belrain hat geschrieben:Chinesen werden aber sicherlich als schlaue Geschäftsleute angesehen, weil sie in der Lage sind Probleme zu verschleiern ohne Gewissensbisse zu bekommen. Verantworungsbewusstsein lernen sie bei dem Schulsystem wahrscheinlich auch nicht (und natürlich gibt es auch hier Ausnahmen ). Was im Geschäftsleben sicher von Vorteil ist, zumindest bei kurzfristigen Geschäften, moralisch aber kaum vertretbar.
Nun ja, aber sind das nicht fast alle Kapitalisten auf der Welt?
Aus Amerika kommen die Heuschreckeinvestoren, in Deutschland schaden die Entscheidungen weniger Manager und Vorstandsmänner in einigen großen Konzern das Wirtschaftsklima dauerhaft, ohne dass die Verantwortlichen jemals dafür zur Verantwortung gezogen werden können. Diese Leute sitzen noch heute auf die wichtigsten Positionen, Hauptsache die Redite der Aktionäre sowie die Managergehälte steigen von Jahr zu Jahr. Auch Politiker baut gern teure Luftschlösse und manipuliert gern an die Moralwerte der Menschen herum, nur um Wählerstimmen ein zu kassieren. Das ist nun mal die kapitalistische Gesellschaft und sie ist schon immer unmoralisch und profitorientiert. Was wir in China erleben, ist nichts anders als den Kapitalismus, den Charles Dickens in seinen Romanen das 19. Jh beschrieb, nur aber mit modernen Fassaden.
Torte hat geschrieben:da ich grade das thema angefangen habe. In welchem Land würdet ihr eure kinder (falls ihre welche habt oder haben möchtet) zur schule schicken? deutschland oder china? (grufti bitte sagen wenn ich dafür einen extra thread aufmachen soll ^^)
Also, mein Vater war schon seit der 80er Jahre in Deutschland gewesen. Trotzdem sollte ich ursprünglich in China mein Abitur schreiben, weil mein Vater die Meinung vertrat, dass die strenge Schulausbildung dort besser sei als in Deutschland, besonders auf die naturwissenschaftlichen Fächer bezogen. Ich persönlich bin nicht diese Meinung und finde eigentlich beide Modelle zu sehr extrem. Während in China die persönliche Entfaltung völlig ignoriert und sogar zum Teil unterdrückt wird, schafft hier in Deutschland die Schulen eine Welt der totalen Freiheit. "Denkt ja nicht daran, was für Euch gut wäre, sondern nur daran, was Euch Spaß machen wird!" Den Satz hatte man uns fünf mal wiederholt, als ich die Leistungskurse wählen sollte. Der Ansatz ist eigentlich sehr schön und soll beim Idealfall die natürlichen Talente der Kinder fördern und zur Geltung bringen. Leider führt es in der Praxis jedoch auch dazu, dass die Kinder sich nur Spaßorierntiert entwickeln. Wenn irgendwo Widerstand gibt, dann gibt man schnell auf und versucht lieber was anderes. Daher gibt es hier viele, die nie ihr richtiges Studienziel finden können. Mangel an Disziplin und fehlende Respekt vor Erzieher ist das zweite große Problem des viel zu liberal eingestellten Erziehungssystems.
Also, ich habe noch kein Kind. Aber rein hypothetisch gesehen, wenn ich eins hätte, dann würde ich es am liebsten ein Erziehungssystem anvertrauen, das so ungefähr zwischen den chinesischen und den deutschen Schulen liegt. Wenn ich es leisten kann, dann würde ich mein Kind am liebsten zu einer privaten Schule in Deutschland schicken. Es ist sicherlich kein toller Beitrag zur sozialen Gerechtigkeit. Es ist eben der letzten Schrei der Wohlhabenden gegenüber den gescheiterten Traum von Waldorfschulen.
Abgesehen davon, bin ich aber auch die Meinung, dass die Eltern in der Entwicklung und Erziehung eines Kindes eine sehr zentrale Rolle spielt. Theoretisch braucht man weder Eliteschulen in China noch Privatschulen in Deutschland. So lange man nicht gerade in eine Gettoschule landet, kann ein Kind sich sehr diszipliniert aber selbstbewusst entwickeln, wenn die Eltern genügend Achtung, Zuneigung, Hilfestellung und Liebe für das Kind aufbringen kann. Das wäre meine Theorie dazu. In der Praxis habe ich ganz großen Respekt vor Leute, die Eltern geworden sind und kann ich mir selbst diese Aufgabe gar nicht zutrauen.
Topas hat geschrieben:Ich denke mir einfach, dass doch im tiefsten inneren jeden menschen der Drang zur entfaltung der eigenen Persönlichkeit schlummert.
Ja, aber man muss auch verstehen und lernen, dass das Leben nicht nur aus Wünsche, sondern auch aus Verpflichtungen besteht. Sonst muss ja keiner mehr von uns zur Arbeit gehen.
Topas hat geschrieben:Was ich nur schlimm finde ( vor allem weil ich es gersde selbst am eigenen leib am erfahren bin ) ist, dass Bildung vom Stellenwert innerhalb vieler Kulturen, viel höher als normale Menschliche Grundbedürfnisse stehen.
Das stimmt nicht.
Allgemein gilt es doch überall, dass wenn die Probleme mit Hunger und Kälte noch nicht beseitigt sind, es keine gesunde Entfaltung einer Kultur geben kann.
Natürlich gibt es auch noch den Satz "Wissen ist Macht", aber es wird hauptsächlich damit verknöpft, dass man mit Hilfe von Wissen Wohlstand und eine bessere Gesellschaft erschaffen kann.
In keinen der Fällen wird Bildung höher gestellt als die Erfüllung von Grundbedürfnissen. Dennoch ist Bildung sehr wichtig sowohl für jeden einzelnen als auch für die gesamte Gesellschaft. Ohne Bildung würde China auch niemals demokratischer werden und ohne Bildung würden wir Menschen nicht über unserer Bindung zur und Verantwortung gegenüber die Natur nachdenken.
Aber gerade an diesem Punkt bin ich sehr skeptisch gegenüber die Tendenzen hier in Deutschland. Meiner Meinung nach zeigen die zu lasche Bildungspolitik der letzten 30 Jahren jetzt ihre Wirkung: Welche Nonsens flimmert nur noch durch die Fernsehglotze? Welche Zeitungen sieht man nur noch in den U-Bahnen? Ich weiß, ich bin inzwischen ein meckernder alter Mann geworden. Aber wenn ich Ausbildungsanwärter sehe, die nichtmal ohne Taschenrechner Addition hinbekommen würden und Jugendlichen, die nur Sätze aus zwei Wörter wie "Ey, Digger!" bilden könne, da frage ich mich wirklich, wo Deutschland in der Zukunft hinsteuert.
Topas hat geschrieben:So sitze ich jeden Tag in der Regel bis Mitternacht am Stoff und lerne, wobei ich jedesmal abwägen muss, ob mir dass Kochen eines einfachen Tellergerichts ( ca halbe Stunde ) nicht schon zu viel Zeit raubt.
Ach Du armer Student.
Aber ich möchte jedoch hinzufügen, dass es sich hier um Deine eigene Entscheidung handelt. Du hast die Freiheit zu entscheiden, ob Du die halbe Stunde liebe fürs Kochen verwenden willst, oder fürs Lernen. Die wichtigere Frage wäre, ob Du mehr und erfolgreicher lernen kannst, wenn Du die halbe Stunde nicht fürs Essen und Kochen "ausgeben" würdest. Ich kenne mich auch mit dem Lernen zur Mittelnachtzeit aus, jedoch muss ich sagen, dass ich dies tun musste, weil ich die Zeit davor nicht wirklich effizient genutzt habe. Um Prüfungen mit akzeptabelen Noten zu bestehen, musste ich die Nächte vor der Prüfung opfern, weil ich Wochen davor sehr viel Zeit mit Computerspiele und Discobesuche verbracht habe. Hiermit will ich jedoch nicht meinen, dass Du auch Deine Zeit verplempert hast, sondern nur, dass man selbst darüber entscheiden kann, was man tut und wie man mit seiner Zeit umgeht. Wahrscheinlich deswegen ist die eine Chinesin nicht zur Prüfung gegangen, weil sie sich irgendwann die Frage stellte, ob sie mit dem Studium nicht ihre Zeit verschwendete...
Topas hat geschrieben:Ich denke dass dieses Bildungssystem antiquirt ist, da es ja tatsächlich in den Grundzügen schon seit dem Mittelalter besteht. Es basiert auf der ganzen Welt nur nach dem Motto : Du musst zu den Besten gehören , sonst bist du zu dumm. Das dann logischerweise eine soziale Spaltung in der Bevölkerung entsteht, ist natürlich.
Und dabei ist unsere Zivilisation schon so schlau, dass diese viel bessere alternative Bildungssysteme ( bezüglich psychologie, oder zum Beispiel abschaffung der Noten ) besitzt.
Dass zum Beispiel auf Hochschulen eine Durchfallquote in vielen Fächern von über 70 % existiert, bedeutet nicht dass 70 % zu dumm sind , oder Faul sind ( von Ausnahmen abgesehen ).
Stattdessen wird regelrecht ausgesiebt, wer den Stoff nicht innerhalb von drei Monaten perfekt beherscht, wird gnadenlos als mangelhaft bewertet.
Und dass ist aus meiner Sicht völlig daneben, hat sich aber im Laufe der Jahrhunderte leider etabliert.
Grundsätzlich hast Du ja Recht.
Aber jedes Bildungssystem braucht Kontrollmechanismen. Ob Schulnoten dafür sinnvoll geeignet ist, oder bereits längst überholt ist, sei dahin gestellt. Ich kenne leider noch keine andere wirklich wirkungsvolle Methode, die sinnvoll die Lernerfolge, Wissensstand, Begabung und Intelligenz eines Menschs messen kann.
Worüber Du Dich aufregst, zeigt auch, dass obwohl das Schulsystem hier in Deutschland bereits sehr liberalisiert ist, aber dennoch die gleichen Kontrollmechanismen wie in China bedient. NC-Noten für die ABI-Prüfung sowie die Aussiebquote bei den Prüfungen in Unis haben im Prinzip den gleichen Charakter und sogar auch das gleiche Zweck wie bei dem chinesischen Ausbildungssystem. Aber hier wird niemand stets und ständig Dich in die "richtige" Bahn lenken und Dich zwingt niemand anders als Du selbst weiter zu lernen. Du weißt halt ganz genau, wie die Gesellschaft mit Dir verfahren wird, wenn Du kein gutes Zeugnis vorweisen kannst.
Für die vielen Sprachfehler möchte ich mich nochmal entschuldigen. Wenn der Text zu lang wird, dann habe ich nicht immer Lust nochmal zu korrigieren.