ja frei in die Stadt ziehen.Auch die Bauern in Tibet waren keine Leibeigene nach europäischem Geschichtsverständnis.Allerdings würde ich sagen, dass Bauern in China und Tibet nach der kommunistischen Machtergreifung erst recht "Leibeigene" wurden, in dem Sinne, dass
1)
das Land, die Werkzeuge, ja sogar die Kochtöpfe der Bauern wurden "kollektiviert" und gehörten den sogeannten Volkskommunen.Alle Eigentümer der Bauern wurden also "kollektiviert", die Bauern selber hatten keinerlei Privatbesitz.
2)
Der Bauer konnte nicht selber seine Agrarprodukte gewinnbringend verkaufen, da der Staat den Preis und die Mengen bestimmte.Der Staat kaufte sämtliche Überschüsse zu extrem niedrigen Preisen von dem Bauern ab und verkaufte jedoch Sachen teuer an die Bauern weiter.
3)
Den Bauern war es verboten, jegliche wirtschaftliche Aktivitäten außerhalb des "Kollektives" zu betreiben. Der Bauer hatte also keinerlei Möglichkeiten, durch eigene Initiativen seinen Lebensstandard zu verbessern.
4)
Durch das äußerst strenge Hukou-System der Mao-Zeit wurden die Bauern auf dem Land festgesetzt.Die Bewegungsfreiheit war also nicht existent.
5)
Die Bauern mussten im Rahmen der Volkskommune unentgeltlich schwere Arbeit verrichten, also Fontdienst leisten.Fast die gesamten Ernteerträge mussten sie abgeben, jährlich durften die Volkskommunenmitglieder pro kopf nur etwa 300 Jin (ein jin in der VR China= 500 gramm) Getreide behalten, um nicht zu verhungern(trotzdem führte es zum Massensterben z.B 1958-1961).Die Regierung hatte Vorgaben, wieviel Ernteerträge erzielten werden musste, sodass Parteiführer vielerorts mehr Erträge melden mussten, als tatsächlich erwirtschaftet, um diese Vorgaben zu erfüllen.Das führte oft dazu, dass sämtliche Ernteerträge der Bauern abgegeben wurden, sodass die Bauern nicht mal die jährliche 300 Jin-Getreideportion behalten durften.Also was tun?An den Bäumen knabbern oder Guanyin-Erde essen.
ich behaupte mal, von den Zuständen des alten Tibets konnten die Bauern unter Mao nur träumen!
Denn solange die "Leibeigene" im Alten Tibet Pächter an ihre Grundherren zahlten, interessierten sich die Grundherren überhaupt nicht dafür,
wie die "tibetischen Leibeigene" nun das Land nutzten.Diese "tibetischen Leibeigenen" konnten sogar Arbeitskräfte einstellen, um für sich arbeiten zu lassen.Das war unter Mao doch nicht vorstellbar.Unter Mao gehörte doch alles dem "kollektiv", die Bauern hatten überhaupt kein Recht darüber, wie sie das Land benutzen wollten.
Außerdem hängten die Pächer der "tibetischen Leibeigene" an die Grundherren davon ab, wieviele Arbeitresourcen (d.h. Land, Vieh, etc) sie von den Grundherren bekamen. Die restlichen Erträge bekamen allesamt die "tibetischen Leibeigene" selber, sodass manche "Leibeigene" von der Kommunistischen partei sogar als "reiche Bauern(富农”) klassifiziert wurden, die als reaktionäre Elemente zu unterdrücken galten.Welch eine Ironie!
Und im übrigen: die Hungersnot in Tibet 1960-1962 war die größte Hungerkatastrophe in der Geschichte Tibets.
Die Situation der Bauern in der VR China verbesserte sich erst nach 1978, nach Maos Tod.Goldzeitalter für chinesische Bauern: 1979-1989.
80 Prozent der Armutreduzierung seit 1978 fand zwischen diesen 10 Jahren statt.Aber seit den letzten 10 Jahren stagniert die Entwicklung der ländlichen Gebiete, insbesondere in West/Nord/Mittelchina, die Bauern dort wurden abgehängt, heißt, die Mehrheit konnte nicht an dem Wirtschaftsaufschwung teilhaben.Soziale Mobilität wird jetzt zunehmend erschwert durch die Verfestigung der sozialen Klassen.Das sieht man allein schon daran, dass der Anteil der Landkinder an den Studenten von Elite-Universitäten noch geringer ist als vor 20 jahren.
Die Einkommensunterschiede zwischen Land und Stadt-Bevölkerung haben sich in den letzten 20 Jahren vervielfacht.Trotz enormer wirtschaftlichen und sozialen Umwälzungen bleibt das duale Hukou-System bestehen, das zur Folge hat, dass Bauern weiterhin weitesgehend von Sozialsystemen der Stadt ausgechlossen werden, auch wenn Bauern schon seit vielen Jahren in der Stadt arbeiten, dass Bauernkinder auf dem Papier Bauern bleiben und keine staatlichen Schulen in der Stadt besuchen können, auch wenn sie in der Stadt aufgewachsen sind. "Bauer" ist in China kein Beruf, sondern eine angeborene Klassenzugehörigkeit, die vererbbar ist.Stadtkinder können auf dem Papier keine Landkinder sein, selbst wenn sie auf dem Land geboren sind.Landkinder können keine Stadtkinder sein, selbst wenn sie in der Stadt geboren sind.