Gedankenspiel über die politischen Strategien in China

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shuhan
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Re: Gedankenspiel über die politischen Strategien in China

Beitrag von shuhan »

Grufti hat geschrieben:
shuhan hat geschrieben:Schade, dass es bisher kaum Kommentierungen zu meinem Artikel gegeben hat. Es wäre schon interessant, ob andere die Standpunkte in meinem Artikel auch so sehen wie ich.
Qui tacet, consentire videtur.... :roll:
Danke :D
shuhan
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Re: Gedankenspiel über die politischen Strategien in China

Beitrag von shuhan »

@ingo_001
Nach der über 100-jährigen Fremdbestimmung reagieren die Chinesen (nicht nur die chin. Regierung) da zu Recht sehr gereizt, weil eben dieses Trauma nach wie vor tief sitzt.
Wieder die übliche Propaganda, die ich schon seit meiner frühsten Kindheit in der chinesischen Schule gehört habe. Und die lautet:" Seit der chinesischen Niederlage im Jahre 1840 wurde China von Fremdmächten beherrscht. Erst mit dem Kommunistischen Sieg in China endete die Fremdbestimmung".

Historische Realität war hingegen:

Im Jahre 1840 stand China unter der Herrschaft der Fremdendynastie der Mandschu, genannt das Kaiserreich Qing. Das chinesische Volk wurde bis dato schon seit zwei Jahrhunderten kulturell brutalst unterdrückt. Beispiele: Schrifteninquistion (文字狱). Tausende chinesische Intellektuelle, Aufklärerer und Wissenschaftler wurden den Mandschu brutalst verfolgt, hingerichtet oder zusammen mit ihren Familien in die Straflager in der Mandschurai verbannt, um dort den Mandschu-Grenzsoldaten (披甲人) als Sklaven/Sklavinnen zu dienen. Zehntausende kritische oder aufklärische, wissenschaftliche Schriften wurden vernichtet. Chinesen durften nicht mal ihre seit 2000 Jahren bestehenden traditionellen Klediungen und Tracht tragen und wurden durch eine Todesstrafe gezwungen zum Zeichen ihrer Unterwerfung nomadisch geprägte mandschurische Kleidungen zu tragen (Magua etc) und einen langen Zopf hinter einem fast kahl rasierten Kopf zu tragen.

Was war im Jahre 1840? Ganze Bevölkerungen in den Westprovinzen haben sich gegen die Fremdbestimmung der Mandschu erhoben. Stichwort: Die Weißen Lotos-Bewegung, die nur durch die äußerst brutale taktik der Verbrannte Erde (坚壁清野) niedergeschlagen werden konnten.

Von 1851 aufwärte begann der Aufstand der Taiping, der 20 Millionen Todesopfer in Südchina forderte. Gleichzeitig erhoben sich die Hui (überwiegend muslimische Han) in Westchina. Die Niederschlagung der Hui führte dazu, dass sich die Zahl der Hui in Westchina halbierte. Die Verwüstungen, die durch zwei Opiumkriege verursacht wurden, waren ein lächerlicher Witz im Vergleich zu den Vernichtungsfeldzügen, die damals von den Kaiserlichen Mandschu-Truppen gegen die Weißen-Lotos, gegen die Taiping und Hui durchgeführt wurden.

Nach dem Fall von Nanking töteten die kaiserlichen Qing Truppen fast alle Bewohner der damaligen Taiping-Hauptstadt. Die Anführer der Taiping ließen die Qing die grausame Linchi-Strafe unterziehen. Das bedeutet, man schneidet tausendfach Fleischstücke aus dem Rumpf des Opfers raus, bis das Opfer langsam und qualvoll stirbt.

An Brutalität, Unmenschlichkeit und Grausamkeit waren die Gräueltaten der damaligen Kaiserlichen Qing gegen das chinesische Volk kaum von den lächerlichen europäischen Kolonialtruppen zu überbieten.

Wenn es damals jemals ein tiefes Trauma des chinesischen Volkes gegeben hat, waren es wohl vor allem die Gräueltaten der kaiserlichen Fremdherrscher (Qing) gegen das chinesische Volk.

Das sogenannte "Trauma" der heutigen Chinesen wegen der Kolonialgeschichte ist wohl in erster Linie ein Produkt der täglichen Propaganda der KPCh in den Schulen, in den Medien und in der öffentlichen Kultur, wodurch die Erinnerungen an die Demütigungen der Chinesen durch die Kolonialherren frisch täglich gehalten werden, als wären sie erst gestern passiert.


Gleichzeitig werden die um ein Vielfaches grausamen Gräueltaten der kaiserlichen Qing (ebenfalls Fremdherrscher) gegen das chinesische Volk weitesgehend ausgeblendet.

Selbst der chinesische-japanische Krieg wurde von 1949 bis in die 80er Jahre hinein kaum thematisiert in Festlandchina. Japanische Kriegsverbrechen wie das Nanking-Massaker waren auch weitesgehend unbekannt, weil sie damals für die kommunistische Führung "politisch uninteressant" war. Damals war der "Feind " eher die nationalchinesische KMT auf Taiwan bzw. die USA bzw. die Sowjetunion ab Anfang der 60er Jahre. Im Gegenteil: Mao bedankte sich mehrmals persönlich bei japanischen Staatsgästen in China wie bei dem ehemaligen Sozialistenführer Japans für den japanischen Angriffskrieg (weil die KPCh ohne den japanischen Angriff auf China wohl untergegangen wäre). Nur dank der Kriegswirren im Folge des Japanischen Angriffs auf China konnte sich die KPCh erstarken und letzendlich die Macht in China ergreifen. Japan wurde erst als "Feind" ab der 90er Jahre wieder hochstilisiert, als der chinesische Nationalismus von der chinesischen Führung als Herrschaftslegitimationsmittel gefördert wird, um das ideologische Vakkumm nach dem Zusammenbruch der Kommunistischen Ideologie als Herrschaftslegitimation zu füllen. Plötzlich werden japanische kriegsverbrechen in den Massenmedien, in den Schulen, und in der Öffentlichkeit täglich thematisiert, als wären sie erst gestern passiert. Es gibt heute kaum einen Tag, an dem nicht gleichzeitig mehrere antijapanische Filme im chinesischen Fernsehen laufen.


Gleichzeitig werden die Gräueltaten der regierenden KPCh gegen das chinesische Volk (aus der Sowjetunion importierte fremde Ideologie) wie Kulturrevolution, großer Sprung nach vorn, Anti-Rechts-Kampagane, Kampagane zur Niederschlagung der Konterrevolutionäre, drei-Anti und Fünf-Anti-Kampagane, und und und, weitesgehend von der öffentlichen Erinnerungskultur verbannt.

Wenn es also in China ein Trauma wegen der Fremdherrscher gibt, dann ist das ein Ergebnis der einsetigen Prpaganda der KPCh-Regierung, um sich politisch davon zu profilieren. Mit den historischen Realitäten hat das meistens nicht das geringste zu tun.

Und zum Schluss wieder darf ich dich wieder daran erinnern, dass die KPCh ohne die massive Unterstützung der Fremdmacht, der Sowjetunion, niemals an die Macht gekommen wäre.

Als Dankeschön an die russische Unterstützung organisierte die KPCh 1929 pro-sowjetische Demonstrationen und rief die Arbeiter in Schanghai mit Slogans wie "die Sowjetunion bewaffnet verteidigen (武装保卫苏联)" zum Generalstreik auf, als die sowjetische Armee in die chinesische Mandschurei einfiel, um die durch die Zarenzeit erworbenen russischen kolonialen Sonderrechte um die Osteisenbahn in der Mandschu militärisch zu sichern.

Aber über diese Geschichte wird natürlich kaum geredet.


Daher:
"Nach der über 100-jährigen Fremdbestimmung reagieren die Chinesen (nicht nur die chin. Regierung) da zu Recht sehr gereizt, weil eben dieses Trauma nach wie vor tief sitzt"
Was für ein Witz!
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i18n
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Re: Gedankenspiel über die politischen Strategien in China

Beitrag von i18n »

shuhan hat geschrieben:Du begehst genauso wie viele Deutsche oder Westler den gravierenden Denkfehler einer "kontinuerlichen Entwicklung und Fortschrittlichkeit" in China. Du denkst, in China sei vieles deshalb so schlecht, weil es vorher nie etwas besseres gegeben habe. Du denkst wahrscheinlich auch, dass der KPCh-Staat zwar diktatorisch und brutal sei, aber trotzdem der modernste Staat in der chinesischen Geschichte sei.

Mit diesem Denkfehler stehst du nicht alleine, weil du wie viele andere offenbar die chinesische Geschichte überwiegend nur von offiziellen Märchen-Erzählungen der VR China kennst.
Oh, werden wir persönlich?! Na gut: Ich habe vor 24 Jahren begonnen, Sinologie zu studieren – wer das Fach kennt, weiß, daß man nie ausstudiert. Meine Spezialität ist eben chinesische Geschichte und Philosophie/Ethik. Gut, ich habe eher das klassische und vorklassische China studiert, was nicht heißen soll, daß ich mich nicht auch näher mit der Guomindang-Zeit beschäftigt habe.

Seit gut 10 Jahre lebe ich in der Volksrepublik China. Im Gegensatz zu Dir kenne ich also das Land nicht nur vom Hörensagen.

Herzlichen Dank, daß Du mich über meinen »Denkfehler« aufklärst, das hatte mir lange gefehlt, daß mir jemand sagt, wie ich zu denken habe. Selbst unter der »Parteidiktatur« hier.

Ich hatte angenommen, daß Du die von Dir aufgestellten Thesen diskutieren willst. Mir scheint es aber, daß Du gleich loshackst, wenn jemand eine andere Meinung vertritt. Soviel zum Thema Demokratie. ;)

Möchtest Du also nur Deine eigenen Schlüsse von aller Welt bestätigt wissen? Tut mir leid, daß ich überhaupt geantwortet habe, die Bestätigung will ich Dir leider verweigern, denn ich sehe diesen Beitrag als ein erneutes Beispiel westlicher Arroganz, alles mit Maßstäben messen zu wollen, die auf Verklärung der eigenen Geschichte, Zurechtbasteln der Interpretation der Geschichte anderer Länder und ihrer moralischen Bewertung (Guomindang=gut, KPCh=böse) beruht. Woher nimmst Du Deine Weisheiten? Und vor allem die Berechtigung? »Spiegel« läßt grüßen!

Ich denke mal, daß ich am wenigsten das westliche Denken repräsentiere, zumal ich 24 Jahre in eher östlicher Hemisphäre, der DDR, verbracht habe. Ich kenne also das soziale Gefüge, die gesellschaftlichen Ballspiele des »realen Sozialismus« aus eigener Naherfahrung, habe den Vergleich zur VR China, sehe Gemeinsamkeiten und Unterschiede sehr klar.

… und ich verallgemeinere nicht. Es ist gemäß der westlichen Ansicht so, daß es eine große böse KP gibt, die diktatorisch alles bestimmt. Wenn einer Frau das dritte Kind verweigert wird, längst zum Abriß bestimmte Häuser besetzt werden, um noch mehr Entschädigung herauszuholen und dann mit Gewalt gegen die Besetzer vorgegangen wird (oh, kommt mir irgendwie von der Mainzer Straße in Berlin bekannt vor, aber dort wurden die Leute demokratisch verprügelt und die Häuser freiheitlich geräumt) – dann sind das immer »die« Kommunisten, also die Kinderfresser, Brandstifter, Raubmörder, alles kommt von »ganz oben«.

Meiner Erfahrung nach sind solche Ausschreitungen, Ungerechtigkeiten, Gewaltmaßnahmen sehr oft Machenschaften regionaler Machthaber, da kühlt Lao Zhang als Dorfvorsteher sein Mütchen, weil ihn Xiao Li mal abblitzen lassen hat.

Und das wie vor 60 Jahren, wie vor 200, 400, 600 … 2000 Jahren. Das hat nichts mit der KPCh zu tun, die gibt es noch nicht so lange. An Korruption, Intrigen, Rechtsbrüchen usw. nehmen sich die Regierungen Chinas seit ein paar tausend Jahren nichts. Und es zieht sich durch die Geschichte wie ein roter Faden daß eben die Kleingeister, regionalen Machtbessenen, Warlords, Dorfschulzen, Sekretäre oft die Übeltäter sind. Peking ist weit weg, wie man hier bei uns sagt.

Während der Republikzeit gab es eben nicht nur eine zentrale Regierung, selbst die Guomindang hatte verschiedenen Strömungen. Das einfache Volk hatte also nicht nur unter der Zentrale und den regionalen Vertretern der Regierung zu leiden, es war mehreren Herren (Warlords, Splittergruppen der GMD, Räuberbanden …) ausgesetzt, die es irgendwie befriedigen mußte – jetzt gibt es wenigstens nur Peking und die regionalen Kader.

Ist das nun gut? Natürlich nicht, ich sehe selbstverständlich die Fehler, die gemacht werden.

Aber ich sehe auch die positiven Entscheidungen der Regierung. Du erwähntest die Wanderarbeiter. Sicher haben die in der Stadt keine Rückendeckung durch die Regierung, die Bauherren beuten sie aus, oft gibt es nicht einmal Lohn, weil er gegen Kost und Logis aufgerechnet wird. Aber, niemand hat diese Menschen gezwungen, in die Städte zu gehen. Es ist einfach der Traum vom großen Geld. Wären sie auf ihrer Scholle geblieben, kämen sie in den Genuß kostenloser Krankenversorgung, ihre Kinder könnten nicht nur die Grundschule (wie bei den Städtern), sondern auch die Mittelschule kostenlos besuchen – uns sie würden keine Steuern zahlen.

Ich sehe Fortschritt auch nicht unbedingt als eine Kontinuität, vielmehr als ein Konglomerat von Sprüngen in verschiedene Richtungen. Oft als »Schritt von uns fort«. Der Fortschrittsgedanke kommt übrigens auch eher aus der westlichen Welt. Nicht umsonst ist unser Kalender linear, der alte chinesische zyklisch.
shuhan
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Re: Gedankenspiel über die politischen Strategien in China

Beitrag von shuhan »



Und warum sollten die Chinesen dieses System ändern wollen, wo doch (bis jetzt) eine übergroße Mehrheit davon profitiert.

Tenor deiner Behauptungen ist es, dass eine übergroße Mehrheit von dem System des KPCh-Staates profitiert.

Ich frage dich, von was profitieren die überwiegende Mehrheit der Chinesen, die Landbevölkerung, wenn sie nicht mal das Recht haben, in den Städten als Städtler zu leben und als solche zu gelten?

Von was profitieren die überwiegende Mehrheit der Chinesen, wenn ihre Kinder nicht mal in den Großstädten auf eine staatliche Schule gehen dürfen, auch wenn ihre Kinder dort geboren sind?

Und von was profitieren die Sozialschwachen in China, die nun mal ca. 80 Prozent der chinesischen Bevölkerung ausmachen (80 Prozent Unterschicht), wenn sie nicht mal einen fairen Prozess erwarten können, wenn ihnen Unrecht getan wird?

Von was profitieren die sozialschwachen Chinesen, die im Falle der Ungerechtigkeit nur den Gang der Petition (上访) kennen, weil eine unabhängige örtliche Justiz nicht existiert, und die aber meistens abgefangen werden und zurückdeportiert werden? 拦截上访?

Von was profitieren die Mehrheit der Chinesen, wenn sie keinerlei Einfluss darauf nehmen können,
wenn etwa der Staat sich aus der Verantwortung der Bildungsausgaben stiehlt (etwa Kommerzierung des Schulwesens und die darauffolgenden explodierende Schulgebühren), aber gleichzeitig die Ausgaben für die Luxus-Dienstreisen, Essen/Trinken, in die astronomische Höhen schnellen?

In diesem Zusammenhang: Kein Witz, wenn du mal in Amsterdam unterwegs bist und als Chinese von Zuhältern dauernd mit Chinesisch "Fapiao, Fapiao" angeprochen wirst, was glaubst du wohl, woran das liegt??? Staatlich bezahlte Puffbesuche für Funktionäre im Ausland, während im eigenen Land Millionen Landkinder nicht mal eine Schule besuchen können. Wer kontrolliert das? Die Medien? Die Medien unterstehen der Partei!

Solange die KPCh-Politiker, Beamten und Kader niemals dem Volk zu verantworten haben, weil es keine Mitbestimmung des Volkes stattfindet, werden die KPCh-Kader immer ihre Interessen über das Interesse des Volkes stellen.
Und das nur die das Land verlassen dürfen, die in der Partei sind und/oder linientreu die Meinung der chin. Regierung vertreten ...
Man, wer hat Dir denn solchen Quatsch eingeimpft?
Wann habe ich solche Aussagen behauptet? Lern bitte erst Lesen, dann kommt vielleicht das Verstehen.

Mein Rat an Dich, den ich Dir schon früher mal gab: Flieg selber nach China und mache Dir ein EIGENES BILD von den Menschen.
Das behauptest gerade du als Laowai gegenüber mir?

Wenn die Chinesen denn mal ihr herrschendes politisches System (ver)ändern wollen, dann werden sie das SELBST tun - eine Einmischung von außen kommt nur bei denen gut an, die davon (den jeweiligen Geldgebern) profitieren.
Klar, in einer Diktatur wie in China, in der das Organisieren einer Demonstration sofort als schweres Delikt geahndet wird, in der 1,5 Millionen bis an die Zähne bewaffneten Soldaten der Wujing und 2,5 Millionen mit schwerem Gerät bewaffneten Soldaten der Volksbefreiungsarmee über das Volk wachen, können die Chinesen einfach mal ihr herrschendes politisches System (ver)ändern, wenn sie das wollen.

Super Idee, warum ist das den vielen mit der KPCh unzufriedenen Chinesen selbst nicht eingefallen?
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Re: Gedankenspiel über die politischen Strategien in China

Beitrag von sweetpanda »

Wie und wann ist es eigentlich der KP gelungen eine kommunistisch-ideologische Diktatur in eine Kleptokratie umzuwandeln. Warum hat die Führung der DDR oder anderer osteuropäischer Satellitenstaaten nicht auch versucht ihre billigen Arbeitskräfte den "Kapitalisten" zur Verfügung zu stellen, um länger an der Macht zu bleiben?
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Re: Gedankenspiel über die politischen Strategien in China

Beitrag von Grufti »

sweetpanda hat geschrieben: Warum hat die Führung der DDR oder anderer osteuropäischer Satellitenstaaten nicht auch versucht ihre billigen Arbeitskräfte den "Kapitalisten" zur Verfügung zu stellen, um länger an der Macht zu bleiben?
Sicher hatten viele DDR Betriebe für westdeutsche Warenhäuser produziert......u.a Textilien, Möbel etc....

Ich selbst hatte 1985 durch ein Möbelhaus ein Küchenschrank geliefert bekommen, der in der DDR gefertigt worden war.. Beim Zusammenbau hatten diverse Teile nicht gepaßt...und nach ca 2 Wochen vergeblicher Wartezeit auf passenden Ersatz hatte ich das unvollständige Möbel unter Androhung rechtlicher Schritte gegen die Firma mein Geld wiederbekommen ....und die blockierte Küche war wieder benutzbar..


meines Wissens kamen die allerersten VOBIS Highscreen PCs( leider nicht bei Wikipedia verfizierbar) und andere EDV-Anlagen bzw Büromaschinen vom VEB Robotron in Sömmerda
Früher ging es uns gut. heute geht es uns besser...
Es wäre aber besser , es ginge uns wieder gut !
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Re: Gedankenspiel über die politischen Strategien in China

Beitrag von sweetpanda »

Grufti hat geschrieben:
sweetpanda hat geschrieben: Warum hat die Führung der DDR oder anderer osteuropäischer Satellitenstaaten nicht auch versucht ihre billigen Arbeitskräfte den "Kapitalisten" zur Verfügung zu stellen, um länger an der Macht zu bleiben?
Sicher hatten viele DDR Betriebe für westdeutsche Warenhäuser produziert......u.a Textilien, Möbel etc....

Ich selbst hatte 1985 durch ein Möbelhaus ein Küchenschrank geliefert bekommen, der in der DDR gefertigt worden war.. Beim Zusammenbau hatten diverse Teile nicht gepaßt...und nach ca 2 Wochen vergeblicher Wartezeit auf passenden Ersatz das unvollständige Möbel unter Androhung rechtlicher Schritte gegen diee Firma mein Geld wiederbekommen ....und die blockierte Küche war wieder benutzbar
Aber in China hat das Ganze seit Anfang der 80er besser geklappt und wurde/wird viel größer aufgezogen.
Ich stelle mir das lustig vor, wie die politischen Gremien irgendwann mal beschliessen:
"Das mit dem Kommunismus ist Blödsinn, wir können es natürlich nicht öffentlich sagen. Wir machen jetzt was "Neues" bei dem wir viel Geld scheffeln werden, doch die Macht geben wir natürlich nicht ab :mrgreen: ."
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Re: Gedankenspiel über die politischen Strategien in China

Beitrag von Grufti »

sweetpanda hat geschrieben: Aber in China hat das Ganze seit Anfang der 80er besser geklappt und wurde/wird viel größer aufgezogen.
Na dann überlege mal warum ! Die Täterä wurde doch seit 1945 systematisch von der SU ausgebeutet...und hatte sogar China trotz eigener Schwierigkeiten zumindest mit DDR Know how unterstützt ein Beispiel die Fabrik798

Hab da gerade einen dazu passenden DDR Witz gefunden:
Wegen der ständigen Differenzen zwischen Peking und Moskau fliegt Breshnew nach Peking.
Schließlich kommen sie zu einer friedlichen Einigung.
Mao bittet Breshnew aber trotzdem noch, als Zeichen seines guten Willens, ihm einige Sachgüter zu schicken.
Breshnew willigt natürlich bereitwillig ein.
Mao: "Wir bräuchten 10.000 Autos!"
Breshnew: "Die werdet Ihr bekommen, Genosse Mao!"
Mao: "Und dann bräuchten wir noch 100.000 Fahrräder!"
Breshnew: "Kein Problem, Genosse Mao!"
Mao: "Ach ja, und 100.000 Sack Reis noch!"
Breshnew: "Genosse Mao, das geht leider nicht! Meines Wissens wird in der DDR nämlich kein Reis angebaut..
Hier zu finden
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Re: Gedankenspiel über die politischen Strategien in China

Beitrag von sweetpanda »

Der Aufschwung Chinas und der beschleunigte wirtschaftliche Niedergang der DDR sollen in einem signifikanten Zusammenhang stehen? Also die DDR musste bluten, damit es in China einen Aufschwung geben konnte?
Da wurde sicher einiges geliefert aber doch nicht in dem Umfang, dass es die gegensätzliche Entwicklung beider Staaten erklären kann.
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Re: Gedankenspiel über die politischen Strategien in China

Beitrag von blackrice »

suhan hat seinen Zwirn "Gedankenspiel über die....." tituliert :P
"Wenn Du sie nicht überzeugen kannst, verwirre sie"

humans are the only species cut down trees .. turn it into paper .. then write - '' SAVE THE TREES '' - on it

wir sind hier nicht bei WÜNSCH' DIR WAS sondern bei SO ISSES' HALT
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Re: Gedankenspiel über die politischen Strategien in China

Beitrag von shuhan »

Aber, niemand hat diese Menschen gezwungen, in die Städte zu gehen. Es ist einfach der Traum vom großen Geld. Wären sie auf ihrer Scholle geblieben, kämen sie in den Genuß kostenloser Krankenversorgung, ihre Kinder könnten nicht nur die Grundschule (wie bei den Städtern), sondern auch die Mittelschule kostenlos besuchen – uns sie würden keine Steuern zahlen.
Ich muss zugeben, bei derart verdrehter und unverschämter Logik geht mir der Hut hoch.

Ich hatte selbst eine Dorfschule in China besucht. Ich weiss, wie schlecht Dorfschulen ausgerüstet sind im Vergleich zu einer staatlichen Schule in einer Großstadt. Die meisten meines Jahrgangs in dieser Dorfschule haben es nicht auf eine Universität geschafft. Die allermeisten Kinder der Bekannten meines Vaters in Peking, die eine staatliche Schule in Peking besucht haben, haben es dagegen ausnahmslos auf Elite-Universitäten wie Tschinghua oder Beida geschafft. Waren sie einfach klüger und meine Mitschüler hingegen dümmer? Natürlich nicht.

Es liegen schlicht Welten zwischen der Lehrqualität einer Landschule und der einer Stadtschule. Und im Bezug auf Peking: Es gibt allein in Peking 26 sogenannte Elite-Universitäten (211-Unis), die Provinz Henan etwa dagegen nur eine einzige.

Zum Vergleich. Peking hat nur 12 Millionen sogenannte Hukou-Bevölkerung, und nur solche haben einen guten Zugang zu Universitäten in Peking. Henan hat hingegen 94 Millionen Menschen, also fast das Achtfache an Bevölkerung bei hingegen 1/26 an Elite-Universitäten.
Zudem nehmen die Universitäten in Peking überwiegend Pekinger Schüler als Studenten auf, für die Abiturienten aus anderen Provinzen gibt es hingegen nur ein begrenztes Kontigent.

Das bedeutet mit anderen Worten: Ein Pekinger Abiturient hat sehr viel höhere Chancen, an eine Elite-Universität zu gelangen als ein Abiturient einer Stadt in Henan, geschweige denn gegenüber den Landkindern in Henan!

Diese Universitäten in Peking werden nun mal von den Steuern aller Chinesen getragen, weil die Mittel direkt von den Mitteln des Bildungsministeriums stammen, aber nur ein winziger Bruchteil der Chinesen profitieren davon.

Gleiches gilt für die Gesundheitsversorgung und für fast sämtliche Resourcen, dass die Großstädte gegenüber kleineren Städten bzw. den ländlichen Regionen enorm bevorteiligt werden.

Ist es deshalb der Landbevölkerung zu verdenken, dass sie in die Metropolen strömt?

Weiterhin leisten die Angehörigen der Landbevölkerung einen unverzichtbaren Beitrag zum Aufbau der Städte. Ohne sie gäbe es die heutigen Metropolen in derzeitiger Form überhaupt nicht. Wer also dort arbeitet, soll auch das Recht haben, Bürger dieser Stadt zu werden inklusive dem Recht, das Kind auf eine Staatliche Schule zu schicken.


Noch ein Beispiel aus meiner Erfahrung, das aufzeigt, wie menschenverachtend und diskriminierend dieses ganze System ist:

Meine Eltern waren bei meiner Geburt Pekinger Bürger mit Pekinger Hukou. Also hatte ich von Geburt an einen Pekinger Hukou. Sodann zog ich als kleines Kind nach Südchina und wuchs dort auf dem Land auf, weil meine Eltern zum Studieren ins Ausland gingen. Ich kannte Peking also so gut wie gar nicht und hatte überhaupt keinen Bezug zu Peking, außer dass ich dort geboren wurde.
Trotzdem hätte ich das Recht gehabt, in Peking mein Abitur abzulegen, weil ich offiziell als Pekinger galt.

Wenn hingegen ein Kind von Wanderarbeitereltern in Peking geboren wäre und dort zur Schule gegangen wäre, also sein Leben nur in Peking verbracht hätte, hätte dieses Kind trotzdem kein Recht gehabt, in Peking das Abitur abzulegen, sodass ihm der begünstigte Zugang zu den Universitäten in Peking ebenfalls verwehrt bleibt. Es müsste für die Ablegung des Abiturs in die Heimat seiner Eltern zurückkehren und hätte aller Wahrscheinlichkeit nach keine Chance gehabt, von einer Elite-Uni in Peking aufgenommen zu werden.

Da sieht man, dass es dort das Abstammungsprinzip bzw. Blutprinzip bezüglich des Hukous herrscht, welches für die soziale Selektion ausschlaggebend ist. Es ist also ein staatlich festgeschriebenes System, welches eine kleine Elite bevorzugt und heranzüchtet, während die Mehrheit der Bevölkerung auf der Strecke bleibt und deren sozialer Aufstieg durch bürokratische Hürden erschwert bis unmöglich gemacht wird.






p.s.
Weiterhin ist es eine Mär, dass die Landschulen kostenlos sind. Zu meiner Zeit, als ich vor 13 Jahren in China zur Schule ging, mussten wir alle Schulgebühren zahlen. Heute sind die Schulgebühren bis Sekundarstufe I zwar offiziell abgeschafft, aber an ihre Stelle treten nun andere Gebühren auf wie Gebühren für Bücherquellen, Gebühren für Unterrichtsmaterial(教材费、课本资料费, usw) und zahlreiche andere 杂费.
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Re: Gedankenspiel über die politischen Strategien in China

Beitrag von Laogai »

sweetpanda hat geschrieben:Ich stelle mir das lustig vor, wie die politischen Gremien irgendwann mal beschliessen:
"Das mit dem Kommunismus ist Blödsinn, wir können es natürlich nicht öffentlich sagen. Wir machen jetzt was "Neues" bei dem wir viel Geld scheffeln werden, doch die Macht geben wir natürlich nicht ab "
Das hast du dir sehr lustig vorgestellt und fast genau so war es auch! Es wurde "Sozialismus mit chinesischer Prägung" genannt und begann unter Deng Xiaoping.

Nur das mit dem Geld scheffeln hast du noch nicht richtig verstanden. Natürlich wollte man die Macht erhalten und dabei schon gar nicht den materiellen Status verlieren. Aber das geht eben nicht, wenn die Untertanen dabei am Hungertuch nagen. Denn dann hat man ratzfatz eine Revolte am Hals. Und genau das ist der Denkfehler, den viele hier haben. Sie glauben, dass der chinesischen Regierung das Wohl des Volkes am Arsch vorbei geht (ich habe heute meinen bad word day). Die anderen hier im Forum glauben (nicht denken, das Denken hat bei denen aufgehört), dass China an sich böse ist und nur dann gut werden kann, wenn der Eindruck entstanden ist, dass dort eine Demokratie herrscht. Siehe Taiwan, das "gute China". Aber das nur nebenbei.

Daher zurück: Das Wohl des Volkes zu ignorieren geht aber nicht, wenn man selbst gut leben will! Klar, man kann das Volk erbarmungslos unterdrückten, ausbeuten und ggf. Aufstände niederknüppeln/schießen. Aber irgendwann hat man keine Menschen mehr, die einem den eigenen Wohlstand garantieren, da alle entweder tot sind oder sonst nicht mehr in der Lage sind dafür zu arbeiten.

Wer denkt (oder glaubt, das passt wohl eher), dass der chinesischen Regierung egal ist was mit ihrem Volk passiert und wie es ihm geht hat daher einfach die Zusammenhänge nicht verstanden. Und jetzt noch schärfer: Wer glaubt (denn das Denken hat in dem Fall bereits längst versagt), dass das chinesische Volk mit seiner aktuellen Situation unzufrieden ist war entweder noch nie in China oder hat noch sich nie mit Chinesen unterhalten. Gäbe es eine generelle Unzufriedenheit über das herrschende System, dann wäre die Revolution schon längs da.

Kurzer Zwischeneinwurf. Eine Systemänderung in Deutschland ist quasi auch unvorstellbar. Es gibt Demos zu verschiedenen Beschlüssen der Regierung, egal auf welcher Ebene. Die gibt es in China auch. Aber davon gleich abzuleiten, dass die Bevölkerung mit dem ganzen System unzufrieden ist???

Und dann die Dimensionen. Hier wird immer nach "Demokratie in China" gerufen. Logisch, für die einfältigen Geister ist das nur ein Land, ähnlich wie Deutschland. Dass China von der Fläche her viel größer als Europa ist und auch mehr Einwohner hat vergessen viele gerne. Die Demokratie in der Schweiz z.B. ist eine ganz andere als in Deutschland. Und die Demokratie in Deutschland ist wieder eine ganz andere als in Frankreich. Das wird permanent ignoriert.

Warum eigentlich? Warum ist China der Sündenbock? Zunächst wegen der bereits angesprochenen Ignoranz. Viel mehr aber noch: Ein Feinbild muss her! Es muss jemanden geben, auf den herabgesehen und der kritisiert werden kann. Nur das scheint die eigene Existenz, das eigene Wohlbefinden zu bestätigen.
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i18n
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Re: Gedankenspiel über die politischen Strategien in China

Beitrag von i18n »

shuhan hat geschrieben: Ich muss zugeben, bei derart verdrehter und unverschämter Logik geht mir der Hut hoch.
Bitte bleibe sachlich und werde nicht ausfallend!
shuhan hat geschrieben:Ich hatte selbst eine Dorfschule in China besucht. Ich weiss, wie schlecht Dorfschulen ausgerüstet sind im Vergleich zu einer staatlichen Schule in einer Großstadt. Die meisten meines Jahrgangs in dieser Dorfschule haben es nicht auf eine Universität geschafft. Die allermeisten Kinder der Bekannten meines Vaters in Peking, die eine staatliche Schule in Peking besucht haben, haben es dagegen ausnahmslos auf Elite-Universitäten wie Tschinghua oder Beida geschafft. Waren sie einfach klüger und meine Mitschüler hingegen dümmer? Natürlich nicht.

Es liegen schlicht Welten zwischen der Lehrqualität einer Landschule und der einer Stadtschule.
Du bist also Chinese, hm, wußte ich nicht. (Hier gibt es viele Deutsche, die sich mit chinesischen Namen schmücken.) Dennoch qualifiziert Dich das nicht, mich zu beschimpfen. Dein Deutsch ist so gut, daß Du anscheinend in Deutschland aufgewachsen bist. Was heißt, daß Deine Ausführungen eher Kindheitserinnerungen sein können, und, nach Deinem Stil, daß Du ein paar Jahr jünger als ich bist. Bin auf Vermutungen angewiesen, in Deiner Vita hier steht leider nichts über Dich. Respektiere ich, ist dennoch schwer, mit jemandem zu debattieren, von dem man nichts weiß.

Doch zum Thema: Ich habe ein Jahr lang auf einer Dorfschule im tiefsten Qinling-Gebirge als Englischlehrer gearbeitet, sicher sehr wenig verdient, aber gute Freunde gewonnen, Dialekt gelernt, so daß ich mich auch mit den Alten verständigen konnte. Oft ist es nicht eine Frage von Stadt oder Land, sondern des Teams. Natürlich hast Du recht, das Ansehen einer Landschule ist sehr gering und selbst wenn ein Kind den besten Abschluß seit 20 Jahren macht, es kommt auf keinen grünen Zweig, da der Stall nicht der richtige war. Das hat aber auch nichts mit der Regierung zu tun, sondern mit der Voreingenommenheit und Borniertheit der meisten Leute. Das passiert genauso in anderen Ländern.

Ich habe zwei sehr gute japanische Freunde in Berlin, die in der KP Japans sind, an der Tokyo Daigaku studiert hatten, die mir berichteten, es käme den meisten nur darauf an, an diese Uni zu kommen, trotz guten Equipments werde kaum studiert, es reiche ja, wenn man den Abschluß irgendwie mache (zur Not gäbe es Ghostwriter). Die meisten Studenten nähmen die guten Studienmöglichkeiten nicht wahr, sie seien Söhne/Töchter aus sog. »gutem Hause«, bei denen es einfach zur Vita gehöre, an der Todai gewesen zu sein. In China wäre das die Qinghua, im Ausland Oxford oder Cambridge. Soweit zum Stallgeruch.

Ich denke, ich kenne ein wenig die Sorgen der einfachen Leute auf dem Lande, deren Denkweise, aber auch deren Vorurteile und Engstirnigkeit.

Ein Familienmitglied, meist ein etwas clevereres, wird auserkoren, in der Stadt sein/ihr Glück zu machen. Dann kommen weitere nach. Das Ziel ist meist nicht, in der Stadt lange zu bleiben, sondern nur, so schnell wie möglich Geld zu machen, und dann zurückzukehren, den anderen Familien zu zeigen, daß es der Sohn/die Tochter geschafft hat, man eine Wohnung in der Stadt besitzt, das eigene Gut zu renovieren, vielleicht noch eine Wohnung/ein Haus im Dorf zu kaufen, ein Auto usw.

Die meisten wissen nicht, was auf sie in der Stadt wartet, aus der erhofften kurzen Zeit werden viele Jahre, Kinder werden geboren, man muß aber das Gesicht wahren, denn der Sohn von Lao Li hatte es doch vor Jahren auch geschafft! Ich habe ähnliches in den 90ger Jahren in Berlin mit Zhejiang-Chinesen (Wenzhou) erlebt, die auf Gedeih und Verderb nach Deutschland einwanderten, viel Bitternis aßen und von denen 75% sofort wieder nach Hause geschickt wurden, weil sie nicht im mindesten vorbereitet waren. Meine erste Frau war eine von ihnen, allerdings eine von den glücklichen, sie besitzt heute ein gutgehendes Restaurant in Berlin.

Aber das ist mehr als 20 Jahre her. Das Gesetz, auf das ich ansprach, stammt aus dem Jahre 2011. Der Regierung ging es darum, daß die Leute auf ihrer Scholle bleiben und sich dort entwickeln. Deshalb müssen die Bauern, die weiter auf ihrem Grund und Boden bleiben, keine Steuern zahlen. Und das ist einmalig auf der Welt! In jedem Land der Welt gibt es die Diskrepanz zwischen Stadt und Land. Deshalb muß eine Dorfschule nicht schlechter sein als ein Schule in der Stadt. Ich habe es im Gebirge selbst erlebt, mit wieviel Liebe und Aufopferung die Lehrerinnen unterrichtet haben, selbst unter den ungünstigsten Bedingungen. Und, mit wieviel Liebe und Dankbarkeit es von den Kindern aufgenommen wurde, von den meisten! Viele Kinder hatten einen Schulweg von 5 km, jeden Tag! Wir haben uns dann gekümmert, daß die Kinder mit dem längsten Weg oder den ungünstigsten Bedingungen wenigstens ein paar Abende bei den Lehrern eine Bleibe hatten und versorgt waren. Daß das die Eltern und Großeltern nicht verstanden, daß es nur wichtig war, wo man gelernt hat und nicht wie, das ist wirklich nicht der Regierung anzulasten, sondern der Voreingenommenheit und Stupidität der Menschen.

Es ist immer einfach, die eigene Unfähigkeit und Borniertheit anderen anzulasten, am besten der Regierung, die ist so schön anonym.

Okay, bis hierher, ich freue mich auf weitere Diskussionen, aber bitte werde nicht persönlich!
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i18n
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Re: Gedankenspiel über die politischen Strategien in China

Beitrag von i18n »

Laogai hat geschrieben:

Lieber Lao Gai, kann Dir in allen Punkten nur zustimmen. Danke für den Text. Bei mir schwillt der Kamm, wenn verallgemeinert wird. Wenn unpassende Vergleiche gezogen werden. Wenn vom hohen Roß herab argumentiert wird.
MfG, Udo Müller
shuhan
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Re: Gedankenspiel über die politischen Strategien in China

Beitrag von shuhan »

@Laogai,

auch du begehst einen gravierenden Denkfehler. Natürlich hat die KPCh-Führung ein Interesse daran, dass ein Minimum an Existenzbedingungen für einen Großteil der chinesischen Bevölkerung geschaffen wird, weil sonst die Stabilität des Regimes aufgrund der verbreitenden sozialen Unruhen ebenfalls gefährdet ist, wenn ein Großteil der Bevölkerung so sehr unter dem Existenzminimum lebt, dass sie nichts mehr zu verlieren hat.

Darum habe ich auch in meinem Ausgangsartikel geschrieben, dass die KPCh-Führung darum bemüht ist, ein Wirtschaftswachstum von mindestens 7 Prozent zu halten, damit möglichst viele Menschen eine Beschäftigung finden können.

Das absolute Machtmonopol der KPCh auf sämtlche Resourcen Chinas und die daraus resultierende Nicht-Verantwortbarkeit vor dem Volk (da nicht wählbar) führt jedoch auch dazu, dass die Machthaber nicht in der Lage sind, für einen wirksamen Interessenausgleich zwischen den internen Profiteuren des KPCh-Staatssystems und den Massen der Bevölkerung zu sorgen, weil das Volk politisch wenig zu sagen hat und deshalb die Machtbalance klar zugunsten der internen Profiteure des KPCh-Staatssystems geneigt ist.

Sobald die internen Interessenvertreter der KPCh und die Nicht-Systemangehörigen (d.h. diejenigen, die nicht zum Staatsapparat gehören) um das Interesse oder um die Resourcen konkurrieren, ist die KPCh-Führung schon aufgrund ihrer Machtbasis mehr oder weniger gezwungen, das Interesse der eigenen Leute den Nicht-Systemangehörigen gegenüber Vorang zu geben.

Das gleiche ist der Fall, wenn es um den Konflikt zwischen des Wohls der Nation und des Machterhalts der KPCh geht.

Langfristig gesehen bedeutet dies: Es findet eine Beharrung auf das Interesse der eigenen Partei-Profiteure auf Kosten der Zukunftsfähigkeit der gesamten chinesischen Nation statt.

Beispiele dafür gibt es genug. So würden zum Beispiel mehr Pressefreiheit oder eine unabhängiere Justiz die enormen sozialen Spannungen wesentlich lindern und zumindest den unzufriedenen Menschen im Land einen Ausweg zu mehr Gerechtigkeit oder einen Sprachrohr bieten. Dies würde aber zwangsläufig das Machtmonopol der KPCh gefährden.

So weisen fast alle Demographen auf die katastrophalen Folgen der Geburtenplanungspolitik hin, weil sich Chinas Bevölkerung sehr schnell altert, bevor überhaupt ein flächendeckendes Sozialsystem etabliert ist. Trotzdem geht es mit der Reform der Geburtenplanungspolitik nur schleppend voran. Warum? Weil seit Jahrzehnten zig Millionen Parteifunktionäre bzw. Parteikader von der Umsetzung dieser Politik leben, ja eine mächtige Lobbyisten- und Interessengruppe um das Parteikomitee für Geburtenplanung herausgebildet hat, die unbedingt an dieser Politik festhalten will, weil sonst ihre Existenz in Frage gestellt ist.

So sind derzeit die staatlichen Unternehmen in China nur für 1/3 der Produktionsleistung in China verantwortlich, erhalten aber 75 Prozent des Kapitels in China. Hingegen sind private Unternehmen für 2/3 der Produktionsleistung in China verantwortlich, erhalten aber nur 25 Prozent des Kapitals von den Banken.
Quelle:
http://www.forbes.com/2009/06/23/chines ... n-lee.html
Warum wohl?

Die Antwort liegt auf der Hand: Weil die Aufrechterhaltung der Dominanz der staatlichen Unternehmen für den Machterhalt der KPCh unverzichtbar ist und weil die eigenen Leute (Staatliche Unternehmer= KPCh-Funktionäre) davon am meisten profitieren können. Dies geschieht aber auf Kosten der gesamten Wettbewerbsfähigkeit des Landes und erschwert zudem die Transformation Chinas zu einer innovativen und fortschrittlichen Volkswirtschaft wie Japan oder Südkorea damals.


Die autoritäre Staatsform mag in der Anfangsphase einer Volkswirtschaft förderlich sein, weil sie wesentlich schneller als eine Demoraktie Beschlüsse umsetzen kann und große Infrastrukturprojekte ohne viel Rücksicht auf die Bevölkerung vorantreiben kann.

Aber sobald diese Volkswirtschaft auf ein Niveau angelangt ist und die nächste Entwicklungsstufe unweigerlich eine Transformation von einem Massenproduktionsland zu einem innovativen Land erfordert, da spielen Faktoren wie eine unabhänige Justiz, mehr Pressefreheit, mehr Meinungsfreiheit (-> mehr innovative, kritische und selbstständig denkende Köpfe) eine entscheidende Rolle bei der Transformation.

Und genau das würde unweigerlich der Staatsräson des KPCh-Staates, nämlich das unbedingte Festhalten an dem Machtmonopol der KPCh, zuwider laufen. Darum wird es für China nicht möglich werden, bei der derzeitigen Staatsform in eine stabile innovative Volkswirtschaft zu transformieren.

Zum Schluß noch etwas zu der Wirtschaftsreform in China:

Die Reformpolitik Chinas ab 1979 sollte man aber in zwei Perioden unterteilen.

Die erste Periode:von 1979 bis 1989
Die zweite Periode: von 1992 bis heute.

Die erste Periode der Reformpolitik begann mit der Abschaffung der Volkskommunen und der Rückgabe des Bodens an die Bauern, wenn auch nur auf Pacht. Dadurch wurde die Voraussetzung für einen Nahrungsmittelüberschuss in China geschaffen und die Bauern durften den Überschuss selbst gewinnbringend verkaufen. Private Unternehmen wurden erlaubt.
über 80 Prozent der Armutsreduzierung in China seit 1979 fand während dieser Periode statt.

Damals gab es tatsächlich eine Art "Reformfraktion" (bekannte Parteigröße: Zhao Ziyang)innerhalb der Kommunistischen Partei Chinas, die neben der marktwirtschaftlen Reform auch eine politische Reform Chinas anstrebten. Es herrschte im Land Aufbruchsstimmung. Dann kam bekanntlich 1989 die Niederschlagung der Studentenbewegung. Die politischen Reformer innerhalb der Kommunistischen Führung wurden entmachtet und Zhao Ziyang wurde unter Hausarrest gestellt. Die Wirtschaftsreform wurde nach dem Willen Deng Xiaopings fortgesetzt, jedoch wurde daraus eine andere Reformpolitik. Die Parteiführung entschied, die staatliche Kontrolle über die Wirtschaft wiede zu stärken.

Das ländliche China war der Kern der Entwicklung des privaten Sektors ab 1978. Vor 1989 betrug die Wachstumsrate der Investition aus dem privaten Sektors 20 Prozent, nach 1989 nur noch 7 Prozent. Heute erhalten etwa 120.000 staatliche Unternehmen über 75 Prozent des Kapitals in China, obwohl sie nur für weniger als 1/3 der Produktionsleistung in China verantwortlich sind.


Laut einer Weltbank-Studie von 2006 sanken die Einkommen der ärmsten Menschen in China ab 2001 jährlich um 2,4 Prozent. Ein Indiz dafür, dass die absolute Armut in China zunimmt, obwohl die Wirtschaft zweistellig wächst. Die Anzahl der Anaphabeten in China war auch gestiegen, von 85 Millionen in 2000 auf 114 Millionen im Jahr 2005.

Der Einkommensunterschied zwischen Stadt- und Landbevölkerung ist von 1,8 in der Mitte der 80er Jahre auf 2,4 in der Mitte der 90er Jahre, dann auf 2,9 im Jahr 2001 gestiegen und beträgt nun 3,5. Die meisten Chinesen (Bauern, Arbeiter,etc) haben kaum von dem Wirtschaftswachstum seit den 90er Jahren profitiert. Stattdessen hat die KPCh-Führung staatliche Konzerne systematisch mit günstigen Krediten gefördert. Die Vernachlässigung und Benachteiligung der mittelständischen Privatunternehmen ist auch für die prekäre Lage des Arbeitsmarkts in China mitverantwortlich.


Laut Yasheng Huang, Professor des Massachusetts Institute of Technology's Sloan School of Management, hat sich die absolute Zahl der Armen und Anaphabeten in China seit 2000 verdoppelt.
Quelle:
http://economictimes.indiatimes.com/mag ... 489003.cms
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