ayane hat geschrieben:Frage mich inzwischen echt, worauf sie stolz sind. Wenn man den westlichen Standard in Deutschland gewohnt ist, dann hält man es im wahren China nicht länger als zwei Tage aus.
hallo Ayane, es tut mir tierisch leid, dass du so enttäuscht bist. aus zeitmangel gehe ich nur auf zwei sätze von dir ein. die chinesen können auf vieles stolz sein. zum beispiel darauf, dass sie in einigen bereichen nur zehn, zwanzig jahre gebraucht haben, wofür die deutschen, der westen insgesamt, 200 jahre und länger gebraucht haben. beispiel gefälligst? rechtssystem: ich weiss, sie noch um einiges von unserem level entfernt, aber wenn man in betracht zieht, dass sie erst vor etwa 10, 15 jahren angefangen haben sich an den westlichen masstäben zu richten, dann finde ich und viele westliche rechtsexperten chinas entwicklung auf diesem gebiet mehr als erstaunlich. wir haben nach der französischen revolution mehr als 150 jahre gebraucht, um die todesstrafe abzuschaffen. ich bin mir sicher, die chinesen werden einen bruchteil der zeit brauchen. und wer weiss schon, dass es in der bundesrepublik deutschland im bundestag insgesamt 8 mal versucht wurde, die todesstrafe wieder einzuführen. ende der 60er jahre ist ein derartiger antrag nur knapp gescheitert.
ein anderes beispiel auf die schnelle: wirtschaftswachstum. es gab in der geschichte der menschheit noch nie eine gesellschaft, die innerhalb einer derart kurzen zeitspanne einen derart gigantischen sprung von einem zustand wie bei uns im mittelalter in die moderne geschafft hat.
ein weiteres beispiel: menschenrechte - uno hat im märz 2001 bescheinigt, dass es in der geschichte der menschheit noch nie einem volk/staat/regierung gelungen ist, eine derart große menschenmasse aus der absoluten armut in ein mehr als menschenwürdiges leben zu hieven. andere im westen kritisieren andere aspekte, ich weiss. aber es ist immer eine frage der definition der menschenrechte. ist es wichtiger, dass eine einzige person gegen irgendein projekt klagen kann, als dass durch dieses projekt 20.000 menschen arbeit finden? die antwort auf diese frage muss sich jeder selber geben.
gleichzeitig kann man noch viele aspekte der menschenrechte bemängeln, ich weiss. aber fakt ist, dass China viele prozesse wie im zeitraffer bewältigt, für die wir jahrhunderte oder zumindest generationen brauchen.
liebe Ariane, ich würde gerne viele andere beispiele anführen, aber die arbeit... du weisst.
du schreibst, "wenn den westlichen standard..." - ja eben, das darf man eben nicht. erstens aus den oben genannten gründen, und zweitens: warum soll man immer den westlichen standard an alles legen?
du musst dich vom kulturschock erholen. ich auch aber umgekehrt: ich brauche jedesmal nach der rückkehr aus China wochen oder eher monate, um mich an die real existierende bundesdeutsche wirklichkeit zu gewöhnen. mich macht es regelrecht depressiv, wenn ich in Hamburg lande und all die missmütigen, alten leute sehe - dort: viele junge, optimistische menschen, die irre neugierig nach der aussenwelt ausschau halten.
ich habe jahrelang als china-dozent für deutsche firmen gearbeitet. eine der ratschläge, die ich den angehenden expats gegeben habe war, '"Deutschland" in Deutschland zu lassen, und unvoreingenommen nach China zu gehen. manchen ist das gelungen, manchen nicht. manche haben ihr "Deutschland" mitgenommen, und haben jeden milimeter, jeder sekunde an der deutschen erfahrung gemessen. andere wiederum haben die chinesiche wirklichkeit für sich betrachtet - und sie wollen meist gar nicht zurück. ein freund von mir arbeitet seit einigen jahren in Nanjing, lebt dort mit seiner deutschen freundin. die beiden haben inzwischen so richtig angst, dass sie es nicht mehr in Deutschland schaffen würden, sich an ihre frühere heimat zu gewöhnen.
Ayane, was sich bei dir wieder wie so oft bestätigt: China polarisiert. dazwischen gibt es selten was. es tut mir echt leid, dass du bei dem minus-pol angelangt bist.
FKQ