@Topas
Das gleiche gilt auch für Wirtschaftsstudiengänge. Einige Fächer haben ebenfalls Durchfallquoten von bis zu 80%. Es ist keinesfalls so, wie von den Technikern immer dargestellt. Wenn in Deutschland an 2 Unis BWL für 100 Studenten angeboten werden, aber nur an einer von beiden Elektrotechnik für ebenfalls 100 Studenten, ist es logisch, dass es mehr BWL-Absolventen gibt. Das bedeutet aber nicht, BWL sei nun einfacher.
Mir ist klar, dass BWL-ler keine Mathematiker sind. Binomische Formel gehört aber schon zum Basiswissen der allgemeinen Schulausbildung, und wenn jemand eine allgemeine Hochschulreife erlangt hat, dann kann ich auch von ihm erwarten, dass er Grundlagen der Mathematik beherrscht, selbst wenn er nur Mathe-Grundkurse in der Oberstufe gehabt hätte.
Ich möchte dir nicht zu nahe treten. Ich habe selber Wirtschaftsinformatik als Schwerpunkt gehabt, sodass ich im Rahmen meines Studiums ebenfalls mehrere BWL-Vorlesungen besucht habe, die zu Grundlagen des BWL-Studiengangs gehören wie Produktion/Logistik, Beschaffung Absatz, Unternehmen und Märkte, etc. In keiner dieser Vorlesungen hat es auch annährend eine Durchfallsquote von 80% gegeben und Mathematik für Wirtschaftswissenschaftler empfand ich als einen Witz im Vergleich zur Mathematik für Informatik.
Es mag sein, dass einige Veranstaltungen der Betriebswirtschaftslehre sehr schwer sind und sich dort die Durchfallsquote dem 80 Prozent anährt, aber auch nur einige. In Informatik hatte es jedoch bei uns in allen, ich wiederhole, allen Basis-Vorlesungen der ersten beiden Semester eine Durchfallsquote von 70-80 Prozent gegeben, sei es Diskrete Mathematik, sei es Grundlagen der Kerninformatik, sei es Mathematik für Informatiker, usw.
Insgesamt dürfte die Abbrecherquote eines BWl-Studiengangs auch wesentlich niederiger ausfallen als in Informatik.
Der Grund, warum das so, liegt auf der Hand:
Die Vorlesungen der Betriebswirtschaftslehre in den ersten Semestern kann ein durchschnittlicher Abiturient mit etwas Anstrengungen bestehen, weil viele Inhaltsstoffe von dem Schulniveau nicht stark abweichen. Die Mathematik für Wirtschaftswissenschaftler etwa, eine Pflichtveranstaltung für alle BWLer, ist praktisch größtenteils Schulmathematik.
Die Basis-Vorlesungen in Informatik hingegen sind sehr speziell. Besonders die Mathematik für Informatiker ist auf dem Niveau der Hochschulmathematik für Mathematiker und ist sehr abstrakt. Dementsprechend unterscheidet sich die Mathematik für Informatiker sehr stark von der Schulmathematik.
Bei der Mathematik für Betriebswirtschaftslehre liegt Rechnen im Vordergrund, in informatik aber das abstrakte mathematik Denken und die Beweisführung im Vordergrund. Insbesondere Diskrete Mathematik, was für Informatiker Pflichtveranstaltung ist, ist derart abstrakt (Gruppen, Ringe, homomorphismus, etc), dass es für jemanden mit einem frischen Abitur völlig Neuland ist und mit der Schulmathematik fast nichts mehr zu tun hat.
Darum scheitern auch so viele an Informatik. Es erforderte ein extrem hohes Niveau von mathematikem Können, um ein Informatikstudium zu schaffen. Und diese Fähigkeit besitzen bekanntlich nur wenige Abiturienten. Ich konnte beobachten, dass fast alle Erstsemster, die keine Mathematik als Leistungskurs in der Oberstufe hatten, an der Mathematik für Informatiker gescheitert sind.
Ich ziehe daraus deshalb den Schluß, dass in der Zukunft auch weiterhin nur wenige ein informatikstudium erfolgreich absolvieren können.
Ein BWL-Studium hingegen werden die meisten Abituriten mit etwas Anstrengungen bestehen können. ich betone: bestehen - wenn man gute Noten herausholen will, muss man sich auch sehr anstrengen und eine hohe Begabung dafür haben.
Zudem ist ein BWL-Studiengang oftmals Sammelbecken für Abiturienten, die eigentlich gar nicht wissen, was sie eigentlich studieren sollen und was sie später beruflich machen möchten. Im Zweifelsfalle dann lieber ein BWL-Studium, da man ja mit BWL so vieles in der Wirtschaft machen kann. Darum gehört BWL genau so wie viele Geisteswissenschaften und Kulturwissenschaften zu den Studiengängen, die die immer mehr werdenden Abiturienten wohl abfangen, die mangels Begabung eigentlich hätten besser eine Ausbildung anfangen sollen..
Aber dadurch, dass ein immer größer werdender Anteil an Schulabgängern an die Uni strömen und die oben genannten Studiengänge studieren und auch abschließen, werden eben die Abschlüsse in diesen Studiengängen entsprechend entwertet. Was früher in Unternehmen eine Tätigkeit die Qualifikation einer kaufmännlichen Ausbildung erfordert, machen künftig wohl Studienabsolventen einer Wirtschaftswissenschaft. Ein Ausbildungsabschluss als Kaufmann wird durch das Überangebot von BWL-Absolventen auch entwertet, sodass immer mehr junge Menschen lieber ein Studium anfangen wollen. Ein Teufelskreis. Dementsprechend werden sich auch die Löhne anpassen.
Natürlich können BWL-Absolventen mit sehr guten Noten trotzdem eine TOP-bezahlte Arbeit finden. Aber die meisten werden durchschnittlich sein, und genau die werden es zukünftig sehr schwer haben.
Ich kann deshalb so eine Entwicklung nicht gutheißen, weil ich selber in China beobachtet habe, welche katastrophalen Folgen eine Entwertung der Studienabschlüsse für die ganze Gesellschaft haben kann. Am Ende wird eine soziale Mobilität dadurch nicht besser, sondern eher schlechter, weil ein sozialer Aufstieg durch einen Studienabschluss erheblich erschwert wird.