Böckenförde-Diktum

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sweetpanda
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Böckenförde-Diktum

Beitrag von sweetpanda »

Welche Gedanken kommen euch bei der Beschreibung des folgenden Dilemmas in dem der freiheitlich liberale Rechtstaat steckt:

https://de.wikipedia.org/wiki/B%C3%B6ck ... rde-Diktum

„Der freiheitliche, säkularisierte Staat lebt von Voraussetzungen, die er selbst nicht garantieren kann. Das ist das große Wagnis, das er, um der Freiheit willen, eingegangen ist. Als freiheitlicher Staat kann er einerseits nur bestehen, wenn sich die Freiheit, die er seinen Bürgern gewährt, von innen her, aus der moralischen Substanz des einzelnen und der Homogenität der Gesellschaft, reguliert. Anderseits kann er diese inneren Regulierungskräfte nicht von sich aus, das heißt mit den Mitteln des Rechtszwanges und autoritativen Gebots zu garantieren suchen, ohne seine Freiheitlichkeit aufzugeben und – auf säkularisierter Ebene – in jenen Totalitätsanspruch zurückzufallen, aus dem er in den konfessionellen Bürgerkriegen herausgeführt hat.“

Um es einfacher Auszudrücken:

Ein liberaler Rechtsstaat kann nur bestehen, wenn die überwiegende Mehrheit der Einwohner dahingehend homogene sind, dass sie im wesentlichen die gleichen Einstellungen teilen und sich aus freien Stücken den wenigen selbst gegebenen Regeln "unterwerfen".
“If you are in favour of global liberal hegemony, you are the enemy.”
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Laogai
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sweetpanda-Absurdum

Beitrag von Laogai »

sweetpanda hat geschrieben:Welche Gedanken kommen euch bei der Beschreibung des folgenden Dilemmas in dem der freiheitlich liberale Rechtstaat steckt [...]
Mein Gedanke: Das Böckenförde-Diktum ist fast so aktuell wie die 95 Thesen von Martin Luther und nur unwesentlich veralteter als der Weltuntergangstag der Maya.
Leider kann ich keinen Link zum Qualitätsmedium Youtube liefern :(.

sweetpanda, wie verzweifelt muss man eigentlich sein um eine Agenda in ein Forum zu tragen, welches rein gar nichts mit dem von dir angesprochenen Thema zu tun hat? Bist du bereits aus allen relevanten Foren raus geschmissen worden und versuchst nun hier dein "Glück"? Schon im Forum für Haarentfernung aktiv geworden?
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Re: Böckenförde-Diktum

Beitrag von sonero »

Moin,

Meine persönliche Empfehlung:
Dealer wechseln. Der hat Dir da was verkauft, das gar nicht gut ist.
Bist ja eigentlich ein vernünftiger Kerl, hoffentlich hinterlässt das keine bleibenden Schäden.

Gruß,
Norbert
rundherum
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Re: Böckenförde-Diktum

Beitrag von rundherum »

Lass ihn doch - wenn ihn dieses Thema derart beschäftigt kann er's ja mal ansprechen. Zumal ich hier durchaus eine gewisse Relevanz bezüglich der gesellschaftlichen und ökonomischen Entwicklungen in China sehe. Wenn das Land der Middle-Income Trap entkommen möchte, wird es bessere Institutionen brauchen - besonders einen funktionierenden Rechtsstaat, der zuverlässig die Rechte seiner Bürger schützt und damit gewisse Freiheiten sowie langfristige Planungssicherheit gewährt.

Die interventionistische, direkte Herrschaft der KPCh hat in China zwar den Aufstieg von einem armen Land zu einem Schwellenland gebracht. Es wurden gewisse Strukturen geschaffen, eine Gesellschaftsordnung wurde gebaut. Doch jetzt müssten Investoren und Erfinder auf die Zukunft vertrauen können, um die Strukturen zu verfeinern und effizienter zu gestalten. Das braucht Zeit - und damit Planungssicherheit. Über Jahrzehnte.

Hier wird dann eben die vom "Böckenförde-Diktum" angesprochene Problematik zum Problem. Und zwar im erweiterten Sinn: denn nicht nur liberale Rechtsstaaten, sondern jegliche Staatsordnung und Gesellschaftshierarchie kann nur bestehen, "wenn die überwiegende Mehrheit der Einwohner dahingehend homogene sind, dass sie im wesentlichen die gleichen Einstellungen teilen und sich aus freien Stücken den wenigen selbst gegebenen Regeln "unterwerfen"."

Im Westen haben wir dieses Problem durch demokratische Institutionen gelöst. Es ist viel schwieriger, Millionen von einer neuen Staatsordnung zu überzeugen, als einen einzigen autoritären Herrscher. Welches zukünftige Regierungsmodell kann China mehr Stabilität bringen? Und wie stellt man sicher, dass die Leute dieses Modell akzeptieren - auch wenn das Wirtschaftswachstum abflacht und der langwierige Prozess der Verfeinerung von Institutionen angegangen werden muss? Die "Präsidentschaft auf Lebenszeit" von Xi Jinping gibt Kontinuität und nimmt dieser Frage so die Dringlichkeit. Doch niemand ist unsterblich und China wird in ein paar Jahren wieder einen neun Präsidenten mit neuen Zielen und neuen Ideen haben. Wer stellt sicher, dass der seinen Handlungsrahmen nicht auch neu definiert?

So lange keine schlüssige Antwort auf diese Frage gegeben wird, besteht keine langfristige Planungssicherheit für Investoren und Erfinder in China - und das Land wird seine ambitionierten Ziele nicht erreichen können.
Markus123
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Re: Böckenförde-Diktum

Beitrag von Markus123 »

Alter Wein in neuen Schläuchen, also ein alter Hut "Ein liberaler Rechtsstaat kann nur bestehen, wenn die überwiegende Mehrheit der Einwohner dahingehend homogene sind, dass sie im wesentlichen die gleichen Einstellungen teilen und sich aus freien Stücken den wenigen selbst gegebenen Regeln "unterwerfen".
Gabs schon:
"Anknüpfend an völkische Gemeinschaftsvorstellungen und eine in den Schützengräben des Ersten Weltkrieges erfahrene Frontgemeinschaft, propagierten die Nationalsozialisten die Volksgemeinschaft als Lösung aller politischen und sozialen Gegensätze der Weimarer Republik. Der rassisch begründete, an die idealisierte Lebenswelt der "alten Germanen" angelehnte Geist einer solidarischen Gemeinschaft sollte alle Unterschiede in Herkunft, Beruf, Vermögen und Bildung negieren und eine egalitäre Einheit deutscher "Volksgenossen" begründen. Der weitverbreiteten und schon im Ersten Weltkrieg deutlich spürbaren ideologischen Strömung einer Volksgemeinschaft fiel mit Beginn der nationalsozialistischen Machtübernahme eine zentrale Funktion bei der Etablierung ihres totalitären Herrschaftssystems zu. " Und:
""Du bist nichts, dein Volk ist alles!" die Eingliederung in eine opferbereite Volks- und Leistungsgemeinschaft zu beschwören. Nahezu widerspruchslos trug diese die Kriegsvorbereitungen mit, und auch im Zweiten Weltkrieg sollte die "Schicksalsgemeinschaft des deutschen Volkes" nach dem Willen Hitlers auf "Leben und Tod" verschworen sein."
Aus: https://www.dhm.de/lemo/kapitel/ns-regi ... chaft.html
rundherum
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Re: Böckenförde-Diktum

Beitrag von rundherum »

@Markus123: Der quasi bis zum Ende des kalten Krieges andauernde Zeitgeist des Nation Buildings war ja genau der Kontext für Böckenfördes Aussage.

Nachdem die alten monarchistischen Gesellschaftsstrukturen aufgebrochen wurden, musste etwas Neues her - wir hatten in Europa 300 Jahre lange Unruhen wegen der Frage, was dieses Neue sein sollte. So gab es den Kampf zwischen Liberalen die den Staat als Kompromiss zwischen Individuen betrachten und die Demokratie weiter ausbauen wollten und Kollektivisten, die das Individuum als Subjekt des Staates sahen das man formen und erziehen muss.

Heute glauben wir, mit der Liberalen Rechtsordnung die Frage beantwortet zu haben. Doch gerade hinsichtlich der Tatsache, dass China ohne eine solche zur drittgrößten Volkswirtschaft der Welt werden konnte und auch hinsichtlich der konservativen Tendenzen im Westen bleibt für mich fraglich, ob wir unseres Staatsverständnis' wirklich so sicher sind wie wir meinen.
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