Neues Urteil zum Schengenvisum

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RechtsanwaltAuslR
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Neues Urteil zum Schengenvisum

Beitrag von RechtsanwaltAuslR »

Ausländerrecht: Kein Ehegattennachzug wegen falscher Angaben im Schengen-Visum.

(c) 2010 Rechtsanwälte mth Tieben & Partner Köln

Bundesverwaltungsgericht, 16.11.2010, Az.: 1 C 17.09

Hintergrund: Im Jahr 1985 vereinbarten einige europäische Staaten das Schengen Abkommen über den schrittweisen Abbau der Personenkontrollen an den Binnengrenzen zwischen den Vertragsparteien. Nach Beitritt zahlreicher anderer europäischer Staaten, wurde im Jahr 1999 die Schengen-Zusammenarbeit in die Kompetenz der Europäischen Gemeinschaft einbezogen. Dabei ging es insbesondere um die Vereinheitlichung der Vorschriften für die Einreise und den kurzfristigen Aufenthalt von Ausländern im „Schengen-Raum“ („Schengenvisum“). Drittstaatsangehörige, die über ein Schengen-Visum verfügen, dürfen sich im Rahmen der Gültigkeit und des Zwecks der Visa auch in den anderen Schengen-Staaten aufhalten und unterliegen bei Passieren der Binnengrenzen ebenfalls keinen Kontrollen. Um ein solches Visum zu erhalten, müssen Drittstaatsangehörige neben Visaantrag und Reisepass grundsätzlich eine Reisekrankenversicherung in bestimmter Höhe für alle Schengen-Staaten (mit einer Deckungssumme von mindestens 30.000 Euro) aufweisen. Für Geschäftsreisevisa sind neben Visaantrag und Reisepass darüber hinaus weitere Dokumente wie Einladung auf Firmenbogen, kurze Beschreibung der Geschäftsbeziehung, etc. nötig. Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hatte in dem oben genannten Urteil nun über die Frage zu entscheiden, ob eine Drittstaatsangehörige, die mit einem sog. Schengen-Visum zu Besuchszwecken eingereist war und in Dänemark die Ehe mit einem Deutschen einging, eine auf Dauer gerichtete Aufenthaltserlaubnis zum Ehegattennachzug erhalten könne, ohne zuvor vom Ausland aus das hierfür erforderliche Visumverfahren durchgeführt zu haben.

Sachverhalt: Die Klägerin aus der Republik Weissrussland war mit einem Schengen-Visum zu Besuchszwecken nach Deutschland eingereist. In Dänemark heiratete sie einen deutschen Staatsangehörigen, kehrte nach Deutschland zurück und stellte einen Antrag auf Ehegattennachzug. Diesen Antrag lehnte die Ausländerbehörde ab und drohte der Klägerin die Abschiebung an. Nach Ansicht der Behörde könne ein Drittstaatsangehöriger als Inhaber eines gültigen Schengen-Visums zwar den Aufenthaltstitel im Bundesgebiet gem. § 39 Nr. 3 AufenthVO beantragen, wenn die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach der Einreise entstanden seien. Im Falle der Klägerin sei die Ehe aber nicht wie von Gesetz gefordert nach, sondern vor der letzten Einreise aus Dänemark vereinbart worden. Daraufhin klagte die Klägerin vor dem Verwaltungsgericht und bekam Recht. Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg hingegen bestätigte den Bescheid der Ausländerbehörde. Daraufhin legte die Klägerin Revision bei BVerwG ein.

Bundesverwaltungsgericht: Das BVerwG bestätigte das Urteil des Oberverwaltungsgerichts. Die Klägerin könne die Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke des Ehegattennachzugs nicht aufgrund der Sonderregelung in der Aufenthaltsverordnung vom Inland aus beantragen. Dies ergäbe sich daraus, dass sie die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung einer solchen Aufenthaltserlaubnis im Sinne des § 39 Nr. 3 AufenthVO nicht erfülle, da sie bei der Beantragung des Schengen-Visums angegeben habe, nur zu Besuchszwecken einreisen zu wollen, obwohl sie von vornherein dauerhaft in Deutschland bleiben wollte. Gem. § 55 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG habe sie somit einen Ausweisungsgrund verwirklicht.
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mistervac
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Re: Neues Urteil zum Schengenvisum

Beitrag von mistervac »

Was heißt dies in der Praxis ??

Mir sind mehrere Fälle bekannt, in denen Drittstaatlerinnen mit Besuchervisa "geheiratet wurden".

Ein Fall, in dem, wie oben, abgeschoben wurde, ist mir nicht bekannt.

Hat die Ausländerin nicht, unabhängig von dem unterstellten (und m.E. auch anzunehmenden) Visumsmissbrauch nach der Abschiebung einen grundsätzlichen Anspruch auf FZF Visum ??
mistervac, seit seiner Kindheit Chinafan, heute seine Träume lebend
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Jondalar
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Re: Neues Urteil zum Schengenvisum

Beitrag von Jondalar »

mistervac hat geschrieben: Hat die Ausländerin nicht, unabhängig von dem unterstellten (und m.E. auch anzunehmenden) Visumsmissbrauch nach der Abschiebung einen grundsätzlichen Anspruch auf FZF Visum ??
Soweit ich das verstanden habe, geht es nur darum, dass sie das FZV nicht vom Schengenraum aus beantragen kann. Sie muss also zurück und das von China aus beantragen.

Das Recht auf das FZV ist gesetzlich geregelt und kann nicht verweigert werden.

Grüße
RechtsanwaltAuslR
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Re: Neues Urteil zum Schengenvisum

Beitrag von RechtsanwaltAuslR »

Jondalar hat es auf den Punkt getroffen. Natürlich besteht ein grundsätzliches Recht auf das FZF-Visum, dass stellt Art 6 GG (Ehe und Familie) sicher (bei Familienzusammenführung zu einem deutschen Staatsangehörigen). Allerdings muss man darauf achten, dass dann, wenn man das Visum im Ausland beantragt und schon die Absicht auf Eheschließung besteht, dies aber verschwiegen (oder vergessen) wird, das FZF-Visum abgelehnt werden kann. Denn gem. § 55 Abs. 2 AufenthG kann ein Ausländer insbesondere dann ausgewiesen werden, wenn er in einem Verwaltungsverfahren, das von Behörden eines Anwenderstaates des Schengener Durchführungsübereinkommens durchgeführt wurde, im In- oder Ausland falsche oder unvollständige Angaben zur Erlangung eines deutschen Aufenthaltstitels, eines Schengen-Visums, eines Passersatzes, der Zulassung einer Ausnahme von der Passpflicht oder der Aussetzung der Abschiebung gemacht hat. Da es sich aber auch hier um eine Ermessensentscheidung handelt ("kann") ist auch in diesem Fall immer noch Raum für Argumentation, es wird allerdings schwierig werden. Ansonsten muss das FZF-Visum neu unter den veränderten Bedingungen beantragt werden.

Gruss,
H. Tieben
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Re: Neues Urteil zum Schengenvisum

Beitrag von Andy_yi »

Find ich ehrlich gesagt ganz gut so.

Dann lernen die ganzen Tagträumer, die ja von vornerein ausgehen das Konsulat Mitarbeiter böse sind und ein Visum ablehnen und deshalb versuchen die Gründe der Einreise zu verschweigen, sich dann aber wundern ( und vorallem hier im Forum ausheulen ) warum das Besuchervisum abgelehnt wurde, wie man einen korrekten Antrag für ein Visum ausfüllt.

Auf der anderen Seite entlastet es jene die wirklich Aufgrund eines Besuches nach Deutschland fliegen, von dem Verdacht sich in Deutschland via. Heirat durch Besuchervisum abzusetzen ( macht ja dann kein Sinn mehr ).
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Re: Neues Urteil zum Schengenvisum

Beitrag von otternase »

mistervac hat geschrieben:Was heißt dies in der Praxis ??
es ist eigentlich nur die Bestätigung für die Praxis der sowieso im Gesetz festgeschriebenen Regeln. Ein Visum für einen Kurzzeitaufenthalt kann nur in besonderen Härtefällen in eine AE für einen Langzeitaufenthalt umgewandelt werden. Die pure Berufung auf Art 6 GG reicht da nicht aus.
mistervac hat geschrieben:Mir sind mehrere Fälle bekannt, in denen Drittstaatlerinnen mit Besuchervisa "geheiratet wurden".
was auch problemlos weiterhin möglich ist, nur kann das reguläre FZF-Verfahren dadurch nicht umgangen werden
mistervac hat geschrieben:Hat die Ausländerin nicht, unabhängig von dem unterstellten (und m.E. auch anzunehmenden) Visumsmissbrauch nach der Abschiebung einen grundsätzlichen Anspruch auf FZF Visum ??
im Rahmen der Bedingungen von Abschnitt 6 des Aufenthaltsgesetzes ja; nur eben keinen Anspruch auf die Umgehung des FZF-Verfahrens---

Wie andy_yi schon schrieb: für all die, die tatsächlich für einen Besuch in D nach D fliegen wollen, ist die konsequente Anwendung dieser Regel nur von Vorteil.
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Re: Neues Urteil zum Schengenvisum

Beitrag von RechtsanwaltAuslR »

Gerichtsurteile sind in Deutschland immer nur die Bestätigung des gesetzlich Geregelten, sonst hätten wir Richterrecht in Deutschland bzw. common law Strukturen. :)

Darüber hinaus ist die Berufung auf Art. 6 hier natürlich richtig, weil die Frage auf das GRUNDSÄTZLICHE Recht der Familienzuführung abzielte und dieses ist nun einmal in Art. 6 GG geregelt. Wie der Gesetzgeber dies im Speziellen in den Bundesgesetzen umsetzt, ist NATÜRLICH eine andere Frage. Diese Regelung erfolgte nunmal in § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AufenthG bzw. § 39 Nr. 3 AufenthVO, die natürlich nicht umgangen werden dürfen.

VG

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Re: Neues Urteil zum Schengenvisum

Beitrag von Andy_yi »

xxxxx hat geschrieben:Heißt das das ein FZF somit rechtlich nicht abgelehnt werden kann wenn ich in China heirate und dann meine (chinesiche ) Frau dieses Visum beantragt ?
Nein, das heißt deine Frau kann das FZF nicht im Schengenraum beantragen - nur in China. Dort kann es auch nicht verweigert werden, war aber nie anders.
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Re: Neues Urteil zum Schengenvisum

Beitrag von Aremonus »

hmm, in der Praxis also kein Unterschied - man reist ja, wenn man in einem anderen Land heiratet, ohnehin ab und zu in sein Heimatland zurück. Die Regelung ist IMHO ziemlich sinnfrei, stört aber auch nicht weiter.
Was ist, teleologisch gesehn, der Grund für diese Regelung?
Erst wenn der letzte Baum gefällt, der letzte Fluss gestaut und der letzte Fisch gefangen ist, werdet ihr feststellen, dass man Biber nicht essen kann!
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Re: Neues Urteil zum Schengenvisum

Beitrag von otternase »

Aremonus hat geschrieben:Was ist, teleologisch gesehn, der Grund für diese Regelung?
mindestens ein guter Grund, der allerdings nicht immer zutrifft, fällt mir ein: manch einer/eine hat wohl versucht, sich um den A1-Test auf diesem Wege zu drücken...
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Re: Neues Urteil zum Schengenvisum

Beitrag von mjs »

xxxxx hat geschrieben:Heißt das das ein FZF somit rechtlich nicht abgelehnt werden kann wenn ich in China heirate und dann meine (chinesiche ) Frau dieses Visum beantragt ?
Njein ... ich denke mal ohne A1 kann das wieder und wieder und wieder abgelehnt werden. Ebenso denke ich, wenn die Antragsteller nicht mitwirken wollen (also einfach mal keinen Bock haben, ihre Unterlagen ordentlich einzureichen oder sowas in der Richtung) das Visum nicht erteilt wird.

Wobei RechtsanwaltAuslR uns sicher mal erklären kann, auf welcher rechtlichen Grundlage.
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Re: Neues Urteil zum Schengenvisum

Beitrag von VielUnterwegs »

Also so wie ich das verstehe nuetzt dieses Urteil allen in China lebenden Paaren, da der Verdacht, dass A1 ueber eine Besuchsreise mit anschliessendem Verbleib in Deutschland umgangen wird, nicht mehr bestehen kann. Fuer die FZF Leute aendert sich im Prinzip auch nichts, es gibt nur ein Schlupfloch weniger. Ich finde diese Rechtsauffassung ehrlich gesagt sinnvoll.
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mjs
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Re: Neues Urteil zum Schengenvisum

Beitrag von mjs »

VielUnterwegs hat geschrieben:Also so wie ich das verstehe nuetzt dieses Urteil allen in China lebenden Paaren, da der Verdacht, dass A1 ueber eine Besuchsreise mit anschliessendem Verbleib in Deutschland umgangen wird, nicht mehr bestehen kann.
Ich würde da mit der Vorfreude noch etwas warten. Falsche Angaben beim Visaantrag mache, Botschaft, Ausländeramt und was weiß ich wen noch schön verarschen ... alles schön und gut und da gab's jetzt höchstrichterlich ein "na, na, na - du Böser".

Wird dann im Anschluß aber auch rucki-zucki abgeschoben? Ich denke mal: eher nicht. "Art. 6"; "die arme, arme Frau"; "das arme, arme Paar" und überhaupt "alles Nazis in Deutschland"; "das Gericht sollte sich was schämen"; "wie inhuman" usw. usw..

Ich denke nicht, dass sich jetzt bei den Besuchsvisa irgend etwas ändern wird. Ohne entsprechende Umsetzung ein wertloses Urteil, das die Botschaften kaum ernst nehmen werden.
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Re: Neues Urteil zum Schengenvisum

Beitrag von happyfuture »

mjs hat geschrieben:Ich denke nicht, dass sich jetzt bei den Besuchsvisa irgend etwas ändern wird. Ohne entsprechende Umsetzung ein wertloses Urteil, das die Botschaften kaum ernst nehmen werden.
Der CN-Ehepartner "darf" jetzt bei Beantragung des Schengenvisums ein zusätzliches Formular zeichnen, indem ausdrücklich steht, dass für die Zeit des Visums auf eine FZF verzichtet wird! :wink:

Keine Sorge, die Deutschen Behörden wissen schon, wie geht! :P
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Re: Neues Urteil zum Schengenvisum

Beitrag von otternase »

mjs hat geschrieben:Wird dann im Anschluß aber auch rucki-zucki abgeschoben?
es wird keine Aufenthaltserlaubnis erteilt. Damit wird die betreffende Person ausreisepflichtig (Ablauf des Schengenvisums und Ablauf der Fiktionsbescheinigung/Duldung, die vmtl. für die Dauer der gerichtlichen Klärung erteilt wurde). Sollte sie der Ausreisepflicht nicht innerhalb gesetzter Frist freiwillig nachkommen, wird sie in letzter Konsequenz abgeschoben. Soweit sollte das Ehepaar es aber nicht treiben, denn nach einer Abschiebung erfolgt erstmal eine Einreissperre, die erst nach Begleichung der Kosten der Abschiebung wieder befristet bzw. aufgehoben wird und die auch durch Art 6 GG nicht gebrochen wird.
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