Verhältnis China - Japan

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no1gizmo
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Re: Verhältnis China - Japan

Beitrag von no1gizmo »

HK_Yan hat geschrieben: Das ist kein treffender Vergleich. Ein besser Vergleich ist:

wenn Merkel einen Kranz an einer Gedenkstaette der deutschen Kriegsgefallenen legen wuerde.
Finde ich auch. Und übrigens würde ich es nicht verteufeln, wenn dies passieren würde.

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Ich finde es wie gesagt schade, dass Japaner und Chinesin sich gegenseitig so angiften, obwohl ich Japaner kaum kenne (währenddessen ich sehr viele Chinesen kenne) und daher auch gar nicht weiß, was die von Chinesen eigentlich halten.

Aber befasst habe ich mich mit beiden Kulturen mehr oder weniger, und da muss ich doch sagen: die Kultur ist sehr ähnlich. Kein Wunder, so haben Japaner die Kultur von China in der sehr frühen Vergangenheit ja kopiert (Architektur, Schrift, Kampfsport, Waffen, Werkzeuge usw.). Und Japaner haben auch diese (aus meiner Sicht) "Macken" der Chinesen, Stichwort "Gesicht verlieren".

Aber da Koreaner auch so eine Ablehnung gegen Japaner, auch wegen Kriegsverbrechen, pflegen, muss da schon was dran sein.
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HK_Yan
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Re: Verhältnis China - Japan

Beitrag von HK_Yan »

oder auch die Entscheidung der japanischen Regierung, bestimmte "dunkle" Kapitel der japanischen Geschichte nicht in die Geschichtsbücher aufzunehmen bzw. wieder daraus zu entfernen, so z. B. das Massaker von Nanking von 1937.
Geschichtsbuecher in Japan (und auch in Deutschland) werden aber nicht von der "Regierung" herausgegeben sondern von privaten Firmen. Letztendlich entscheiden die Schulen frei welche Buecher sie verwenden.

Du denkst da vermutlich an einen Fall von einem Geschichtsbuch das von einer handvoll (0.03%) japanischer Schulen verwendet wird. Selbst da steht allerdings der "Nanjing Incident" drin und das dort viele Chinesische Zivilisten starben.

Sicher findet sich auch in Deutschland ein Geschichtsbuch das die KZs leugnet, oder verdreht. Das heist aber nicht das man allgemein in DE daran glaubt. Genau so ist es in Japan.
Aber da Koreaner auch so eine Ablehnung gegen Japaner, auch wegen Kriegsverbrechen, pflegen, muss da schon was dran sein.
Koreaner stellen die groesste Minderheit in Japan dar. Uebrigends studieren ca. 100.000 Chinesen in Japan.

China benutzt die Vergangenheit aber eher intern um von eigenen internen Problemen abzulenken. Man denke nurmal wieviel Chinesen durch die KP umgekommen sind. Eine Gedenkstaette fuer die beim "Great Leap Forward" umgekommenen ist mir nicht bekannt. Was wohl die chinesischen Geschichtsbuecher darueber sagen?
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bossel
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Re: Verhältnis China - Japan

Beitrag von bossel »

no1gizmo hat geschrieben:
HK_Yan hat geschrieben: Das ist kein treffender Vergleich. Ein besser Vergleich ist:

wenn Merkel einen Kranz an einer Gedenkstaette der deutschen Kriegsgefallenen legen wuerde.
Finde ich auch. Und übrigens würde ich es nicht verteufeln, wenn dies passieren würde.
Sorry, aber wie JD schon ziemlich deutlich gemacht hat, ist das kein passender Vergleich.
Die Leute, um die es geht, sind nicht ein paar Soldaten, die sich vielleicht schuldig gemacht haben, sondern hochrangige, verurteilte Kriegsverbrecher.

HK_Yan hat geschrieben:Du denkst da vermutlich an einen Fall von einem Geschichtsbuch das von einer handvoll (0.03%) japanischer Schulen verwendet wird. Selbst da steht allerdings der "Nanjing Incident" drin und das dort viele Chinesische Zivilisten starben.

Ach ja, genau. & dann gab es da in Deutschland noch den Auschwitz-Zwischenfall, bei dem viele jüdische Zivilisten starben. Ich frage mich, ob Du das so in deutschen Schulbüchern findest...
(Bist Du übrigens sicher, daß japanische Schulbücher Englisch benutzen, um das Massaker zu beschreiben?)

Japanische Schulen haben nur die Auswahl zwischen Schulbüchern, die vom Bildungsministerium geprüft & zugelassen wurden. Im Bereich Geschichte sind das gewöhnlich 7 oder 8. Bei den Protesten geht es also wohl eher darum, daß die japanische Regierung so einen Schwachsinn offiziell für den Schulunterricht zuläßt & nicht so sehr, wieviele Schulen das Buch benutzen.
Sicher findet sich auch in Deutschland ein Geschichtsbuch das die KZs leugnet, oder verdreht.
Welches auch in Schulen benutzt wird? Für diese Aussage möchte ich dann aber eine Quelle sehen.
Selbst normale Sachbücher mit so einer Aussage müßten wegen der aktuellen Gesetzeslage ja vom Markt genommen werden.
Eine Gedenkstaette fuer die beim "Great Leap Forward" umgekommenen ist mir nicht bekannt. Was wohl die chinesischen Geschichtsbuecher darueber sagen?
Wenig, wahrscheinlich.
Aber inwiefern bezieht sich die Erwähnung des Großen Sprungs nach vorn (warum eigentlich schon wieder englisch?) auf die Probleme China-Japan?

Erscheint mir eher wie eins der typischen Ablenkungsmanöver... (wie im Kindergarten: Peter hat in die Hose gepinkelt, zeigt auf Michael & schreit: "Letztens hat M. in die Hose geschissen!")


PS: Was die Entschuldigungen angeht, kann man wohl sagen, daß die Taten den Worten widersprechen. Besonders pikant ist das, wenn der MP sich mal wieder entschuldigt, & quasi gleichzeitig zig Parlamentsabgeordnete seiner Fraktion den Yasukunischrein besuchen.
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Re: Verhältnis China - Japan

Beitrag von ralferly »

bossel hat geschrieben:Erscheint mir eher wie eins der typischen Ablenkungsmanöver... (wie im Kindergarten: Peter hat in die Hose gepinkelt, zeigt auf Michael & schreit: "Letztens hat M. in die Hose geschissen!")
Hi,

ich habe mir den Thread bis hierher interessiert durchgelesen. Ich hoffe, es wird mir nicht zur Last gelegt, dass dies mein erster Post hier ist, denn das Thema beschäftigt mich schon seit etlichen Jahren und hätte auch zu verschiedenen angesprochenen Aspekten etwas zu sagen, würde mich aber zunächst auf das mir am wichtigsten scheinende konzentrieren: Nämlich die "offizielle" (Eigen-) Wahrnehmung im geschichtlichen Kontext.
Da hier an etlichen Stellen mit unpassenden Vergleichen gearbeitet wurde, würde ich gern einmal den Demozid in China, welcher sich in der Zeit des Nanking-Massakers und in der Folgezeit des Japanisch-Chinesischen Krieges abspielte, durchleuchten. Und da sagt zum Beispiel die Aufstellung R.J. Rummels, dass rund 4 Millionen Zivilisten durch Japaner und deren Helfeshelfer in China getötet wurden, diese Zahl aber durch mehr als 6 Millionen zivilen Toten durch Chinesen selbst (Nationalisten und Kommunisten) durchweg noch in den Schatten gestellt wird. (Link) Dies soll und kann natürlich nicht Unrecht relativeren oder aufwiegen, schließlich sprechen wir hier von zwei (oder gar mehreren) Verbrechen in Dimensionen des Holocausts, aber wenn man von Ablenkungsmanövern spricht, sollte man schon auch die andere Seite der Medaille an der Geschichte kennen und diese, sprich den Bürgerkrieg ebenso einzugestehen.
Und genau das schein mir das Problem zu sein. Solange die eigene Geschichte nur unwillig im breiten Grade aufgearbeitet wird und im Gegenzug viel irrationale Mühe in die Erhaltung eines Feindbildes investiert wird, wird es die VR China sein, die sich die Stiefel mit der Aufschrift "Ablenkungsmanöver" gezwungenermaßen anzieht... (oder frei und zugegebener Maßen reichlich verharmlosend nach dem Beispiel oben: Der Michael, der sich in die Hose sch!ss, zeigt noch nach 70 Jahren auf den Peter und ruft: "Das ist der, der dann und dann sich einpinkelte! (Und was mit mir los war, geht niemanden etwas an!)" :wink: )

Ralf

PS: Ich habe glücklicherweise genügend chinesische Freunde treffen können, die über den eigenen Schatten gesprungen sind und mit denen sich ebenso mit japanischen Freunden zusammen gut feiern ließ. Mit ein bisschen guten Willen und einem offenen Herzen geht manchmal mehr, als man denkt. :D
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HK_Yan
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Re: Verhältnis China - Japan

Beitrag von HK_Yan »

Bei den Protesten geht es also wohl eher darum, daß die japanische Regierung so einen Schwachsinn offiziell für den Schulunterricht zuläßt
Um ein Schulbuch abzulehnen muss es faktisch falsch sein. Der Text ist aber faktisch richtig und kaum angreifbar. Die Information ist sehr karg, das macht den Text aber nicht falsch.

Links dazu gibt es genug im Net.
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jd
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Re: Verhältnis China - Japan

Beitrag von jd »

ralferly hat geschrieben:Da hier an etlichen Stellen mit unpassenden Vergleichen gearbeitet wurde, würde ich gern einmal den Demozid in China, welcher sich in der Zeit des Nanking-Massakers und in der Folgezeit des Japanisch-Chinesischen Krieges abspielte, durchleuchten. Und da sagt zum Beispiel die Aufstellung R.J. Rummels, dass rund 4 Millionen Zivilisten durch Japaner und deren Helfeshelfer in China getötet wurden, diese Zahl aber durch mehr als 6 Millionen zivilen Toten durch Chinesen selbst (Nationalisten und Kommunisten) durchweg noch in den Schatten gestellt wird. (Link) Dies soll und kann natürlich nicht Unrecht relativeren oder aufwiegen, schließlich sprechen wir hier von zwei (oder gar mehreren) Verbrechen in Dimensionen des Holocausts, aber wenn man von Ablenkungsmanövern spricht, sollte man schon auch die andere Seite der Medaille an der Geschichte kennen und diese, sprich den Bürgerkrieg ebenso einzugestehen.
Und genau das schein mir das Problem zu sein. Solange die eigene Geschichte nur unwillig im breiten Grade aufgearbeitet wird und im Gegenzug viel irrationale Mühe in die Erhaltung eines Feindbildes investiert wird, wird es die VR China sein, die sich die Stiefel mit der Aufschrift "Ablenkungsmanöver" gezwungenermaßen anzieht...
Ich glaube, ich muss noch mal auf das erste - gleichzeitig von mir stammende - Posting dieses Threads zurückkommen:

Ich war sehr davon angetan, dass anlässlich des 70. Jahrestages des Massakers von Nanking 1937 "ausgerechnet" ein "Kirschblüten statt Massaker" betitelter taz-Artikel erschien, der von einer Annäherung Chinas und Japans auf Regierungsebene zu berichten wusste. :)

Der Ausgangspunkt dieses Threads war also, dass, um realpolitisch in den bilateralen Dialog einzutreten, der "chinesische Finger" nicht in die offene "japanische Wunde" gelegt wurde...

Umso mehr verstimmt mich andererseits eine Diskussion, die die Tendenz hat, das Wachhalten von japanischen Kriegsverbrechen im chinesischen Kollektivgedächtnis als "Ablenkungsmanöver" zu diskreditieren. :twisted: Ein solcher Vorwurf hat meines Erachtens so lange keine Berechtigung, wie der Mainstream des japanischen Geschichtsbewußtseins die Kriegsverbrechen des eigenen Landes zu einem Tabuthema erklärt und eine ebenso konservative wie symbolträchtige Politik genau dies noch befördert. :!:

Im Übrigen halte ich die "Ablenkungsmanöver"-Debatte aus zwei weiteren Gründen für nicht zielführend, um es einmal euphemistisch auszudrücken. Ich halte bereits den Ansatz, dass China, indem es das Unrecht der Japaner anprangere, vom eigenen Unrecht ablenke, für verzerrend. Und zwar aus folgenden Gründen:

Zum einen ist es - wie ralferly selbst feststellt - absolut unzulässig, verschiedene Verbrechen gegeneinander aufzurechnen (mit dem Hintergedanken, sie dadurch zu relativieren). Mit anderen Worten: Die Kritik Chinas an den japanischen Kriegsverbrechen verliert nicht deshalb an Berechtigung und Gewicht, weil auch unter Mao und Chiang Kai-shek Millionen von Menschen ihr Leben verloren haben.

Zum anderen implizieren die Worte "Ablenkungsmanöver" und - in noch stärkerem Maße - "Kehrseite der Medaille", dass durch die eigene Kritik am Unrecht des Anderen vom eigenen Unrecht am Anderen abgelenkt werden soll. So liegt hier aber der Fall nicht, da ja die Chinesen durch ihre Kritik am offiziellen japanischen Gedenken an Kriegsgefallene wie Kriegsverbrecher gleichermaßen nicht von eigenem gegen Japaner begangenes Unrecht ablenken, sondern allenfalls diese Kritik über die regierungsamtlich gleichgeschaltete Presse dazu benutzen, von eigenem gegen das eigene Volk begangenes Unrecht abzulenken.

Dass natürlich die chinesische Geschichtswissenschaft nicht frei von politischer Zensur ist und daher eine die Aufarbeitung der eigenen Geschichte bzgl. bestimmter Themengebiete ebenfalls einer wissenschaftsfeindlichen Tabuisierung unterliegt, ist ein großes Manko. Aber dies kann - dies sei wiederholt - nicht dazu führen, der Kritik an der Unzulänglichkeit des japanischen Geschichtsbildes die Spitze zu nehmen.

Und schon gar nicht will mir in diesem Zusammenhang die Forderung (a la no1gizmo) einleuchten, unter die Vergangenheit ("endlich") einen Schlussstrich zu ziehen, denn bevor ein Schlussstrich gezogen werden kann, muss zunächst ja erst einmal eine Aufklärung und Aufarbeitung der Geschichte erfolgt sein.

Dies heißt allerdings im Umkehrschluss nicht, dass deshalb eine Verständigung zwischen den Völkern unmöglich würde. Umgekehrt wird ein Schuh daraus: Erst durch eine ernsthafte Auseinandersetzung mit und Aufarbeitung der eigenen Geschichte erwirbt man sich im Ausland und unter Umständen sogar selbst bei den Opfern wieder Respekt und Ansehen, die im weiteren zu einer Verständigung auf gleicher Augenhöhe führen kann.

Und um zum Ausgangspunkt dieses Threads zurückzukommen. Ich fand es in diesem Zusammenhang (und für das chinesisch-japanische Verhältnis) sehr ermutigend, dass der taz-Artikel von Umfrageergebnissen berichtete, denen zufolge weder die Chinesen noch die Japaner die Bevölkerung des anderen Landes als erstes mit Krieg und Leid in Verbindung bringen.

Jens David,
der bestätigen kann, dass das (auch heute noch offiziell) in China propagierte "Feindbild Japan" bisweilen kuriose Blüten treibt... :?
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Re: Verhältnis China - Japan

Beitrag von no1gizmo »

jd hat geschrieben: Jens David,
der bestätigen kann, dass das (auch heute noch offiziell) in China propagierte "Feindbild Japan" bisweilen kuriose Blüten treibt... :?
Schön gesagt, aber die ganze Sache wird lächerlich, wenn die Chinesen japanische Produkte kaufen. Und das tun sie reichlich, weil Japan Produkte mit hoher Qualität produziert.
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jd
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Re: Verhältnis China - Japan

Beitrag von jd »

HK_Yan hat geschrieben:Um ein Schulbuch abzulehnen muss es faktisch falsch sein. Der Text ist aber faktisch richtig und kaum angreifbar. Die Information ist sehr karg, das macht den Text aber nicht falsch.
Na ja, auch durch das Unterschlagen relevanter Fakten wird die Sachinformation (z. B. eines Schulbuches) verzerrt oder gar ganz entwertet.

Es ist ein Unterschied, welche Worte ich wähle, um ein historisches Ereignis darzustellen. Und dabei ist es nicht immer von Vorteil, wenn man "neutrale" Wörter (wie z.B. Vorkommnis von Nanking) statt wertender Wörter (wie z.B. Massaker von Nanking oder vielfacher Mord und Vergewaltigung in Nanking) verwendet. Denn die "neutralen" Wörter sind zwar nicht "falsch", aber sie verschleiern und verharmlosen u.U. den tatsächlichen Sachverhalt. Und eine auf diese Art verzerrte Geschehensschilderung ist in meinen Augen dann letztlich auch "falsch".

Mein im letzten Posting dargelegter Ansatzpunkt von der eigenen Vergangenheitsaufarbeitung als Ausgangspunkt für eine Verständigung (und Aussöhnung) mit den Opfern kommt sehr gut zum Ausdruck in dem Vortrag des japanischen Journalisten Toru Kumagai über "Die Aufarbeitung der Vergangenheit aus japanischer Sicht", den ich allen hier Diskutierenden zum Lesen sehr empfehle.

Jens David,
der sich eine tabulose Aufarbeitung der Rolle Japans im 2. Weltkrieg durch die japanische Geschichtswissenschaft wünschen würde
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Re: Verhältnis China - Japan

Beitrag von bossel »

ralferly hat geschrieben:Nämlich die "offizielle" (Eigen-) Wahrnehmung im geschichtlichen Kontext.
Genau, & da hat Japan nunmal viel aufzuholen.
Die Frage, wieviel China da bei der eigenen Geschichte aufzuholen hat, ist aber für die sino-japanischen Beziehungen weitgehend irrelevant.
Und da sagt zum Beispiel die Aufstellung R.J. Rummels, dass rund 4 Millionen [edit bossel: Rummel spricht übrigens von Kriegsgefangenen &] Zivilisten durch Japaner und deren Helfeshelfer in China getötet wurden, diese Zahl aber durch mehr als 6 Millionen zivilen Toten durch Chinesen selbst (Nationalisten und Kommunisten) durchweg noch in den Schatten gestellt wird.
Schön, daß es tatsächlich auch in Deutschland jemanden gibt, der Rummel kennt (mein Favorit, wenn es um Todeszahlen in der Geschichte geht). Frage mich allerdings, warum Du dann nicht direkt auf Rummels Demozidhomepage oder wenigstens seinen Blog verlinkst...
Aber um auf unpassende Vergleiche zurückzukommen: Wieviele japanische Kriegsgefangene & Zivilisten wurden denn durch Chinesen (Nationalisten & Kommunisten) ermordet?

China hat viel Dreck am Stecken (im 20. Jh. mehr als andere Staaten), aber eben nicht in Bezug auf Japan.
HK_Yan hat geschrieben:Um ein Schulbuch abzulehnen muss es faktisch falsch sein. Der Text ist aber faktisch richtig und kaum angreifbar. Die Information ist sehr karg, das macht den Text aber nicht falsch.
Faktisch falsch.
Das japanische Bildungsministerium hat auch schon Lehrbücher nicht wegen faktischer Fehler abgewiesen, sondern weil Sachen nicht drinstanden, die die Politiker doch gerne drin gesehen hätten.
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Re: Verhältnis China - Japan

Beitrag von Kathrin P. »

bossel hat geschrieben:
Sicher findet sich auch in Deutschland ein Geschichtsbuch das die KZs leugnet, oder verdreht.
Welches auch in Schulen benutzt wird? Für diese Aussage möchte ich dann aber eine Quelle sehen.
Selbst normale Sachbücher mit so einer Aussage müßten wegen der aktuellen Gesetzeslage ja vom Markt genommen werden.

bossel, ich hab dir hier mal 2 Links zu Tests von Schulbüchern und deren erschreckende Ergebnisse. Ist zwar nicht immer direkt auf den KZ-Fall gemünzt, aber schau mal selbst - und die Bücher werden tatsächlich im deutschen Unterricht verwendet:

http://www.spiegel.de/schulspiegel/0,15 ... 94,00.html

http://snipurl.com/1vdfg <- Testbericht der Stuftung Warentest - ist länger, sowohl der Link als auch der Text ;-)
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Re: Verhältnis China - Japan

Beitrag von ralferly »

@jd:
Ich habe den von dir geposteten Artikel auch so gelesen und ebenso in dem Tenor, wie er geschrieben wurde, verstanden und hoffe, dass dies nicht eine journalistische Eintagsfliege ist oder war. Ich selbst habe in Japan an einer Universität studiert, die sehr viele Bemühungen auf internationalen Studentenaustausch- vor allem jedoch mit Studenten und Universitäten in China- bemüht ist. Mit Sicherheit kann ich daher einschätzen, dass in der jüngeren Generation in Japan wie höchstwahrscheinlich auch China glücklicher Weise der Keim einer nachbarschaftlichen Freundschaft- sagen wir zumindest- Halt gefunden hat und anfängt auch zu wurzeln.

Ich halte ebenso das "Ablenkungsargument" nicht für sonderlich zugkräftig, aber ich war auch nicht derjenige, der diesen Ball ins Spiel brachte. Nicht desto trotz ist wohl unumstritten, dass sowohl vor, als auch während der fraglichen Zeit und vor allem auch danach grausame Verbrechen begangen wurden, die noch heute aus Gründen politischer Bequemlichkeit und Ideologie totgeschwiegen werden. Dies zu verleugnen oder klein zureden ist nicht minder abscheulich, als das Nanking- Massaker und alle anderen Verbrechen gegen die Menschlichkeit selbst zu verleugnen. Ich denke, dass wir uns auf diesem Punkt auch inhaltlich einig sein dürften.
An der Stelle, ob und wie legitim es ist, Anklage über ein revisionistisches Geschichtsverständnis des Nachbars zu erheben, muss ich jedoch Widerspruch einlegen. Nicht, dass ich der Meinung wäre, diese Anklage wäre durch die anderen Ereignisse zu relativieren, nein!, ich weigere mich aber einer Regierung, die das nötigste tut um Taten des eigenen Volkes gegen das eigene Volk im Dunkel der Geschichte zu belassen, die moralische Legitimierung zuzusprechen, ihre Finger gegen andere zu richten und genau solch eine Tat anzuprangern und komme nicht umhin, so etwas zu hinterfragen.
Eine solche Anschuldigung von einer solchen "Machtvertretung" zu tolerieren oder zu akzeptieren, hieße, Opfer zweiter oder gar dritter Klasse zu erschaffen oder deren Etikettierung dazu zu akzeptieren oder gar zu unterstützen! Und gerade so etwas ist mir persönlich zutiefst zuwider. :|

Also: Das eine sollte daher mit dem anderen einhergehen. Nichts desto trotz haben die Opfer der japanischen Invasion gefälligst ein Recht auf eine Entschuldigung von dieser Seite. Sowie all die anderen Opfer von Nationalisten und Kommunisten ebenso ein Recht auf Entschuldigungen und die notwendige gesellschaftliche Anerkennung als solche. :wink:

@bossel:
bossel hat geschrieben:
ralferly hat geschrieben:Nämlich die "offizielle" (Eigen-) Wahrnehmung im geschichtlichen Kontext.
Genau, & da hat Japan nunmal viel aufzuholen.
... da ich gerade beim Thema "Fingerzeiger" bin: Ich hoffe, du weißt auch, wovon du sprichst- in Japan gibt es durchaus kontroverse Ansichten über die eigene Geschichte und Debatten darüber, die auch öffentlich und frei geführt werden. Eine von oben übergestülpte "offizielle" Meinung gibt es in Japan ebenso wenig, auch wenn es immer wieder so dargestellt wird und Nachrichtenerstattung konservativer Medien oder die Entscheidungen des Schulbuch-Screening-Panels (ja, das ist Englisch :-) und hat übrigens offiziell nichts mit der japanischen Regierung am Hut!) nicht immer die glücklichsten für die Regierungen der Nachbarländer Japans sind. Doch gut, dass in China man vor einer Meinungsmachmaschinerie- ja sogar vor dem leisesten Anflug der Ahnung einer solchen- gefeit ist! ;-)

Warum ich nicht auf Rummels Blog oder seine Website an der Uni Hawaii verwiesen habe? Nun, ganz einfach: Weil auch seine Zahlen, obgleich sie sehr detailliert aufgelistet sind, z.T. auch sehr kontrovers diskutiert werden und daher eine Übersicht und Vergleichbarkeit der Gesamtzahlen bzw. des Medianwertes evtl. dem geneigten Leser ein Anhaltspunkt für die zu erwartenden Genauigkeit und Glaubwürdigkeit geben könnte. Gerade auf dem Terrain von Schätzungen und Annahmen sollte man sich zumindest einige Alternativquellen offen halten, meine ich zumindest. (Zufrieden?)

Auf deine Frage, was Chinesen den Japanern getan haben, würde ich dich bitten, einmal japanische Vertriebenenverbände zu kontaktieren, nicht wenige Familienangehörigen haben nämlich die "Rückführung nach Japan" nur allein überlebt. Oder falls du einen literarischen Buchtipp möchtest: Ruriko Pilgrim, "Frühlingsnebel". Auch dies ist ein Aspekt der Geschichte, welcher (leider) kaum aufgearbeitet wird- weder von japanischer noch von chinesischer Seite. Nun, makaberer Weise wird sich das "Problem" aber spätestens innerhalb der nächsten zwanzig Jahren demographisch "von selbst" gelöst haben.

Ich kann mein Credo von oben nur wiederholen: Lautstark mit den Finger auf andere zeigen wird außer Verstimmungen nichts bringen. Faire Angebote zu Zusammenarbeiten und ein offener Geist für den Anderern sind auf beiden Seiten gefragt.
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Re: Verhältnis China - Japan

Beitrag von jd »

Kathrin P. hat geschrieben:
bossel hat geschrieben:
Sicher findet sich auch in Deutschland ein Geschichtsbuch das die KZs leugnet, oder verdreht.
Welches auch in Schulen benutzt wird? Für diese Aussage möchte ich dann aber eine Quelle sehen.
Selbst normale Sachbücher mit so einer Aussage müßten wegen der aktuellen Gesetzeslage ja vom Markt genommen werden.
bossel, ich hab dir hier mal 2 Links zu Tests von Schulbüchern und deren erschreckende Ergebnisse. Ist zwar nicht immer direkt auf den KZ-Fall gemünzt, aber schau mal selbst - und die Bücher werden tatsächlich im deutschen Unterricht verwendet: http://www.spiegel.de/schulspiegel/0,15 ... 94,00.html
Zum einen ist keiner der Tests auf den "KZ-Fall" gemünzt und zum anderen - und dies ist meines Erachtens der entscheidende Punkt - besteht ein gewichtiger Unterschied zwischen redaktionellen Fehlern (wie bei deutschen Schulbüchern) und bewusst konservativ-revisionistisch getroffenen Entscheidungen für Wort- und Darstellungswahl (wie bei einigen/den meisten/allen (?) japanischen Schulbüchern). :!:

Insofern geht dieser Hinweis an der in Bezug genommenen Thematik vorbei... :?

Jens David,
der im Übrigen im schulischen Bereich oft auf die gegenüber den Schulbüchern viel ausführlicher gehalteneren Darstellungen der Zentrale für politische Bildung zurückgegriffen hat. Gibt es etwas Vergleichbares - und dann mit faktengetreuer Darstellung der imperialistischen Expansion - in Japan?
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Re: Verhältnis China - Japan

Beitrag von Kathrin P. »

Welche Schule würde sich schon gerne öffentlich bloßstellen lassen, wenn rauskommt, dass sie ein Schulbuch nutzen, dass die KZs verneint, oder zumindest Teil deren Daseinsgrund?
Ich denk mal, deshalb haben die in den Tests auch nicht einen solchen Fehler entdeckt?!?

Ich find solche "redaktionellen Fehler", wie du es ausgedrückt hast, schon schlimm genug, weil die Bücher ja von Leuten geschrieben werden, die es wissen sollten. Wenn da dann so viele Fehler auftauchen finde ich das eher peinlich für die "Experten"...
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Re: Verhältnis China - Japan

Beitrag von jd »

Kathrin P. hat geschrieben:Welche Schule würde sich schon gerne öffentlich bloßstellen lassen, wenn rauskommt, dass sie ein Schulbuch nutzen, dass die KZs verneint, oder zumindest Teil deren Daseinsgrund? Ich denk mal, deshalb haben die in den Tests auch nicht einen solchen Fehler entdeckt?!?
Wenn ich den Artikel der Stiftung Warentest richtig gelesen habe, wurde in der Testreihe der Zeitabschnitt von 1933-1945 gar nicht in den Blick genommen, sondern stattdessen die Ära der Weimarer Republik. Es war deshalb von vornherein nicht möglich, insoweit auf Fehler zu stoßen.

Das heißt umgekehrt natürlich nicht, dass diesbezüglich keine Fehler vorhanden sind... Ich hoffe allerdings, dass die Schulbuchverlage sich bei diesem Thema keine Fehler geleistet haben.

Grundsätzlich hast Du natürlich Recht. Es ist schade um jeden Fehler in den Schulbüchern. Und ja, solche Fehler sind auch peinlich für die "Experten", die die Buchbeiträge verfasst haben. Allerdings bin ich mir ehrlich gesagt nicht sicher, ob hier immer wirkliche Fachexperten schreiben oder ob nicht geschulte Allround-Akademiker u.ä. eine Zusammenfassung aus der von Ihnen herangezogenen Fachliteratur "basteln"... :roll:

Jens David,
der nicht so recht daran glaubt, dass die Schulbuchverlage tatsächlich aus jedem wissenschaftlichen Fachgebiet Akademiker zum Verfassen der Buchinhalte angeheuert haben
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Re: Verhältnis China - Japan

Beitrag von no1gizmo »

Ich habe mal ne Zwischenfrage:

Wie stehen eigentlich die Menschen in Taiwan im Großen und Ganzen (also tendenziell) zu Japan?
Ich kann mir gut vorstellen, dass die eine bessere Beziehung zu Japan haben.
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