Als Chinese mit Deutschen ins Gespräch kommen

Forum für Chinesen und Deutsche, die sich über deutsche Sitten und Eigenarten austauschen möchten.
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jackie_chan
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Als Chinese mit Deutschen ins Gespräch kommen

Beitrag von jackie_chan »

Mahlzeit,

meine Freundin ist jetzt wieder in einem Arbeitsumfeld eines mittelständischen Unternehmens in DE tätig und klagt mir ihr leider immer wiederkehrendes Leid, dass sie zu den Deutschen Kollegen einfach keinen richtigen Anschluss findet.
Sie beschreibt es immer etwa ungefähr so:
Sie versucht ein Gespräch zu starten bzw. führt selbiges mit einem deutschen Kollegen. Dabei hat man aber ständig das Gefühl, dass der Gesprächspartner eigentlich keine Lust hat mit ihr zu reden. Das hat mehr was von einem flüchtigen Frage-Antwort-Spiel als einem echten Gespräch. Man spürt, dass kein Interesse da ist ein Gespräch zu führen. Ist kein anderer Deutscher in der Nähe, dann bleibt das Gespräch (manchmal) erhalten. Kommen aber andere Deutsche in Reichweite, so wechselt der Gesprächspartner zu selbigen relativ rasch über.
Auffällig ist, dass, je älter die potentiellen Gesprächspartner sind, umso einfacher ist es meist ein Gespräch zu führen. Bei jüngeren Gesprächspartnern, insbesondere zwischen Mitte 20 und Mitte/Ende 30, ist es teilweise recht schwierig, besonders bei Frauen.

Als ich selbst ein Jahr lang in einem Umfeld mit vielen Chinesen und Deutschen (in DE) gearbeitet habe fiel mir auch manchmal auf, das Gespräche zwischen Deutschen und Chinesen oft etwas aufgesetzt wirkten. Es wirkte irgendwie einfach nicht ganz natürlich. Die Deutschen redeten untereinander anders, als mit den Chinesen, lockerer und gelassener. Mit Chinesen wirkte es immer etwas steif. Woran liegt das (konnte das bei mir im Nachhinein selbst auch feststellen. Ist jetzt zum Glück viel besser)?

Meine Freundin kann relativ gut Deutsch. Ich rede mit ihr eigentlich nur Dialekt und sie bekommt auch immer das Meiste von Gesprächen mit, wenn sie mit anderen Personen spricht.

Da ich selbst in Bezug auf sprachliche Kompetenz und bei der Interpretation von menschlichem Verhalten nicht der Beste bin, wollte ich hier mal nach weiteren/anderen Erfahrungen in die Runde fragen. Ob es bei euren Frauen/Freundinnen ähnlich ist bzw. wie ihr versucht dieses Problem anzugehen.
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SimonSayz
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Re: Als Chinese mit Deutschen ins Gespräch kommen

Beitrag von SimonSayz »

Da spielen doch tausende Faktoren eine Rolle: Mimik, Körperhaltung, klare und verständliche artikulation bis hin zum Inhalt des Gespräches. In den letzten Jahren ist mir aufgefallen, dass viele Chinesen (zumeist Studenten) entweder extrem Intro- oder extrovertiert sind, die Mitte ist kaum vorhanden. Und diese "Charakterschwäche" kommt eben bei den meisten deutschen eben nicht gut an.
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Meckel
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Re: Als Chinese mit Deutschen ins Gespräch kommen

Beitrag von Meckel »

In- oder Extroversion als Charakterschwäche zu bezeichnen ist aber schon recht krass!

Es ist halt erstmal eine recht große Barriere, wenn jemand aus Europa auf jemanden aus Asien trifft. Man kann ja auch nicht von jedem erwarten, dass er seinen Horizont durch Reisen oder Kultur so stark erweitert hat, dass er mit Bekanntschaften aus jeder Welt entspannt plaudern kann. Dafür sind die sittlichen Unterschiede viel zu hoch.

Du kannst dir aber sicher sein, dass es auch genügend Deutsche gibt, die es problematisch finden, mit anderen Deutschen zu kommunizieren. Manche Menschen fällt sowas einfach schwerer, das hat nichts mit der Herkunft zu tun.
Schönen Gruß,

Meckel
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Re: Als Chinese mit Deutschen ins Gespräch kommen

Beitrag von punisher2008 »

Meckel hat geschrieben:In- oder Extroversion als Charakterschwäche zu bezeichnen ist aber schon recht krass!

Es ist halt erstmal eine recht große Barriere, wenn jemand aus Europa auf jemanden aus Asien trifft. Man kann ja auch nicht von jedem erwarten, dass er seinen Horizont durch Reisen oder Kultur so stark erweitert hat, dass er mit Bekanntschaften aus jeder Welt entspannt plaudern kann. Dafür sind die sittlichen Unterschiede viel zu hoch.

Du kannst dir aber sicher sein, dass es auch genügend Deutsche gibt, die es problematisch finden, mit anderen Deutschen zu kommunizieren. Manche Menschen fällt sowas einfach schwerer, das hat nichts mit der Herkunft zu tun.
Sehe ich ganz genau so!
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jackie_chan
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Re: Als Chinese mit Deutschen ins Gespräch kommen

Beitrag von jackie_chan »

Meckel hat geschrieben:Es ist halt erstmal eine recht große Barriere, wenn jemand aus Europa auf jemanden aus Asien trifft. Man kann ja auch nicht von jedem erwarten, dass er seinen Horizont durch Reisen oder Kultur so stark erweitert hat, dass er mit Bekanntschaften aus jeder Welt entspannt plaudern kann.
Ich finde es dann aber immer wieder so unglaublich ironisch, wie die Leute in der Firma bzw. die Vorgesetzten immer groß daherpalavern wie international ausgerichtet und interkulturell fähig sie doch seien.
Falls ich jemals in den Genuss kommen sollte länger als ein paar Wochen in China zu arbeiten bin ich gespannt, wie schnell ich mit Depressionen von der nächsten Brücke springe weil keiner mit mir reden will (oder kann *hust*). :lol:
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Phytagoras
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Re: Als Chinese mit Deutschen ins Gespräch kommen

Beitrag von Phytagoras »

jackie_chan hat geschrieben: Falls ich jemals in den Genuss kommen sollte länger als ein paar Wochen in China zu arbeiten bin ich gespannt, wie schnell ich mit Depressionen von der nächsten Brücke springe weil keiner mit mir reden will (oder kann *hust*). :lol:
Es ist meiner Erfahrung nach in China genauso. Ich kann Chinesisch sprechen, aber in der Firma, wo ich gearbeitet hatte, hatten die Leute Berührungsängste mit mir zu reden, selbst wenn es über die selben Themen ging, über die sie auch sonst geredet haben (Games z.B.). Wobei mir aufgefallen ist, dass die Frauen weitaus gesprächiger waren als die Männer.
Ich bin ein ziemlich offener Mensch, aber es wirkte fast so als hätten sie Angst gehabt mit einem Ausländer zu reden.

Also keine Ahnung.
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Re: Als Chinese mit Deutschen ins Gespräch kommen

Beitrag von ingo_001 »

punisher2008 hat geschrieben:
Meckel hat geschrieben:In- oder Extroversion als Charakterschwäche zu bezeichnen ist aber schon recht krass!

Es ist halt erstmal eine recht große Barriere, wenn jemand aus Europa auf jemanden aus Asien trifft. Man kann ja auch nicht von jedem erwarten, dass er seinen Horizont durch Reisen oder Kultur so stark erweitert hat, dass er mit Bekanntschaften aus jeder Welt entspannt plaudern kann. Dafür sind die sittlichen Unterschiede viel zu hoch.

Du kannst dir aber sicher sein, dass es auch genügend Deutsche gibt, die es problematisch finden, mit anderen Deutschen zu kommunizieren. Manche Menschen fällt sowas einfach schwerer, das hat nichts mit der Herkunft zu tun.
Sehe ich ganz genau so!
So IST es auch.

Es spielen da so viele Sachen rein, dass es mit einem Satz nicht zu beschreiben ist.

Ich brauche mir da nur meine beiden Töchter ansehen:

Beide grundverschieden
Tochter Nr. 1 ist introvertiert und wartet grundsätzlich erst mal ab und versucht so neue Situationen/Gegebenheiten einzuschätzen, bevor sie was sagt/macht.
Tochter Nr. 2 ist extrovertiert - weniger abwartend.

Und wenn es in der engeren Familie schon solche Unterschiede gibt, dann gibts die erst Recht außerhalb.

Nicht jeder "tickt" gleich, interessiert sich für jedes Thema - oder will sich dazu äußern.

Ich kenne auch genug "maulfaule" Deutsche - genauso, wie ich gesprächige Chinesen kenne.

Es kommt ebend immer auf die jeweilige Situation, die Anwesenden und last but not least auf das Thema an, was zum Besten gegeben wird.
Wer Geist hat, hat sicher auch das rechte Wort, aber wer Worte hat, hat darum noch nicht notwendig Geist.

Die Logik ist Deine Freundin - Wünsch-Dir-Was und Untergangs-Propheten sind falsche Freunde.
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Re: Als Chinese mit Deutschen ins Gespräch kommen

Beitrag von XianXian »

jackie_chan hat geschrieben:Ich finde es dann aber immer wieder so unglaublich ironisch, wie die Leute in der Firma bzw. die Vorgesetzten immer groß daherpalavern wie international ausgerichtet und interkulturell fähig sie doch seien.
Das mit dem Geschwätz ist aber ziemlich weit verbreitet, das hat nicht nur mit Kultur und Sozialwesen zu tun. Habe schon recht oft die Erfahrung gemacht, dass eigene Fähigkeiten (und vor allem Schwächen) nicht unbedingt gut einschätzt werden. Vor allem von Vorgesetzten :D
Ein guter Lehrer bleibt ein Schüler bis an das Ende seiner Tage.
- Konfuzius
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SimonSayz
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Re: Als Chinese mit Deutschen ins Gespräch kommen

Beitrag von SimonSayz »

Meckel hat geschrieben:In- oder Extroversion als Charakterschwäche zu bezeichnen ist aber schon recht krass!
Sollte es dir (oder auch manch andere hier) nicht aufgefallen sein: Charakterschwäche war zwischen 2 Anführungsstrichen, das sollte heißen, dass dies nicht als "Schwäche", weder im positiven und als auch im negativen Sinne, zu verstehen ist.
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