Was wird aus Nordkorea?

In diesem Forum können sich alle austauschen, die an Land und Leuten Koreas interessiert sind.
Mathias
Old China Hand
Old China Hand
Beiträge: 866
Registriert: 20.09.2008, 18:49
Wohnort: 塔什库尔干

Re: Was wird aus Nordkorea?

Beitrag von Mathias »

Vorab: Prognosen sind hier wirklich schwer, die Informationslage ist wohl bei keinem Land so duenn, wie Nordkorea.
ingo_001 hat geschrieben: ... Ich wage mal eine Prognose ... Über kurz oder lang wirds in Etwa so ablaufen wie damals hierzulande ...
Ich denke: Nein und Ja :lol:
Nord- und Suedkoreaner sind mittlerweile wesentlich weiter voneinander entfernt, als Ende der 1980er Ost- und Westdeutsche. Die Suedkoreaner sind mittlerweile an einer Wiedervereinigung (kann man nach 60 Jahren hermetischer Abriegelung und einem barbarischen "Bruder"-krieg ueberhaupt noch von Wiedervereinigung sprechen?) mindestens genauso desinteressiert, wie damals Westdeutschland. In die Koepfe der Nordkoreaner vermag wohl im Moment kaum jemand zu schauen.
Allerdings waere ein aehnliches Szenario, wie im Herbst 1989 denkbar. Nordkorea kollabiert mangels Substanz (ploetzlich und unerwartet, nach langer, schwerer Krankheit :lol: ) und den mehr oder weniger ueberraschten Nachbarn ist es nach dem ersten Schock ganz recht so. Der wesentliche Faktor ist hier wohl China. Vielleicht sollte sich Obama an den 38sten Breitengrad stellen und ausrufen: "Mr. Hu, tear down this wall!".
Bernhard
VIP
VIP
Beiträge: 2459
Registriert: 17.01.2009, 23:34

Re: Was wird aus Nordkorea?

Beitrag von Bernhard »

Mathias hat geschrieben: Vielleicht sollte sich Obama an den 38sten Breitengrad stellen und ausrufen: "Mr. Hu, tear down this wall!".
:lol:

Na ja, Mr. Hu hat da wesentlich weniger Einfluss als Mr. Gorbatchev damals.

Außerdem wird Mr. Hu antworten "Me??? It's you who is maintaining it!". Und wenn nicht Mr. Hu, dann Mr. Kim...

Es ist eine traurige Angelegenheit. Aber ewig kann das so nicht weiter gehen. Nordkorea ist relativ klein, da kann man hoffen, dass ein Umschwung einigermaßen glimpflich vor sich geht. Aber selbst da ist es nicht sicher. Generäle und andere Privilegierte, mindestens 2 Generationen, die nur die Juche-Indoktrination kennen, (eventuell) stürmische Studenten, breite Bevölkerungskreise, die Hunger erlebt haben und vielleicht immer noch erleben.... das könnte eine explosive Mischung werden. Das einzige Glück von Korea ist wohl noch, dass es ethnisch relativ homogen ist...
Benutzeravatar
ingo_001
Titan
Titan
Beiträge: 12205
Registriert: 02.09.2008, 14:41
Wohnort: Berlin
Hat sich bedankt: 1 Mal
Danksagung erhalten: 21 Mal

Re: Was wird aus Nordkorea?

Beitrag von ingo_001 »

Bernhard hat geschrieben: China (inclusive seiner Führer) ist heutzutage sehr pragmatisch. Zu Maos Zeiten war es jedoch eines der Länder, in der die Ideologie am verbissensten durchgezogen wurde.
Und genau DAS lässt mich ja auf eine friedliche Wiedervereinigung hoffen, denn wenn schon "der grosse Bruder China" - wenigstens in wirtschaftlicher Hinsicht - die kommunistischen Idee de facto ad acta gelegt hat, dann sollte es auch für "den kleinen Bruder Nord-Korea" möglich sein.
Zumal ja trotz aller sozialen Spannungen und der jetzigen Wirtschaftskrise klar ersichtlich ist, dass es den meisten Chinesen heute weitaus besser geht, als zu Maos Zeiten.
Und diese Zeiten wünschen sich die wenigsten Chinesen zurück - was auch auf die chinesische Regierung zutrifft.

Ich vergleiche das mal mit dem Verhältnis der damaligen DDR zur "Gorbatschow-UdSSR" - letztlich standen Honecker & Co. auf verlorenem Posten, da sie dachten, als letzte "wahre Vertreter" des Kommunismus in Europa die sich anbahnenden/ablaufenden Entwicklungen mit Nichtachtung strafen zu können.
Auch die altbekannten (Durchhalte)Parolen konnten das Scheitern des eingeschlagenen Weges nicht verhindern.
Wie sagte Gornatschow damals so treffend und vorausschauend: Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben.

Diesem Beispiel wird auch Nord-Korea - wie schon gesagt - folgen (wenn nicht das Militär die Macht an sich reisst).
Wer Geist hat, hat sicher auch das rechte Wort, aber wer Worte hat, hat darum noch nicht notwendig Geist.

Die Logik ist Deine Freundin - Wünsch-Dir-Was und Untergangs-Propheten sind falsche Freunde.
Benutzeravatar
ingo_001
Titan
Titan
Beiträge: 12205
Registriert: 02.09.2008, 14:41
Wohnort: Berlin
Hat sich bedankt: 1 Mal
Danksagung erhalten: 21 Mal

Re: Was wird aus Nordkorea?

Beitrag von ingo_001 »

Mathias hat geschrieben:Vielleicht sollte sich Obama an den 38sten Breitengrad stellen und ausrufen: "Mr. Hu, tear down this wall!".
Well spoken, Mr. Mathias :mrgreen:
Wer Geist hat, hat sicher auch das rechte Wort, aber wer Worte hat, hat darum noch nicht notwendig Geist.

Die Logik ist Deine Freundin - Wünsch-Dir-Was und Untergangs-Propheten sind falsche Freunde.
Mathias
Old China Hand
Old China Hand
Beiträge: 866
Registriert: 20.09.2008, 18:49
Wohnort: 塔什库尔干

Re: Was wird aus Nordkorea?

Beitrag von Mathias »

Bernhard hat geschrieben: ... Außerdem wird Mr. Hu antworten "Me??? It's you who is maintaining it!". Und wenn nicht Mr. Hu, dann Mr. Kim ...
Das stimmt allerdings, eine so direkte Ansprache, wuerde in Asien voll nach hinten los gehen. Ich habs auch mehr symbolisch gemeint, die Amerikaner erkennen China mittlerweile als politisches Schwergewicht an und sollten entsprechende Signale aussenden.
Bernhard hat geschrieben: ... Na ja, Mr. Hu hat da wesentlich weniger Einfluss als Mr. Gorbatchev damals ...
Ich kann hier in Shenyang eigentlich taeglich auf die Bahnstrecke Pjöngjang-Beijing schauen. Die Bahnlinie ueber den Yalu bei Dandong ist sozusagen die Nabelschnur Koreas. Und selbst mit dem Flugzeug muessen die meisten Nordkoreaner ueber Shenyang.
Ich denke schon, Nordkoreas Zukunft haengt stark davon ab, wie China die Situation einschaetzt. Bis jetzt war es wohl "Pufferzone", aber einen Risikoherd wird China in Zukunft auch nicht vor der Haustuer haben wollen.
Pikantes Detail am Rande, bis vor Kurzem stand das Denkmal fuer die Helden des Koreakrieges mitten im Zentrum von Shenyang. Jetzt hat "man" es dezent in der Naehe des Flugplatzes Beiling aufgestellt, eine eher ruhige Gegend :lol:
Bernhard
VIP
VIP
Beiträge: 2459
Registriert: 17.01.2009, 23:34

Re: Was wird aus Nordkorea?

Beitrag von Bernhard »

Mathias hat geschrieben:Das stimmt allerdings, eine so direkte Ansprache, wuerde in Asien voll nach hinten los gehen.
So hatte ich das nicht einmal gemeint. Ich meinte: Die Mauer in Berlin hatte nun mal die DDR gebaut. Man konnte die Sache drehen und wenden, wie man wollte (von wegen Notwendigkeit, Bedrohung, etc.), es waren ostdeutsche Bauarbeiter oder Soldaten gewesen.
An der innerkoreanischen Grenze stehen sich aber nur große Truppenkontingente gegenüber. Und da sagen dann beide: "Der andere bedroht, wir verteidigen nur!"
Mathias hat geschrieben: Ich habs auch mehr symbolisch gemeint, die Amerikaner erkennen China mittlerweile als politisches Schwergewicht an und sollten entsprechende Signale aussenden.
Das ist ein leidiges Thema. Nach meiner Wahrnehmung (die falsch sein kann) pochen die Chinesen ständig darauf, eine Großmacht zu sein und bitteschön auch so behandelt zu werden. Nur: eine Großmacht ist normalerweise nicht so leicht zu erschüttern. Wenn aber die chinesische Regierung die kleinste Kritik hört, reagiert sie wie ein ausgesprochen zickiges Kind.
Mathias hat geschrieben: Und selbst mit dem Flugzeug muessen die meisten Nordkoreaner ueber Shenyang.
"die meisten Nordkoreaner"? Kommen denn Massen von ihnen aus Nordkorea raus? Ich dachte, nur ganz ausgewählte Leute können mit Sondergenehmigung unter strengsten Sicherheitsvorkehrungen reisen.
Du bist jetzt in Shenyang? Schön, schön. Ich wollte jetzt auch dort sein. Meine Freundin ist im Moment dort :D
Mathias hat geschrieben: Pikantes Detail am Rande, bis vor Kurzem stand das Denkmal fuer die Helden des Koreakrieges mitten im Zentrum von Shenyang. Jetzt hat "man" es dezent in der Naehe des Flugplatzes Beiling aufgestellt, eine eher ruhige Gegend :lol:
:lol:
Mathias
Old China Hand
Old China Hand
Beiträge: 866
Registriert: 20.09.2008, 18:49
Wohnort: 塔什库尔干

Re: Was wird aus Nordkorea?

Beitrag von Mathias »

Bernhard hat geschrieben: ... "die meisten Nordkoreaner"? Kommen denn Massen von ihnen aus Nordkorea raus? Ich dachte, nur ganz ausgewählte Leute können mit Sondergenehmigung unter strengsten Sicherheitsvorkehrungen reisen ...
Viele Nordkoreaner sind hier während des Koreakrieges hängengeblieben. Während der Hungerkatastrophen in den 1990ern sind viele Nordkoreaner über die, damals schlecht bewachte, grüne Grenze gekommen. Seit ein paar Jahren, vor allem zur Olympiade 2008 ist die Grenzsicherung jedoch stark ausgebaut worden. Trotzdem sollen die Flüchtlingszahlen seit 2007 stark ansteigen. Sicher auch eine Tatsache, die in China zu Denken gibt.
romeo
Old China Hand
Old China Hand
Beiträge: 760
Registriert: 16.06.2006, 18:42

Re: Was wird aus Nordkorea?

Beitrag von romeo »

Aufgrund der jahrzehntelangen massiven Indoktrinierung habe ich meine Zweifel, daß ein notwendiger Umsturz in NK friedlich ablaufen wird. Die geistige Distanz zw. Nord- ud Südkorea erachte ich für sehr, sehr groß und dürfte nur in Ansätzen mit Dtl. vergleichbar sein. In der DDR hatten fast alle die Möglichkeit Westfernsehen zu schauen und es bestanden trotz Überwachung viele familiäre Kontakte weiter.

Mal etwas zur Indoktrinierung. Ein guter Freund von mir hatte vor ein paar Jahren mal die Möglichkeit für 2-3 Tage nach NK zu reisen. Trotz einer Abschirmung durch die Geheimpolizei bekam er mit, wie aggressiv selbst einfache Bürger auf das Erscheinen eines Ausländers reagierten. Er verstand zwar nicht was gesagt wurde, beschimpft wurde er aber auf jeden Fall.
Bernhard
VIP
VIP
Beiträge: 2459
Registriert: 17.01.2009, 23:34

Re: Was wird aus Nordkorea?

Beitrag von Bernhard »

Ja, die geistige Distanz scheint mir auch ein wesentliches Hindernis für eine Wiedervereinigung. Diejenigen, die jetzt ca. 50 Jahre alt sind, haben nie etwas anderes gehört als Juche-Ideologie. Das lässt sich nicht mit der DDR vergleichen (trotz starker ideologischer Ausrichtung dort).
romeo hat geschrieben: Mal etwas zur Indoktrinierung. Ein guter Freund von mir hatte vor ein paar Jahren mal die Möglichkeit für 2-3 Tage nach NK zu reisen. Trotz einer Abschirmung durch die Geheimpolizei bekam er mit, wie aggressiv selbst einfache Bürger auf das Erscheinen eines Ausländers reagierten. Er verstand zwar nicht was gesagt wurde, beschimpft wurde er aber auf jeden Fall.
Das kann ich mir durchaus vorstellen. Die Verteufelung des westlichen Auslands ist dort wohl massiv. Nach Nordkorea gereist... Einerseits würde ich das auch mal gern, andererseits kriegt man sowieso nur das zu sehen, was die einem zeigen wollen...
romeo
Old China Hand
Old China Hand
Beiträge: 760
Registriert: 16.06.2006, 18:42

Re: Was wird aus Nordkorea?

Beitrag von romeo »

Bernhard hat geschrieben:Ja, die geistige Distanz scheint mir auch ein wesentliches Hindernis für eine Wiedervereinigung. Diejenigen, die jetzt ca. 50 Jahre alt sind, haben nie etwas anderes gehört als Juche-Ideologie. Das lässt sich nicht mit der DDR vergleichen (trotz starker ideologischer Ausrichtung dort).
romeo hat geschrieben: Mal etwas zur Indoktrinierung. Ein guter Freund von mir hatte vor ein paar Jahren mal die Möglichkeit für 2-3 Tage nach NK zu reisen. Trotz einer Abschirmung durch die Geheimpolizei bekam er mit, wie aggressiv selbst einfache Bürger auf das Erscheinen eines Ausländers reagierten. Er verstand zwar nicht was gesagt wurde, beschimpft wurde er aber auf jeden Fall.
Das kann ich mir durchaus vorstellen. Die Verteufelung des westlichen Auslands ist dort wohl massiv. Nach Nordkorea gereist... Einerseits würde ich das auch mal gern, andererseits kriegt man sowieso nur das zu sehen, was die einem zeigen wollen...
Ich denke, daß es schon reicht, wenn man einen Ausschnitt des täglichen Lebens betrachten kann. Er meinte auch zu mir, wie erschreckend der Unterschied zu China ist. An einem Abend war er in einer chinesischen Grenzstadt. Während die chines. Seite hell und mit Reklame erleuchtet war, verschwand die koreanische Grenzstadt bis auf ein paar trübe Funzeln in der Dunkelheit.
Bernhard
VIP
VIP
Beiträge: 2459
Registriert: 17.01.2009, 23:34

Re: Was wird aus Nordkorea?

Beitrag von Bernhard »

romeo hat geschrieben: Ich denke, daß es schon reicht, wenn man einen Ausschnitt des täglichen Lebens betrachten kann. Er meinte auch zu mir, wie erschreckend der Unterschied zu China ist. An einem Abend war er in einer chinesischen Grenzstadt. Während die chines. Seite hell und mit Reklame erleuchtet war, verschwand die koreanische Grenzstadt bis auf ein paar trübe Funzeln in der Dunkelheit.
Das wundert mich nicht. Und in China war es früher auch so. Viele alte Chinesen fühlen sich da bestimmt in ihre Jugend versetzt...
ijontichy
Forumsprofi
Forumsprofi
Beiträge: 189
Registriert: 07.01.2009, 18:54

Re: Was wird aus Nordkorea?

Beitrag von ijontichy »

Während die chines. Seite hell und mit Reklame erleuchtet war, verschwand die koreanische Grenzstadt bis auf ein paar trübe Funzeln in der Dunkelheit.
Das erinnert mich an die bekannten Satellitenaufnahmen... http://www.globalsecurity.org/military/ ... k-dark.htm
Mathias
Old China Hand
Old China Hand
Beiträge: 866
Registriert: 20.09.2008, 18:49
Wohnort: 塔什库尔干

Re: Was wird aus Nordkorea?

Beitrag von Mathias »

ijontichy hat geschrieben: ... erinnert mich an die bekannten Satellitenaufnahmen ...
Wer mal etwas Lust zum stöbern hat, hier gibt es für Google Earth ein recht umfangreiches Overlay.
Mathias
Old China Hand
Old China Hand
Beiträge: 866
Registriert: 20.09.2008, 18:49
Wohnort: 塔什库尔干

Re: Was wird aus Nordkorea?

Beitrag von Mathias »

Hier noch eine interessante Analyse des nordkoreanischen Staates. Besonders das scheinbar unerklärliche Überleben dieses Staates wird meiner Meinung nach gut beleuchtet.
Bernhard
VIP
VIP
Beiträge: 2459
Registriert: 17.01.2009, 23:34

Re: Was wird aus Nordkorea?

Beitrag von Bernhard »

Hallo Mathias,

danke für den Link zu dem Programm und für den Text.

Ein paar Gedanken bzw. Fragen tauchen bei mir auf, wenn ich diesen Text lese:
Wie können Leute von der koreanischen Minderheit in Japan Nordkorea unterstützen? Die wissen doch, was für ein Staat das ist...
Auch ist es ein großer Widerspruch, sich einerseits Selbstgenügsamkeit auf die Fahnen schreiben, dann aber massiv Hilfe vom Ausland annehmen, diese sogar zu erwarten und bei Nichterfolgen zu erpressen. Sogar mit der Drohung des Todes der eigenen Bevölkerung. Die Führung hat anscheinend kein Mitgefühl mit der eigenen Bevölkerung, aber das Ausland soll es haben. Wie wollen die um alles in der Welt ihre Herrschaft der eigenen Bevölkerung als legitim darstellen. Aber irgendwie scheint es zu funktionieren. Natürlich auch mit einem massiven Gewalt- und Einschüchterungsapparat.
Antworten

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 28 Gäste