Erfahrungen zum Studium der Sinologie

Übersetzungen, Computerprobleme, Chinesische Zeichen, Studium in China, Sinologie usw.
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RoyalTramp
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Re: Erfahrungen zum Studium der Sinologie

Beitrag von RoyalTramp »

Vielleicht noch als kleiner Hoffnungsschimmer:

Laut einer sinologischen Fakultät... ich glaube das war in Münster... sind Sinologen eher selten langfristig arbeitslos. Aber sie finden den Berufseinstieg im Durchschnitt viel später als andere Uniabsolventen und erst nachdem sie diverse Praktika durchlaufen haben. Insofern teilen sie das Schicksal der meisten anderen Geisteswissenschaften bzw. Kulturwissenschaften. Die Durstphase nach dem Studium beträgt angeblich bis zu 2 Jahren.

Übrigens: was meine persönliche Situation betrifft, klingt das alles sehr negativ. Aber wenn ich nicht diese Karriere eingeschlagen hätte, hätte ich nicht die Kontakte bekommen, durch die ich dann nach meinem Studium schnell eine Arbeit in China bekam. Und ohne diesen Job damals hätte ich nicht meine bezaubernde, heutige Ehefrau kennengelernt.
Insofern bin ich mit meinem Studium versöhnt und nicht unglücklich. Aber in Retrospektive würde ich diese Entscheidung nicht noch einmal treffen, sondern das studieren, was ich wirklich von Anfang hätte eigentlich studieren wollen: Geografie und Sport auf Lehramt Sekundarstufe I / II! ;)
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RoyalTramp
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Re: Erfahrungen zum Studium der Sinologie

Beitrag von RoyalTramp »

punisher2008 hat geschrieben:Für Übersetzungen scheint es keine eigene Kategorie zu geben, ist bei "Chinesische Sprache" mit drin. War das früher etwa mal getrennt? Ich fände es auch schöner mehr "seriöse" Themen hier zu haben. Tattoos kann man meinetwegen dafür gerne streichen.
Habe den alten Thread doch noch gefunden. Ne, war nicht getrennt, gehörte zu "Chinesische Sprache". Gab da dann auch mal sowas im Bereich Off-Topic.

Vorsicht Slipklau

...und musste wieder heftig lachen ("Fuck Goods" ist einfach zu geil!). Ich muss mal schauen, ob ich nicht in der Zwischenzeit noch andere Fotos gemacht habe. Zu Schade, dass man nicht ständig eine Fotokamera mit sich herum trägt.

P.S.: Bevor es jemand moniert... ja, mir ist bekannt, dass Smartphones auch Bilder machen, aber ich kann mich schlicht und ergreifend daran nicht gewöhnen und vergesse das ständig. Ich bin halt kein Teil der Digital Natives... war ich noch nie... der Trend geht an mir nahezu völlig vorbei...
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punisher2008
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Re: Erfahrungen zum Studium der Sinologie

Beitrag von punisher2008 »

RoyalTramp hat geschrieben: P.S.: Bevor es jemand moniert... ja, mir ist bekannt, dass Smartphones auch Bilder machen, aber ich kann mich schlicht und ergreifend daran nicht gewöhnen und vergesse das ständig. Ich bin halt kein Teil der Digital Natives... war ich noch nie... der Trend geht an mir nahezu völlig vorbei...
Da bist du nicht ganz allein. Mich nervt auch diese geradezu Besessenheit mit Smartphones oder (noch schlimmer) iCrapPhones. Auch Touch Screens allgemein finde ich etwas ekelhaft, wenn man bedenkt wie der ganze Dreck da übers Display geschmiert wird. Fingerabdrücke sind für mich ja schon schlimm genug, dann noch Leute die die Dinger beim Essen (oder sonstigen Aktivitäten) mit schmierigen ungewaschenen Fingern begrapschen und dann auch noch Essensreste, Fett, Dreck drauf kleben haben, muss nicht sein. Wenn ich mal später so ein Teil benutzen muss werde ich wohl ständig Papiertücher und Putzmittel mitnehmen :evil:
Abgesehen davon, ich sehe ständig Bilder die Bekannte mit ihren tollen McPhones 5, 6 oder sonst was gemacht haben und bin kein bisschen beeindruckt - miese Auflösung, unscharf, schlechte Farben... Da macht meine über 5 Jahre alte Panasonic Kompakt-Kamera viel bessere und schärfere Fotos, und die ist noch kleiner als ein Smartphone.
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Re: Erfahrungen zum Studium der Sinologie

Beitrag von gzs »

P.S.: Bevor es jemand moniert... ja, mir ist bekannt, dass Smartphones auch Bilder machen, aber ich kann mich schlicht und ergreifend daran nicht gewöhnen und vergesse das ständig. Ich bin halt kein Teil der Digital Natives... war ich noch nie... der Trend geht an mir nahezu völlig vorbei...
Bin ganz bei dir, auch an mir geht dieser Trend gründlich vorbei - und dabei bin ich noch gar nicht sooo alt :) Auch mich kotzt es an, ständig und überall so ein Dummphone in der Fresse zu haben und ich kann patrout nicht verstehen was die Leute machen wenn sie stundenlang darauf rumwischen … so spannend kann doch das ganze Internet nicht sein? Psychologisch betrachtet ist das wahrscheinlich irgendein Schutzmechanismus damit man sich nicht versehentlich mit sich selbst beschäftigen muss …

Um zurück zum Thema zu kommen: Ich kenne übrigens mehrere Sinologen (und das obwohl ich gar nicht vom Fach bin) und die haben allesamt kein schlechtes Auskommen. Aber sie mussten ihr Hirn benutzen und aktiv werden. Einfach wo bewerben und dann Karriere machen geht da wohl eher selten.
Gerhard

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Blue_Sky
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Re: Erfahrungen zum Studium der Sinologie

Beitrag von Blue_Sky »

gzs hat geschrieben:Um zurück zum Thema zu kommen: Ich kenne übrigens mehrere Sinologen (und das obwohl ich gar nicht vom Fach bin) und die haben allesamt kein schlechtes Auskommen. Aber sie mussten ihr Hirn benutzen und aktiv werden. Einfach wo bewerben und dann Karriere machen geht da wohl eher selten.
Inwiefern sind die Sinologen aktiv geworden? Ich meine, was genau arbeiten sie und wie sehen die Tätigkeiten aus. Z.B. als Lehramt an der Uni oder übersetzen ... was gibt's noch? :)
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Re: Erfahrungen zum Studium der Sinologie

Beitrag von gzs »

Sie forschen und schreiben Bücher, teilweise lehren sie natürlich auch, sie bieten private Aus- und Weiterbildungen an. Einer sogar im Themenfeld des Bazi Suanming (das was man oft als chinesische Astrologie verkauft bekommt :) ) und artverwandter Themen - einer der wenigen, der das wirklich fundiert in D anbieten kann ... ein anderer forscht in Sachen TCM - aber allesamt haben sie keinen klassischen Angestelltenjob. Das muss man halt mögen und können und der Markt ist für solche Exoten auch nicht gerade riesig.
Gerhard

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MaxKraft
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Re: Erfahrungen zum Studium der Sinologie

Beitrag von MaxKraft »

Hallo zusammen,
ich bin neu hier im Forum und zufällig auf diesen Thread gestossen, der schon etwas älter ist, aber da hier noch rege diskutiert wird, möchte ich als Absolvent einer sinologischen Fakultät auch noch meine Erfahrung teilen.
Zu meiner Vorgeschichte soviel: Ich habe in Deutschland einen medizinischen Beruf erlernt (ich habe mit den Gedanken gespielt, Arzt zu werden), war aber nach dem Abschluss ziemlich entäuscht vom Krankensystem in Deutschland und habe danach ein Gapyear in Australien eingelegt. Dort habe ich meine taiwanische Freundin (mittlerweile meine Frau) kennengelernt, und da Sprachen immer meine Leidenschaft haben, konnte ich mir Englisch ziemlich schnell aneignen und habe dort angefangen, Mandarin zu lernen.
Danach bin ich nach Taiwan gekommen, habe dort eine Sprachschule besucht und nebenbei Deutsch (und leider auch Englisch) unterrichtet. Das alles hat mir so viel Spaß gemacht, dass ich beschloss, beruflich noch einmal umzusatteln und in Deutschland Sinologie zu studieren, mit dem primären Ziel, Sprachlehrer zu werden.

Während der Studienberatung hat mir ein Professor gesagt, dass "der Schwerpunkt im Studium nicht auf dem Erwerb der Sprache liegt", und damit hat er schon das vielleicht größte Problem mit diesem Studiengang angesprochen: Nach ca. einem Jahr habe ich herausgefunden, dass der Herr sehr übertrieben hat, und dass viele Absolventen kein Wort Chinesisch schreiben oder sprechen können. Meiner Meinung nach ist es ziemlich sinnlos, eine Kultur erforschen zu wollen, deren Sprache man nicht mal ansatzweise beherrscht. Es ist mir klar, dass es sich hier um Chinesisch handelt, und dass man das nicht mal eben schnell in einem Crashkurs lernt, aber viele Studenten konnten nicht einmal eine einfache Konversation führen.
Wo wir beim zweiten Problem des Studiengangs wären: die Studenten. Sinologie ist ein Orchideenfach, für das es keinen NC gibt, und dessen Dozenten froh sind, wenn sich mal jemand in ihre Vorlesungen verirrt, weswegen sie auch jeden einfach "durchwinken" (d.h. ohne große Anforderungen bestehen lassen). Das führt dazu, dass viele Studenten in diesem Fach "parken" und sehr wenig Interesse daran haben (mutmaßliche Gründe sind: Warten auf ein anderes, nc-beschränktes Fach, den Eltern und dem Arbeitsamt einen Studentenstatus vorweisen zu können oder einfach im Winter in einem beheizten Vorlsesungssaal zu sitzen). Während meines Studiums hatte ich den Eindruck, dass ca. 20 bis 30 % der Studenten ernsthaft am Stoff interessiert sind, den anderen war er schlicht und einfach egal. Es dürfte aber dann keinen überraschen, dass man nach 20 Semestern Sinologie ohne jegliche Auslandserfahrungen und Sprachkenntnisse keine besonderen Chancen hat, im Bereich China unterzukommen. Von dem kleinen Teil, der sich reingelegt haben, haben auch alle eine Karriere in diesem Gebiet verfolgt (meistens in der Wirtschaft in Kombination mit Wirtschaftswisschenschaften oder eine Laufbahn an der Uni, aber eben auch exotischere Tätigkeiten).
Das Fach selber war, je nach Dozent und Mitstudierenden, äußerst interessant bis grauenhaft.

Ich persönlich war einer der ersten Bachelorstudenten (mit Linguistik als Nebenfach), habe von einem Master abgesehen (ich war nicht der Meinung, dass mir das noch etwas bringt, und außerdem war ich von den Umstellungsschwierigkeiten des Systems sehr genervt) und wollte partout nicht in der Praktikumsfalle landen. All das hätte mich aus Sicht vieler Karriereberater für die niederen Höllen der unqualifizierten Jobs prädestiniert, ich konnte ihnen jedoch entfliehen. Ich habe mir zuerst einen Nebenjob gesucht, um meine Versicherungen zu zahlen, und habe dann meine Dienste als Übersetzer angeboten. Es dauerte einige Zeit, aber ich bekam dann doch einige lukrative Aufträge, die ich auch zum Wohlwollen des Kunden abgeschlossen habe. Die Aufträge wurden immer mehr, und ich habe irgendwann meinen Job gekündigt.
Jetzt bin ich Vollzeit Freiberufler und arbeite an Chinesisch-Deutsch Übersetzungen und Lokalisierungen für einen Fahrzeughersteller, eine Computerspielefirma und einigen anderen sporadischen Kunden (die meisten Einnahmen kommen jedoch von medizinischen Übersetzungen von Englisch auf Deutsch, für die meine erste Ausbildung relevant ist). Ich bin ganz zufrieden mit meiner Arbeitssituation, da ich immer Freiberufler sein wollte, ich somit in Taiwan und Deutschland arbeiten kann, es mir möglich ist, mich viel um meinen Sohn zu kümmern und ich und meine Frau trotz eines kleinen Kindes ein doppeltes Einkommen besitzen. Es hat ca. 1,5 Jahre gedauert, bis ich genug Kunden für ein ausreichendes Einkommen zusammenbekommen habe, aber jeder, der von Unternehmensführung Ahnung hat, wird besätigen, dass das nicht von heute auf morgen geht. Die Arbeit könnte aber ein bisschen kreativer sein, weswegen ich jetzt auch einen Verlag für die Übersetzung eines chinesischen Klassikers suche. Außerdem wird man ein bisschen neurotisch, wenn man immer zu Hause ist, weswegen ich mir auch noch eine andere Beschäfitgung suchen werde (vielleicht hänge ich noch einen Master in einen anderen Fach dran). Ich hatte auch schon Möglichkeiten einer Festanstellungen, die habe ich aber ausgeschlagen (keine Lust).

Schlechte Berufaussichten des Studienfaches Sinologie würde ich nicht bestätgigen, wie ich das allgemein nicht für Geisteswisschenschaften tun würde. Die Probleme liegen eher an den Studenten selber (da diese Fächer auch immer ein gewisses Klientel anziehen) und an der totalen Gleichgültigkeit der Universitäten bezüglich zukünftiger Tätigkeitsfelder. Wahrscheinlich würde ich aufgrund der oben beschriebenen Gegebenheiten kein zweites Mal Sinologie studieren, ich würde mich aber immer wieder für eine Geisteswissenschaft entscheiden (wahrscheinlich Philosophie). Ich denke einfach, dass man mit einer ungewöhnlichen Ausbildung auch nach ungewöhnlichen Beschäftigungsfeldern suchen muss, und dass ein einfaches Verschicken von Lebensläufen wenig Sinn hat.

Der Eintrag ist jetzt ein bisschen lang, ich hoffe, dass ihn auch jemand zu Ende liest:) Ich musste das aber los werden, es ist sicherlich nicht immer so schlimm, wie alle behaupten.
MaxKraft
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Re: Erfahrungen zum Studium der Sinologie

Beitrag von MaxKraft »

Hallo zusammen,
ich bin neu hier im Forum und zufällig auf diesen Thread gestossen, der schon etwas älter ist, aber da hier noch rege diskutiert wird, möchte ich als Absolvent einer sinologischen Fakultät auch noch meine Erfahrung teilen.
Zu meiner Vorgeschichte soviel: Ich habe in Deutschland einen medizinischen Beruf erlernt (ich habe mit den Gedanken gespielt, Arzt zu werden), war aber nach dem Abschluss ziemlich entäuscht vom Krankensystem in Deutschland und habe danach ein Gapyear in Australien eingelegt. Dort habe ich meine taiwanische Freundin (mittlerweile meine Frau) kennengelernt, und da Sprachen immer meine Leidenschaft haben, konnte ich mir Englisch ziemlich schnell aneignen und habe dort angefangen, Mandarin zu lernen.
Danach bin ich nach Taiwan gekommen, habe dort eine Sprachschule besucht und nebenbei Deutsch (und leider auch Englisch) unterrichtet. Das alles hat mir so viel Spaß gemacht, dass ich beschloss, beruflich noch einmal umzusatteln und in Deutschland Sinologie zu studieren, mit dem primären Ziel, Sprachlehrer zu werden.

Während der Studienberatung hat mir ein Professor gesagt, dass "der Schwerpunkt im Studium nicht auf dem Erwerb der Sprache liegt", und damit hat er schon das vielleicht größte Problem mit diesem Studiengang angesprochen: Nach ca. einem Jahr habe ich herausgefunden, dass der Herr sehr übertrieben hat, und dass viele Absolventen kein Wort Chinesisch schreiben oder sprechen können. Meiner Meinung nach ist es ziemlich sinnlos, eine Kultur erforschen zu wollen, deren Sprache man nicht mal ansatzweise beherrscht. Es ist mir klar, dass es sich hier um Chinesisch handelt, und dass man das nicht mal eben schnell in einem Crashkurs lernt, aber viele Studenten konnten nicht einmal eine einfache Konversation führen.
Wo wir beim zweiten Problem des Studiengangs wären: die Studenten. Sinologie ist ein Orchideenfach, für das es keinen NC gibt, und dessen Dozenten froh sind, wenn sich mal jemand in ihre Vorlesungen verirrt, weswegen sie auch jeden einfach "durchwinken" (d.h. ohne große Anforderungen bestehen lassen). Das führt dazu, dass viele Studenten in diesem Fach "parken" und sehr wenig Interesse daran haben (mutmaßliche Gründe sind: Warten auf ein anderes, nc-beschränktes Fach, den Eltern und dem Arbeitsamt einen Studentenstatus vorweisen zu können oder einfach im Winter in einem beheizten Vorlsesungssaal zu sitzen). Während meines Studiums hatte ich den Eindruck, dass ca. 20 bis 30 % der Studenten ernsthaft am Stoff interessiert sind, den anderen war er schlicht und einfach egal. Es dürfte aber dann keinen überraschen, dass man nach 20 Semestern Sinologie ohne jegliche Auslandserfahrungen und Sprachkenntnisse keine besonderen Chancen hat, im Bereich China unterzukommen. Von dem kleinen Teil, der sich reingelegt haben, haben auch alle eine Karriere in diesem Gebiet verfolgt (meistens in der Wirtschaft in Kombination mit Wirtschaftswisschenschaften oder eine Laufbahn an der Uni, aber eben auch exotischere Tätigkeiten).
Das Fach selber war, je nach Dozent und Mitstudierenden, äußerst interessant bis grauenhaft.

Ich persönlich war einer der ersten Bachelorstudenten (mit Linguistik als Nebenfach), habe von einem Master abgesehen (ich war nicht der Meinung, dass mir das noch etwas bringt, und außerdem war ich von den Umstellungsschwierigkeiten des Systems sehr genervt) und wollte partout nicht in der Praktikumsfalle landen. All das hätte mich aus Sicht vieler Karriereberater für die niederen Höllen der unqualifizierten Jobs prädestiniert, ich konnte ihnen jedoch entfliehen. Ich habe mir zuerst einen Nebenjob gesucht, um meine Versicherungen zu zahlen, und habe dann meine Dienste als Übersetzer angeboten. Es dauerte einige Zeit, aber ich bekam dann doch einige lukrative Aufträge, die ich auch zum Wohlwollen des Kunden abgeschlossen habe. Die Aufträge wurden immer mehr, und ich habe irgendwann meinen Job gekündigt.
Jetzt bin ich Vollzeit Freiberufler und arbeite an Chinesisch-Deutsch Übersetzungen und Lokalisierungen für einen Fahrzeughersteller, eine Computerspielefirma und einigen anderen sporadischen Kunden (die meisten Einnahmen kommen jedoch von medizinischen Übersetzungen von Englisch auf Deutsch, für die meine erste Ausbildung relevant ist). Ich bin ganz zufrieden mit meiner Arbeitssituation, da ich immer Freiberufler sein wollte, ich somit in Taiwan und Deutschland arbeiten kann, es mir möglich ist, mich viel um meinen Sohn zu kümmern und ich und meine Frau trotz eines kleinen Kindes ein doppeltes Einkommen besitzen. Es hat ca. 1,5 Jahre gedauert, bis ich genug Kunden für ein ausreichendes Einkommen zusammenbekommen habe, aber jeder, der von Unternehmensführung Ahnung hat, wird besätigen, dass das nicht von heute auf morgen geht. Die Arbeit könnte aber ein bisschen kreativer sein, weswegen ich jetzt auch einen Verlag für die Übersetzung eines chinesischen Klassikers suche. Außerdem wird man ein bisschen neurotisch, wenn man immer zu Hause ist, weswegen ich mir auch noch eine andere Beschäfitgung suchen werde (vielleicht hänge ich noch einen Master in einen anderen Fach dran). Ich hatte auch schon Möglichkeiten einer Festanstellungen, die habe ich aber ausgeschlagen (keine Lust).

Schlechte Berufaussichten des Studienfaches Sinologie würde ich nicht bestätgigen, wie ich das allgemein nicht für Geisteswisschenschaften tun würde. Die Probleme liegen eher an den Studenten selber (da diese Fächer auch immer ein gewisses Klientel anziehen) und an der totalen Gleichgültigkeit der Universitäten bezüglich zukünftiger Tätigkeitsfelder. Wahrscheinlich würde ich aufgrund der oben beschriebenen Gegebenheiten kein zweites Mal Sinologie studieren, ich würde mich aber immer wieder für eine Geisteswissenschaft entscheiden (wahrscheinlich Philosophie). Ich denke einfach, dass man mit einer ungewöhnlichen Ausbildung auch nach ungewöhnlichen Beschäftigungsfeldern suchen muss, und dass ein einfaches Verschicken von Lebensläufen wenig Sinn hat.

Der Eintrag ist jetzt ein bisschen lang, ich hoffe, dass ihn auch jemand zu Ende liest:) Ich musste das aber los werden, es ist sicherlich nicht immer so schlimm, wie alle behaupten.
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Re: Erfahrungen zum Studium der Sinologie

Beitrag von mazzel »

MaxKraft hat geschrieben: Schlechte Berufaussichten des Studienfaches Sinologie würde ich nicht bestätgigen
Könntest du nochmal erklären, warum genau nicht? Denn:
Ich denke einfach, dass man mit einer ungewöhnlichen Ausbildung auch nach ungewöhnlichen Beschäftigungsfeldern suchen muss, und dass ein einfaches Verschicken von Lebensläufen wenig Sinn hat.
Das würde ich jetzt mal mit "schlechten Berufsaussichten des Studienfaches Sinologie" gleichsetzen.
Für das, was du heute machst, war dein Studium sicher hilfreich, ausschlaggebend dürfte aber deine Sprachkenntnis sein. Ohne deine Sprachkenntnisse wäre dein Sinologie-Studium für die Katz, richtig?
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Re: Erfahrungen zum Studium der Sinologie

Beitrag von RoyalTramp »

@ MaxKraft

Wenigstens bei einem "Sinologen" eine positive Wendung. Gratulation!
Mal schauen... ich darf die Hoffnung einfach nicht aufgeben, zumal mir bewusst war, in welches Desaster ich rennen würde, wenn ich nach 8 Jahren in China nach Deutschland zurückgehen würde. Aber was macht man nicht alles, wenn man Frau und Kind liebt. ;)
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Re: Erfahrungen zum Studium der Sinologie

Beitrag von Sachse28 »

MaxKraft hat geschrieben: Die Arbeit könnte aber ein bisschen kreativer sein, weswegen ich jetzt auch einen Verlag für die Übersetzung eines chinesischen Klassikers suche.
Komplette deutsche Übersetzung von der "Reise nach Westen"???

Mal anderrum gefragt: Wie seht ihr momentan die Chancen, wenn man (nicht ich) als Chinese in D lebend einen chin. Bachlor-Abschluss in Germanistik und einen dt. MA-Abschluss in DaF hat? Ausbildung ist in China ist ähnlich wie bei Sinologie, nur stand der reine Spracherwerb im Vordergrund.

Sprachlehrer für Flüchtlinge in D? Tätigkeit als Sprachlehrer in CN? Oder sich am besten als Übersetzer/Dolmetscher vereidigen lassen? Akademische Laufbahn scheidet aus, denn da lebt man ärmer als eine Kirchenmaus.
Vorsicht! Kann Spuren von Ironie enthalten.
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Re: Erfahrungen zum Studium der Sinologie

Beitrag von MaxKraft »

Das würde ich jetzt mal mit "schlechten Berufsaussichten des Studienfaches Sinologie" gleichsetzen.
Für das, was du heute machst, war dein Studium sicher hilfreich, ausschlaggebend dürfte aber deine Sprachkenntnis sein. Ohne deine Sprachkenntnisse wäre dein Sinologie-Studium für die Katz, richtig?
Mit den Sprachkenntnissen hast du Recht. Sprachkenntnisse werden in philologischen Studienfächer der deutschen Unis so gut wie überhaupt nicht vermittelt. Das trifft nicht nur auf Sinologie zu, sondern laut Geschichten anderer Studenten auch auf andere Richtungen (z. B. Arabistik). Aber da muss man eben selber was daraus machen...

Wie schon gesagt, ich hatte Möglichkeiten auf eine Festanstellung. Darunter war z. B. die Stelle als Kulturtrainer in einem deutschen Automobilkonzern, die mir eine Freundin von mir vermitteln wollte (ich habe aber überhaupt kein Interesse an Autos) oder als Assistent der Geschäftsführung/Marketingmensch für eine chinesische Online-Verkaufsplattform (die wollten deutsche "Lifestyleartikel" über eine Online-Plattform nach China verkaufen; es hat sich herausgestellt, dass die Artikel (natürlich) alle in China hergestellt wurden, und überhaupt ist mir die ganze Markenorientierung der Chinesen äußerst fremd, deshalb habe ich abgelehnt).
Ich persönlich versuche erst einmal das zu machen, was mir richtig Spass macht, und wenn ich daran scheitere, dann kommt Plan B, Plan C usw.
Aber zur Zeit habe ich nicht den Eindruck, dass ich bald scheitern werde, und hoffe auch, dass ich das nicht werde. Ich werde mciht jetzt erst mal um die Literaturübersetzung kümmern. Das wird mich nicht reich machen, aber auch nicht arm (mache nebenbei noch Fachübersetzungen), und es ist genau das, was ich machen will.

Ich habe sehr viele Bekannte, die BWL studiert haben, "weil man damit so viel machen kann", deren Berufsaussichten aber ähnlich sind: Am Anfang wollten alle ins Marketing, aber nach dem Studium haben sie dann gemerkt, dass man in einer Schwemme von BWL-Absolventen nur weniger kreativer Jobs machen kann, mit dem Ergebnis, dass einige frustriert in einem Job arbeiten, der ihnen nicht gefällt, oder etwas ganz was anderes machen, für das man meist kein Studium braucht.

Arbeitssuche findet ja auf einem "Arbeitsmarkt" statt, und wenn man etwas verkauft, das nicht jeder auf diesem Markt anbietet und eine Lösung für ein spezielles Problem bietet, dann muss man sich eben auf die Suche nach den Kunden mit diesem Problem machen und sie mit entsprechenden Marketingstrategien ansprechen. Ich hoffe, diese Analogie ist verständlich. Man braucht auch nicht unbedingt ein BWL-Studium, um sie zu verstehen:)
Ich möchte einfach die Leute dazu ermutigen, Berufswünsche nach ihren Interessen zu wählen. Wenn es für dich das Höchste ist, tägliche Haushaltsangaben in einer Excel-Tabelle einzutragen oder das Manager-Magazin von vorne nach hinten zu lesen, dann studiere BWL, aber wenn du gerne auf einem chinesischen Gemüsemarkt mit ein paar vorhandenen Chinesischvokabeln um ein paar Schuhe feilscht und bis tief in die Nacht Schriftzeichen übst, dann studiere Sinologie.
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Re: Erfahrungen zum Studium der Sinologie

Beitrag von MaxKraft »

Nachtrag: Studiere Sinologie an einer Uni, die den Schwerpunkt auf Sprachvermittlung legt:)
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Re: Erfahrungen zum Studium der Sinologie

Beitrag von sanctus »

MaxKraft hat geschrieben:Nachtrag: Studiere Sinologie an einer Uni, die den Schwerpunkt auf Sprachvermittlung legt:)
Primär muss man dafür jedoch erstmal auch die Motivation, ja sogar Leidenschaft, mitbringen, um eine Sprache erlernen zu können. Ohne das, wird das auch nix. Das erklärt zumindest warum ich heute nach ca. 4 Jahren Russisch und 2 Jahren Französisch keinen Satz mehr in diesen 2 Sprachen rausbringen kann aber nach 4 Jahren Chinesisch munter darauf losplaudern kann und teilweise sogar in dieser Sprache träume.

Das zeigt auch, mein Studiengang. Dort konnte es unterschiedlicher nicht sein. Wir hatten am Ende des Studiums Leute, die konnten nahezu überhaupt nichts auf Chinesisch sagen/ verstehen und konnten teilweise auch einfachste Schriftzeichen (bspw. 忙) nicht mehr schreiben. Auf der anderen Seite gab es da die Ultras, die mit HSK 5 oder sogar 6 chin. Fachzeitschriften durchstöberten.

Ich schätze zu 70% muss man die Leidenschaft haben, die anderen 30% hängen vom Lernumfeld bzw. den (Lern-) Bedingungen ab.
谁想要大成绩,就要有更大的目标!

„Solange es Leute gibt, die nichts können, nichts wissen und nichts geleistet haben, wird es auch Rassismus geben“ Farin Urlaub
MaxKraft
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Re: Erfahrungen zum Studium der Sinologie

Beitrag von MaxKraft »

Primär muss man dafür jedoch erstmal auch die Motivation, ja sogar Leidenschaft, mitbringen, um eine Sprache erlernen zu können. Ohne das, wird das auch nix.
Das ist natürlich die Hauptsache. Sinologie ist eine Kulturwisschenschaft, und ganz gleich, ob man im Studium für einen Beruf nach dem Abschluss ausgebildet wird oder nicht, wenn man eine Kultur erforscht, muss man ihre Sprache kennen.
Es gibt hunderte Definitionen für den Begriff "Kultur", alle sind sich aber einig, dass "Sprache" die primäre oder wichtigste Ausdrucksform einer "Kultur" ist. Ohne Sprachkenntnisse ist eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Kultur nicht möglich, das ist so wie ein Arzt, der noch nie einen Patienten gesehen hat.
Aus meiner Sicht gibt es auf beiden Seiten Nachholbedarf, bei den Studenten und bei den Unis. Dies kann geschehen, indem Sprachkenntnisse für das Studium verlangt werden (wie in Romanistik oder Anglistik, aber das ist bei Chinesisch eher schwierig), oder indem indem die Kenntnisse während des Studiums vermittelt werden (wie das bei Chinesisch genau aussehen soll, kann ich nicht sagen, ist aber z.B. über eine enge Zusammenarbeit mit einer Partneruni möglich).

Ich habe damit eigentlich alles gesagt, möchte aber betonen, dass das Studium nicht so brotlos ist, wie immer behauptet wird. Es hat eben nur wenig Sinn, sich zuhause auf die paar offenen Stellen zu bewerben, sondern man muss selbst aktiv werden. Man muss sich auch überlegen, ob man in diesem Bereich wirklich arbeiten will, das Leben in einer aus deutscher Sicht fremdartigen Kultur ist nicht jedermanns Sache.
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