Hallo Leute, lange habe ich mich nicht mehr gemeldet und heute Nacht einmal diesen doch schon alten Thread ausgegraben.
Was für mich China bedeutet? Es ist eine Hass-Liebe!
Einerseits liebe ich die kulturelle Tradition und Vielfalt Chinas, andererseits hasse ich es, dass fast alles was China in seiner langen Geschichte bis heute an Tradition erhalten hat nur noch für Touristenbesuche geeignet scheint. China ist ein Land der Gegensätze doch während meiner 2 Jahre dort empfand ich es zunehmend künstlicher.
Es ist schwer zu erklären, was mir China bedeutet, doch habe ich hier mal einen Textauszug von Camau aus dem Jahre 2006 kopiert:
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Als ich 7 Jahre alt war schaute ich in den Himmel und beschloss, wenn ich gross bin will ich nach China. Am besten gleich ins Shaolin Kloster
... Ich wollte Kung Fu beherrschen, aber nicht nur das, ich wollte mich (meinen Geist) und meinen Körper beherrschen können. Trotzdem war und bin es auch heute noch, fasziniert von diesem Land! Nun, die eigentliche faszination an China war und ist es auch zum Teil heute noch, die Art und weise wie die Menschen das Leben bewältigen. Sie verlieren selten die Ruhe, haben eine faszinierende Art die Kinder zu erziehen und ein für mich extrem grosses Wissen was die Gesundheit betrifft. Wenn ich einen Mönch beobachte, dann bewundere ich ihn mit welcher Geduld und Ruhe er an Dinge heran geht, heikle Situationen bewältigt oder ganz einfach seine Bewegungen wenn er einen Boden wischen muss. Er tut es mit hingabe. So siehts jedenfalls aus! Die Weisheiten die sie parat haben wenn man mal nicht weiter weiss, das Kindliche das sie an den Tag legen können, als wären sie die Unschuld in Person, aber auch ihren Stolz, die Weitsicht mit der sie an Dinge herangehen. Die Ruhe die sie ausstrahlen auch im grössten Chaos, kein Klagen, kein Gezehter, kein Wehleidiges Getue und Gejammer wenn es ihnen mal nicht gut geht! Die Demut, Sanftheit und doch stark. Der Familienzusammenhalt, der Respekt den älteren gegenüber, die Loyalität. Die Architektur..... Kalligraphien, das Essen, Die Berge, die Gegensätze, die Natur....Die Chinesen haben Zugang zu einer Welt die wir als Westler nie haben werden, oder nur sehr schwer erreichen können.
Ca Mau
So, erstmal danke für deinen Beitrag damals. So ähnlich sah und sehe ich China. Mich fasziniert ihre, für uns, fremde Tradition und Kultur. Doch wo findet man diese noch? Meinen Erfahrungen nach, bei den kleinsten Teilen der chin. Gesellschaft. So ist das Bild des kehrenden Mönchen leider arg am bröckeln. Gerade für jemanden der begeistert die chinesische Philosophie, Sittenlehre, Körperlehre, ect. für äußerst interessant erachtet, ist dies ein herber Rückschlag.
Der chinesische Alltag ist abgefahren und mühselig, doch auch faszinierend und leider manchmal abstoßend. So richtig kann ich es nicht in Worte fassen, es ist mehr ein Gefühl was mich nach China zieht, aber dann auch wieder davon abhält.
Ich habe während meiner Zeit dort sehr viele Erfahrungen gesammelt für die ich heute dankbar bin. Ich habe viele verschiedene Situationen und Ereignisse mitbekommen auf die ich lieber verzichtet hätte, doch bin ich inzwischen froh über eben jene.
China hat mich geformt! Ich denke ich habe doch vieles über mich selbst erfahren und viele Seiten an mir entdeckt, die ich hier in Deutschland nie beachtet hätte. (Vom Möchtegern-Kolonialherren, zum demütigen Gemeinschaftsmensch, vom Schweiger zum Aufschneider, ect.)
Derzeit studiere ich Sinologie im Nebenfach, aber dennoch werde ich es diesen Winter abwählen und mich auf meine zweite asiatische Liebe stärker konzentrieren, Japan.
Sehr viele Dinge stoßen mir an China bitter auf, das fängt beim Tierschutz an, geht über Menschenrechte, Hygiene, Politik und endet irgendwann beim durch das Eltern ermutigte "mitten-auf-den-Gehweg-kacken" von kleinen Kinden. (Ja ich habe es tatsächlich und sehr oft beobachten können. Ein Hurra auf die Hosen mit Schlitz im Schritt- und Pobereich
) Natürlich sind dies alles subjektive Empfindungen und jeder erlebt China anders, doch für mich gibt es in diesem großen Land einfach zu viele Negative.
Steckt mich jetzt bitte nicht mit Leuten in eine Schublade, die Deutschland oder Europa für das Maß aller Dinge halten. Das bin ich, weiß Gott, nicht! Fernher halte ich keine der Kulturen für der anderen Überlegen. Für mich besteht der beste Weg in der "goldenen Mitte". Einer Verschmelzung der Kulturen stimme ich zu und irgendwann werden wir vielleicht einen für alle akzeptablen Konsens finden.
Für meine Lebensweise (ich fokussiere meine Studien und Studienzukunft, sowie auch mein Lebensinhalt auf die geistlichen Einflüsse der verschiedenen Kulturen auf unser Leben und wie es besser werden könnte) erachte ich Japan als geeigneteren Ort für mich. Dort gibt es zwar auch sehr viele Dinge die mich stören, aber im Vergleich zu den chinesischen Problemen erscheinen sie mir eher marginal. Meines Empfindens nach hat die japanische Gesellschaft den, mir sehr wichtigen, Spagat zwischen Tradition und Moderne besser hinbekommen.
Daher bedeutet für mich China ein immerwährendes Abenteuer mit ungewissen Ausgang. Dieses Land und seine Menschen haben, tun und werden mich immer beeindrucken, abstoßen und doch beeinflussen. Doch in seinem jetzigen Zustand ist es, trotz all seiner Wärme und interessanten Eigenheiten, kein Platz für mich zum Leben. Jeder wie er will, doch nicht jeder wie er kann.
Ich hoffe der Text ist nicht allzu lang geworden, doch musste dies einfach mal aus mir raus. Ich quäle mich nun schon fast 2 Jahren mit der Frage: China vs Japan.
Schreibfehler dürfen behalten werden, es ist spät ich bin müde und meine Katze liegt halb auf der Tastatur.